„Habe nie nein gesagt“
Interview mit Walter Bostelmann, Vorstandsvorsitzender der Kellner & Kunz AG
Wirtschaftsforum: Herr Bostelmann, Kellner & Kunz ist im vergangenen Jahr 100 Jahre alt geworden. Welche Schritte oder Entwicklungen würden Sie besonders hervorheben?
Walter Bostelmann: Prägend für den Erfolg des Unternehmens waren vor allem die letzten 40 Jahre. Wir haben neben tollen Produkten und Dienstleistungen eine Unternehmenskultur entwickelt, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht. Diese haben wir vollständig verinnerlicht und leben diese Werte bei allem, was wir tun, auch jetzt bei der Digitalisierung. Den Vertrieb haben wir in den 1990er-Jahren aufgeteilt in die Business Units Handwerk und Industrie. Mehr als 70% unseres Umsatzes sind inzwischen mit Dienstleistungen veredelt. Beispielsweise bringen wir die Ware dorthin, wo sie benötigt wird. Wir haben eine sehr hohe Produkt- und Servicequalität sowie ein hohes Maß an Kundenorientierung erreicht. Entscheidend war auch die Umstellung auf SAP. Innerhalb der RECA-Gruppe sind wir in Österreich der Zentrallogistikstandort für die meisten unserer Schwester- und Tochterunternehmen. Darauf sind wir sehr stolz.
Wirtschaftsforum: Wie hat sich das Unternehmen wirtschaftlich entwickelt, und wie wird es Ihrer Meinung nach weitergehen?
Walter Bostelmann: Kellner & Kunz ist immer stetig gewachsen. Nur dadurch können sich das Unternehmen und die Mitarbeiter entwickeln. Wir werden auch weiterhin wachsen und immer wieder neue Branchen erschließen. Mit den Dienstleistungen, die wir neben C-Teilen, Befestigungstechnik und Werkzeugen anbieten, können wir in jeder Branche Fuß fassen, in Österreich, aber auch international. Die Photovoltaik etwa ist eine neue Technologie, die unsere Produkte und Dienstleistungen benötigt, ebenso wie nachhaltige Infrastrukturprojekte. Natürlich die gesamte Handwerks-Landschaft, die Baubranche sowie Industrien in allen Bereichen, beispielsweise Luftfahrt, Agriculture, Baumaschinen, der klassische Maschinenbau oder die Lebensmittelindustrie. Eine wichtige Rolle werden dabei zwei Neuentwicklungen im Bereich der digitalisierten Dienstleistungen spielen. Bei ihnen handelt es sich um selbstbestellende Behälter und Regale.
Wirtschaftsforum: Können Sie uns über diese und die Entwicklung anderer Produkte mehr erzählen?
Walter Bostelmann: Unser Sortiment und die Produkte entwickeln wir ständig weiter. Durch neue Lieferwege, Nachhaltigkeit und E-Mobilität verändern sich die Anforderungen. Wir unterstützen mit unseren Dienstleistungen eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft und beobachten, wohin sich die Kunden entwickeln. Hier gehen wir mit entsprechendem Produktprogramm und Systemen mit. Bei unseren Neuentwicklungen im Systembereich handelt es sich um RECA iSCALE, ein Einbehälter-Bewirtschaftungssystem mit integriertem digitalen Wiegesystem im Behälterboden, und das vernetzte Automatensystem RECA iSTORAGE mit digital gesteuertem Materialfluss, das Zugriff rund um die Uhr ermöglicht. Insgesamt bieten wir 120.000 Produkte. Für die Zukunft wird das neue Mindset unserer Verkäufer, der Wandel zum Multi-Channel-Manager, eine wichtige Rolle spielen.
Wirtschaftsforum: Sie selbst haben einen nicht unerheblichen Anteil an der Entwicklung von Kellner & Kunz. Wie kam es dazu?
Walter Bostelmann: Meine Karriere verlief steil, spannend, herausfordernd, aber erfolgreich: 1986 bin ich als Lehrling eingestiegen. 24 Jahre später wurde ich Mitglied des Vorstands und 2021 Vorstandsvorsitzender. Ich habe viele Stationen durchlaufen und nie ‘nein’ gesagt, sondern immer: ‘ja, das interessiert mich’. Ich wollte Neues ausprobieren und Chancen nutzen und habe immer gern selbstständig Entscheidungen getroffen und Verantwortung übernommen. Meine Aufgabe in der Unternehmensgruppe ist neben der strategischen Weiterentwicklung auch die Begleitung der laufenden Multiplikation und Optimierung der bestehenden Geschäftsbereiche. Unser Geschäft ist aber ein Handels- und Dienstleistungsgeschäft. Die RECA-Gruppe ist in 19 Ländern mit 27 Gesellschaften vertreten. Ich bin daher viel bei den verschiedenen Gesellschaften, aber auch bei Kunden und Lieferanten vor Ort. Die Geschäfte werden von Menschen gemacht, deshalb ist es wichtig zu wissen, was bei den Kunden passiert und wie sie sich entwickeln. Sie sollen spüren, dass wir mit ihnen mitgehen.
Wirtschaftsforum: Welche Impulse konnten und können Sie dem Unternehmen geben?
Walter Bostelmann: In den letzten drei Jahren mit Corona, Supply Chain-Engpässe und massiven Preissteigerungen waren wir alle Getriebene, den normalen Wirtschaftslauf gab es nicht mehr und jeder Mitarbeiter musste just in time auf die jeweiligen Sonderereignisse reagieren. Aktuell heißt es wieder ‘Back to the roots’ und wichtig ist jetzt, dafür zu sorgen, dass dieser Umschaltprozess schnell umgesetzt und gelebt wird. Ich versuche auch vorzuleben, im Jetzt zu leben und sich auf die wichtigen Dinge zu fokussieren. Wir müssen uns für den Kunden bemühen und uns für ihn interessant machen, denn die Zeiten sind heute andere: Der Kunde entscheidet danach, wo er sich am besten aufgehoben fühlt. Wir wollen uns auf unsere Stärken besinnen und wieder zu mehr Normalität kommen. Eine wichtige Voraussetzung ist, die richtigen Mitarbeiter zu finden. Die Arbeitswelt hat sich sehr verändert.
Wirtschaftsforum: Was tun Sie, um in diesen schwierigen Zeiten Fachkräfte zu gewinnen?
Walter Bostelmann: Wir setzen auf die Lehrlingsausbildung und haben eine eigene Nachwuchsakademie. Unsere Führungskräfte, auch ich, leiten dort die Kurse und Seminare. Wir sind stolz darauf, dass 80 bis 90% unserer Auszubildenden im Unternehmen bleiben. Dafür reicht es nicht, sich sexy darzustellen, man muss es auch vorleben. Das bedarf einer guten Führungsarbeit des gesamten Management-Teams und aller Teamleitungen. Die Führungskraft muss auch Coach und Trainer sein, um die Mitarbeiter im Unternehmen zu halten. Aber natürlich können wir als Unternehmen den Mitarbeitern nicht nur den roten Teppich ausrollen; wenn man erfolgreich sein will, gehört die Leistung einfach dazu.
Wirtschaftsforum: Was macht Kellner & Kunz außerdem noch erfolgreich?
Walter Bostelmann: Wir kämpfen gemeinsam für unser Ziel, arbeiten hart daran und freuen uns gemeinsam über Erfolge. Der Erfolg macht nicht das Unternehmen, sondern die Mitarbeiter. Das spiegelt sich in unserem Leitbild wider. Dass wir den Menschen in den Mittelpunkt stellen, ist keine Floskel. Wir leben eine sehr offene Kultur. Jeder geht auf jeden zu. Aber es ist auch viel zu tun. Wir haben einen gesunden Drive. Wenn Bewegung drin ist, macht es auch Spaß. Trotz aller Veränderungen bleiben wir zudem authentisch und stehen zu dem, was wir tun. Bei allem Stolz auf das Erreichte bleiben wir auf dem Boden. Auch das ist ein Zeichen für Nachhaltigkeit.
Wirtschaftsforum: Welche Rolle spielt dieses Thema bei Ihnen?
Walter Bostelmann: Nachhaltigkeit wird bei uns intensiv gelebt. Schon vor 15 Jahren haben wir unser Verpackungsmaterial umgestellt. Wir haben eine PV-Anlage, nutzen Fernwärme, welche ausschließlich über Altstoffverwertung erzeugt wird. Die Büros werden mit Grundwasser- Wärmepumpe gekühlt. Und wir nutzen Biogranulate für unsere Kunststoffbehälter. Auch Vielfalt wird bei uns gelebt. Der Frauenanteil war bei uns immer hoch und liegt derzeit bei über 20%, im Topmanagement bei 15%; damit liegen wir über dem Durchschnitt. In unserem Dienstleistungszentrum arbeiten mehr als 100 Menschen mit Beeinträchtigungen.
Wirtschaftsforum: Welches Thema treibt Sie persönlich um, und was ist Ihr Antrieb?
Walter Bostelmann: Ich interessiere mich für Menschen und bewege gern Dinge. Die letzten Jahre waren hart, und nicht jeder Tag ist toll. Aber bei mir überwiegt immer die positive Motivation.