„Wir bieten die größte Länderabdeckung!“
Interview mit Rainer Roll, Geschäftsleitung von MIC
Wirtschaftsforum: Herr Roll, warum sind Ihre Softwarelösungen bei international tätigen Unternehmen so populär?
Rainer Roll: Wir stellen unseren Kunden eine multinationale Zoll- und Exportkontroll-Softwarelösung auf einer einzigen IT-Plattform zur Verfügung und in diesem Segment gibt es nur wenige Anbieter. Wir sind die Spezialisten und wir bieten die größte Länderabdeckung. Da wir ‘Software-as-aService’, sprich eine Cloud-Lösung betreiben, sind die erforderliche Wartung und Updates legaler Änderungen immer Teil des Pakets.
Wirtschaftsforum: Erzählen Sie uns doch bitte etwas ausführlicher, was Ihre Softwarelösungen alles können.
Rainer Roll: Gerne, da muss ich aber etwas weiter ausholen! Grundsätzlich sind Exportkontrollprüfungen und Zollabwicklungen komplizierte Angelegenheiten und es müssen sehr viele Formalitäten erledigt werden. MIC unterstützt mit innovativen IT-Lösungen bei der Zuordnung der richtigen Zolltarifnummer für jede Ware, um eine korrekte Zollabgabenkalkulation sicherzustellen, und prüft, welche Freihandelsabkommen und somit Präferenzzollsätze für bestimmte Warensendungen angewendet werden können. Zu beachten ist, dass weltweit bereits mehr als 400 Freihandelsabkommen ratifiziert sind. Zusätzlich sind auch noch Exportkontrollvorschriften und Sanktionslisten bei jeder Warensendung zu berücksichtigen. Dabei ist zu prüfen, ob der Handel mit bestimmten Personen, Unternehmen und Ländern untersagt ist beziehungsweise unter welchen Auflagen bestimmte Warensendungen mit den beteiligten Logistikpartnern erfolgen dürfen. Diese Exportkontrollvorschriften und Sanktionslisten können sich täglich ändern, wie man am Beispiel des Ukrainekrieges sieht. Hat man endlich das Labyrinth an Zolltarifierung, Freihandelsabkommen sowie Exportkontrollvorschriften durchlaufen, ist auch noch jede Warensendung korrekt beim Zoll anzumelden.
Weil die Umsetzung des EU-Zollgesetzes (Unionszollkodex) eine nationale Angelegenheit ist, haben wir in der EU einen Fleckerlteppich durch unterschiedliche nationale Regelungen bei der Zollabwicklung – die Folge davon sind 27 verschiedene Zollanmeldesysteme bei den Zollbehörden. Die internationale Zollabwicklung und die Erfüllung der damit verbundenen gesetzlichen Anforderungen stellen somit einen zeitkritischen Bestandteil der internationalen Warenströme dar. All dies kann bei steigendem Handelsvolumen nur durch stark automatisierte IT-Prozesse und Softwarelösungen bewältigt werden, welche auch mit den unterschiedlichen nationalen Zollbehördensystemen in den jeweiligen Ländern Zollanmeldungen elektronisch in Echtzeit austauschen können müssen. Erschwerend kommt hinzu, dass durch permanente regulatorische Änderungen auch die nationalen Behördensysteme und somit die Softwarelösungen für die Wirtschaftsbeteiligten mehrmals jährlich und je Land angepasst werden müssen. Genau das ist das Kerngeschäft von MIC – standardisierte innovative Softwarelösungen mit hohem Automatisierungsgrad für die eben beschriebenen Anforderungen bei den Unternehmen weltweit einzuführen und zu betreiben sowie die notwendige Wartung und den Support sicherzustellen. Da sind wir Experten.
Wirtschaftsforum: Und wer nutzt Ihre Software?
Rainer Roll: Das sind branchenübergreifend vielfach große multinationale Konzerne wie etwa Siemens, Zalando und VW.
Wirtschaftsforum: Wie groß ist Ihr Einzugsgebiet? Beschränken Sie sich auf Deutschland?
Rainer Roll: Unsere Softwarelösungen sind in mehr als 55 Ländern auf sechs Kontinenten im Einsatz. Informationen zu den rechtlichen Exportkontroll- und Zollbestimmungen wie nationale Zolltarife und Sanktionslisten sind für mehr als 150 Länder in unserer Software hinterlegt.
Wirtschaftsforum: Apropos Vertrieb: Wie erreichen Sie mögliche neue Kunden?
Rainer Roll: Wir haben ein globales Vertriebsteam von rund 20 Leuten. Die Akquise in unserem Metier ist sehr zeitintensiv und manchmal dauert es mehrere Jahre vom Erstkontakt bis zum Vertragsabschluss.
Wirtschaftsforum: Ist Marketing auch ein Thema für Sie?
Rainer Roll: Auf jeden Fall. Auch hier haben wir ein eigenes Team, das zum Beispiel auf Zoll- und Exportkontrollkonferenzen sowie Messen präsent ist. Zusätzlich sind wir Mitglied in diversen Organisationen wie beispielsweise der Außenwirtschaftsrunde in Deutschland und dem Europäischen Forum für Außenwirtschaft. Außerdem bespielen wir soziale Medien und betreiben schon seit über 15 Jahren professionelle Suchmaschinenoptimierung.
Wirtschaftsforum: Wie lange gibt es MIC bereits und wie hat sich das Unternehmen entwickelt?
Rainer Roll: Gegründet wurde MIC 1988 in Linz und hat sich von Beginn an auf Zollsoftwarelösungen spezialisiert. Mit unserem Kunden Hewlett-Packard durften wir bereits 1993 unsere Lösungen in zehn europäischen Ländern und Indien einführen. Auch in Deutschland hatten wir sehr früh Erfolg und konnten Siemens als Kunden gewinnen. General Motors hat sich ebenfalls Ende der 1990er-Jahre in Thailand und Australien für MIC entschieden und 2002 den globalen Auftrag erteilt. Seit 2002 sind wir auch in den USA mit eigenen Büros vertreten. Es kamen immer weitere Aufträge und seit 2009 dürfen wir auch Ford weltweit servicieren. Im gleichen Jahr haben wir auch ‘Software-as-a-Service’ in der Cloud aufgebaut. In den Folgejahren konnten wir viele weitere internationale Kunden gewinnen. Neben der Automobilindustrie gehören der Maschinenbau, die Elektronik-, Textil-, Tabak-, Konsumgüter-, Chemie- und Pharmaindustrie sowie der E-Commerce zu den wichtigsten Kundengruppen. Sämtliche Neukunden werden nun ausschließlich auf der Basis von ‘SaaS’ betreut.
Wirtschaftsforum: Wie ist MIC heute aufgestellt?
Rainer Roll: Unseren Hauptsitz haben wir nach wie vor in Linz, sind darüber hinaus aber auch in Salzburg, Wien und Hagenberg vertreten, weil wir dadurch aus einem größeren Pool an Fachkräften rekrutieren können. Zusätzlich betreiben wir internationale Niederlassungen in den USA sowie in Deutschland, der Schweiz, Belgien, Mexiko und Thailand. Von unseren 450 Beschäftigten arbeiten rund 350 in Linz. Dank unseres guten jährlichen Wachstums von etwa 15% haben wir zurzeit 70 offene Stellen. Bis Ende 2022 soll unser Team 500 Mitarbeiter umfassen. In der Automobilindustrie ist MIC mit 36,9 Prozent Marktanteil weltweit Marktführer bei einem Umsatz von 53 Millionen EUR in 2021.
Wirtschaftsforum: Wie würden Sie die Unternehmenskultur bei MIC beschreiben?
Rainer Roll: MIC ist bekannt für eine Open-Door-Policy bis hin zur Geschäftsleitung. Zusätzlich haben wir auch ein Corporate-Social-Responsibility-Programm ins Leben gerufen und bieten unseren Beschäftigten zahlreiche Benefits, wie zum Beispiel Yogakurse, Job-Bike, Homeoffice und vieles mehr. Außerdem wurden wir als ´Great Place To Work´ ausgezeichnet.
Wirtschaftsforum: Was sind Ihre Ziele für die kommenden drei bis fünf Jahre?
Rainer Roll: Aktuell sind unsere meisten Kunden große multinationale Konzerne. Künftig möchten wir auch den Mittelstand mehr im Fokus haben, denn aufgrund steigender Internationalisierung und Handelsvolumina gepaart mit verteilten Produktionsstätten und somit Lieferketten werden automatisierte Zoll- und Exportkontrollprozesse auch für diese Unternehmen immer wichtiger. Außerdem wollen wir alle unsere Kunden bis 2025 auf ‘Software-as-a-Service’ umgestellt haben sowie weiter jährlich um 15% wachsen.