„Wir verwalten uns zu Tode!“

Interview mit Carsten Merker, Inhaber der Merker AG

Wirtschaftsforum: Herr Merker, Ihr Ingenieurbüro bietet inzwischen seit über 30 Jahren Planungsdienstleistungen für haustechnische Lösungen an – gibt es dabei ein Projekt, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Carsten Merker: Als mein Vater dieses Unternehmen 1979 gegründet hat, stellte es zunächst eine reine Nebenerwerbsquelle dar, bis es 1990 schließlich zu seiner Haupttätigkeit wurde. So konnten wir auch massiv vom Bauboom der Nachwendezeit profitieren und sind entsprechend schnell gewachsen. Ein besonders wichtiges Projekt in unserer Unternehmensgeschichte stellte sicherlich unsere Mitwirkung an der Sail City in Bremerhaven dar, weil wir nicht zuletzt durch die umfangreiche Berichterstattung über dieses ästhetisch wie technologisch ambitionierte Bauwerk auch in die Breite des Marktes kommunizieren konnten, dass wir damit in unserem Gewerk in die nächste Liga aufgestiegen sind.

Wirtschaftsforum: Wie wichtig war dabei ein stetiges Wachstum in Ihrer Unternehmensgeschichte?

Carsten Merker: Ich habe die Wachstumstendenzen, die sich für uns ergeben haben, bisweilen ganz bewusst gebremst, weil es mir wichtig war, dass unser Unternehmen für mich immer gut steuerbar blieb – vor diesem Hintergrund habe ich eine gesunde Größe stets bei etwa 16 Mitarbeitern taxiert. Als ich mir vor einigen Jahren – ich war damals erst knapp über 40 – ausführlich Gedanken über die spätere Unternehmensnachfolge gemacht habe, wurde mir jedoch bewusst, dass wir weiter wachsen mussten, um auch langfristig als eigenständiges Unternehmen unabhängig von meiner Person im Markt bestehen zu können. Um die Grundlagen für dieses weitere Wachstum zu schaffen, sind wir dann 2020 auch in ein größeres Bürogebäude umgezogen.

Wirtschaftsforum: Dann folgte die Pandemie – und im Zuge von Lieferengpässen, Inflation und Zinserhöhungen inzwischen auch eine merkliche Abkühlung in der Bauwirtschaft. Wie bewerten Sie die aktuelle Marktlage?

Carsten Merker: Der Wohnungsbau ist kollabiert – sowohl in der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung als auch im Hinblick auf unsere eigene Unternehmenstätigkeit. Im Jahr 2019 hatten wir noch ein Planungsvolumen von circa 1.500 Wohneinheiten – aktuell liegt der Stand bei gerade einmal 50. Im Gewerbebau können wir bis Mitte nächsten Jahres noch auf volle Auftragsbücher bauen, doch auch hier gehen die weiteren Anfragen merklich zurück.

Wirtschaftsforum: Welchen Weg sehen Sie aus der Krise?

Carsten Merker: Die Ursachen der Krise sind multifaktoriell; deshalb gibt es auch keine magische Stellschraube, an der man drehen könnte, um alles wieder ins Lot zu bringen. Niedrige Zinsen, anhaltend hohe Grundstückspreise und eine optimistische Marktstimmung hatten die Baubranche jahrelang immer weiter an die Grenze getrieben – doch jetzt ist die Situation gekippt. Wenn ich diese Gemengelage auf die für uns im gelebten Alltag größte Problemstellung reduzieren müsste, die gleichsam am schwersten zu beheben ist, wäre das aus meiner Sicht aber eindeutig die überbordende Bürokratie in Deutschland.

Wirtschaftsforum: In welcher Hinsicht?

Carsten Merker: An den unterschiedlichsten Stellen – angefangen bei der Vielzahl an regulatorischen Bestimmungen, die oftmals enorm streng und kleinteilig sind. Wenn wir die Vorschriften aus dem Bausegment in ihrer Rigorosität auf den Automotive-Bereich übertragen würden, dann dürfte überall maximal Schrittgeschwindigkeit gefahren werden. Für unsere Branche gelten circa 20.000 Bauvorschriften und über 3.000 DIN-Normen – und während Letztere früher weltweit Standards gesetzt haben, werden sie heute von meinen internationalen Kollegen nicht selten belächelt, weil sie uns nicht nur in unseren technischen Möglichkeiten beschneiden, sondern das Bauen zudem um ein Vielfaches verteuern, obwohl im ganzen Land Wohnungsnot herrscht. Nicht selten gelten für eng verwandte Bereiche zudem verschiedene Vorschriften, die einander inhaltlich widersprechen, bei denen die Planer und Architekten dann noch die jeweiligen Anwendungsfelder sondieren müssen.

Wirtschaftsforum: Hinzu kommen die behäbigen bürokratischen Prozesse.

Carsten Merker: In den Baugenehmigungsverfahren geht es den Behörden meinem Empfinden nach nur noch darum, möglichst klagesicher aufzutreten, damit niemand gegen einen Bescheid Widerspruch erheben kann. Dementsprechend dauern Änderungen an Flächennutzungsplänen oft viele Jahre und verhindern damit konsequent attraktive Planungshorizonte für Investoren und Bauträger.

Wirtschaftsforum: Kann dieser Knoten überhaupt noch aufgelöst werden?

Carsten Merker: Die Zeit, in der wir leben, birgt enorme Chancen, und ich spüre bei meinen eigenen Mitarbeitern, wie hoch die Motivation ist, unseren allgemeinen Wohlstand zu sichern und weiter zu erhöhen. Dieses Potenzial müssen wir jedoch auch freisetzen dürfen.

Interview:

Manfred Brinkmann
und Dr. Endre Hagenthurn

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