Weil Gesundheit smart sein kann
Interview mit Lukas Eicher, CEO der Nelly Solutions GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Eicher, die Nelly Solutions GmbH ist ein erfolgreiches FinTech-Unternehmen, das sich auf die Digitalisierung von Arztpraxen konzentriert und rasant wächst. Wie kam es dazu?
Lukas Eicher: Als Mitbegründer von Nelly blicke ich auf eine über zehnjährige Berufserfahrung in FinTech-Unternehmen zurück. Mit Anfang 20 habe ich ein Unternehmen gegründet, das von Klarna aufgekauft wurde und das erste deutsche Bank Ident wurde. Nach einigen Jahren in der Beratung in Deutschland und der Schweiz habe ich vor vier Jahren, während der Pandemie, gemeinsam mit vier Freunden Nelly gegründet. Wir wollten manuelle Prozesse, vor allem administrative und finanztechnische, automatisieren und optimieren, um den Arbeitsalltag von Fachkräften in der Gesundheitsindustrie zu verbessern. So sollen sie sich wieder auf medizinische Themen und die Patientenversorgung konzentrieren. Am Anfang stand die Idee, das Abrechnungswesen und Factoring von Arztpraxen auszulagern, im Vordergrund. Dafür sind wir viel in Deutschland rumgefahren und haben mit potenziellen Kunden gesprochen. Dabei fiel uns auf, dass Praxen auch heute noch sehr viel mit Papier arbeiten. Besucht man eine Praxis, bekommen Patienten bei der Anmeldung in der Regel ein Klemmbrett für alle notwendigen Informationen. Unser Ziel war, dieses analoge Klemmbrett smart zu machen. Die Zeit war reif dafür. Durch Corona hatten sich auch ältere Menschen an den Umgang mit QR-Codes und Onlineformularen gewöhnt. Patienten konnten durch unsere Lösung ihre Angaben über das eigene Smartphone machen, per QR-Code in der Praxis oder zu Hause.
Wirtschaftsforum: Nelly hat damit den Bereich der Patientenaufnahme revolutioniert. Wie ging es weiter?
Lukas Eicher: Ein entscheidender Schritt für die Weiterentwicklung von Nelly war der Fokus auf Finanzprodukte mit dem Ziel, das Financial Operating System für den Healthcare Market zu werden. Unser Anspruch ist, die digitale Patientenreise von Anfang bis Ende darzustellen und dabei Finanzprodukte zu integrieren, um Patienten Vorteile zu verschaffen.
Wenn ich mit einer Behandlung beginne und digital einen Kostenplan unterschreibe, habe ich nicht nur medizinische Fragen zur Behandlung, sondern auch die Frage, wie ich mir die Behandlung leisten kann. Hier bieten wir zum Beispiel kostenfreie Ratenzahlungen an; künftig soll die Möglichkeit, Zusatzversicherungen abzuschließen, dazukommen. So soll die bestmögliche Finanzierung sichergestellt werden. Dieser Aspekt der Finanzierung fehlt in der Gesundheitsindustrie. Wichtig ist uns bei den Lösungen die connectivity. Viele Praxen arbeiten mit veralteter Software; mit sehr gut funktionierenden Schnittstellen wollen wir hier einen Mehrwert schaffen.
Wirtschaftsforum: Damit hat sich Nelly vom HealthTech- zum FinTech-Unternehmen gewandelt. Wie weit ist Nelly heute auf der Reise der digitalen Patientenreise?
Lukas Eicher: Wir haben das analoge Klemmbrett ersetzt und die Patientenaufnahme digitalisiert. Es gibt ein Tool zum digitalen Signieren von Behandlungsdokumenten, Dokumente können einfach und sicher online hochgeladen werden, es gibt Aufklärungsbögen, nach einer Behandlung können Google-Bewertungen abgegeben werden. Zudem arbeiten wir an Kooperationen für Terminbuchungen und dem Angebot von Zahnzusatzversicherungen.
Wirtschaftsforum: Welche Rolle spielt dabei KI?
Lukas Eicher: Wir nutzen künstliche Intelligenz, wo es sinnvoll ist, und arbeiten momentan an zwei großen Themen: einem ganzheitlichen Agenten für Abrechnungen, einer Art Transkribierungstool, und der automatischen Erstellung von Abrechnungscodes, die wir als Rechnung ankaufen und uns darum kümmern, zum Beispiel, wenn Versicherungen nicht bereit sind zu zahlen. Es gibt verschiedene Funktionalitäten von automatischen Erinnerungen. Das kann ein Chatbot sein oder eine Maske, durch die man geleitet wird.
Wirtschaftsforum: Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist ein hochaktuelles Thema, ein spezieller Markt mit großen Wettbewerbern. Wie konnte sich Nelly so erfolgreich durchsetzen?
Lukas Eicher: Unsere Stärke ist, dass wir sehr nah an unseren Kunden sind und Produkte anbieten, die Probleme lösen. Zudem haben wir sehr intuitiv auf die Strategie der ‘Software as a service’ gesetzt und Finanzprodukte mit Mehrwert integriert.
Wirtschaftsforum: Nelly hat heute 125 Mitarbeiter und wächst weiter. Wo soll die Reise hingehen?
Lukas Eicher: Ein wichtiges Ziel ist die Internationalisierung. Neben den Kernmärkten Deutschland, Schweiz und Österreich sind wir in Italien aktiv und starten gerade mit Spanien. Diese Entwicklung wollen wir fortsetzen, um langfristig ein European Champion, ein Mehr-Milliarden-Unternehmen zu werden und einen nachhaltigen, positiven Effekt auf die Gesundheitsindustrie zu haben. Mit unseren Lösungen wollen wir dem Fachkräftemangel entgegenwirken und die Bürokratie vereinfachen – zum Wohl der Patienten.