Mittelstand im Wirtschaftsraum - Münster schöpft Digitalisierungspotenzial nicht aus

Interview mit Jörg Kube, Leiter des Firmenkundengeschäfts der HypoVereinsbank in Westfalen

Wirtschaftsforum: Wo steht der Mittelstand im Wirtschaftsraum Münster beim Thema Digitalisierung?

Jörg Kube: Hier in der Region geht die Schere weit auseinander. Auf der einen Seite haben wir mit Unternehmen aus dem IKT-Bereich zu tun, die einen starken Fokus auf dem Thema Digitalisierung haben. Auf der anderen Seite gibt es im Raum Münster vor allem im produzierenden und verarbeitenden Gewerbe, dem Gesundheitswesen oder der Logistik viele Unternehmen, die Chancen durch die Digitalisierung noch wenig nutzen. Laut einer aktuellen KfW-Studie hat 2016 nur jedes fünfte mittelständische Unternehmen in Deutschland in die Digitalisierung investiert. Durchschnittlich betrugen die Investitionen 18.000 Euro. Nach unserer Erfahrung sieht es im Raum Münster ähnlich aus. Das heißt bei 90.000 Mittelständlern in der Region lagen die Digitalisierungsinvestitionen bei knapp 338 Millionen Euro. Das entspricht nur rund einem Zwölftel der 4,1 Milliarden Euro Neuinvestitionen in Bauten und Anlagen und ist aus unserer Sicht zu wenig.

Wirtschaftsforum: Warum ist das zu wenig?

Jörg Kube: Der Mittelstand im Wirtschaftsraum Münster schöpft das Digitalisierungspotenzial damit nicht aus. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im digitalen Zeitalter zu stärken, sollten die westfälischen Mittelständler intensiver und breiter investieren. Viele Vorhaben konzentrieren sich derzeit vor allem auf die Erneuerung von IT-Strukturen. Digitalisierung bedeutet aber, auch Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln, Prozesse und die Produktion zu digitalisieren und mit innovativen Produkten und Services neue Geschäftsfelder zu erschließen.

Wirtschaftsforum: Woran liegt die Zurückhaltung?

Jörg Kube: Das hängt sicher auch damit zusammen, dass der hiesige Mittelstand sehr besonnen agiert und auf Kontinuität setzt – und das sehr erfolgreich. Gerade beim Thema Digitalisierung kommt es aber auch auf die Geschwindigkeit an. Zudem laufen die Geschäfte aktuell ausgezeichnet. Deshalb liegt das Hauptaugenmerkt oft auf dem Tagesgeschäft. Strategische Fragestellungen können dann in den Hintergrund rücken. Deshalb sprechen wir das Thema Digitalisierung gezielt in unseren Kundengesprächen an.

Wirtschaftsforum: Stichwort Finanzierung: Woher kommt das Geld für Digitalisierungsprojekte?

Jörg Kube: Nach unseren Beobachtungen greifen mittelständische Unternehmen beim Thema Finanzierung von Digitalisierungsvorhaben bislang vor allem auf Rücklagen und laufende Einnahmen zurück. Dies stimmt mit Studienergebnissen des Instituts für Mittelstandsforschung überein, wonach Investitionen für Digitalisierungsvorhaben zu 77% aus laufenden Einnahmen stammen und die Nutzung von Bankkrediten mit 4% noch eine geringe Rolle spielt.

Wirtschaftsforum: Sehen Sie darin ein Problem?

Jörg Kube: Durchaus. Um im digitalen Wettbewerb zu bestehen und den steigenden Investitionsbedarf zu decken, sind neben liquiden Mitteln zunehmend Fremdfinanzierungen wie klassische Bank- sowie Förderkredite erforderlich. Hierfür gibt es auch spezielle Programme von der KfW oder der NRW-Bank – etwa für Investitionen in vernetzte Produktionssysteme, Cybersicherheit oder digitale Vertriebskonzepte. Bei größeren Mittelständlern kommen zudem verstärkt Kapitalmarktfinanzierungen infrage. Bei den aktuell attraktiven Finanzierungskonditionen empfehlen wir Unternehmern, jetzt darüber nachzudenken, welche Investitionen heute erforderlich sind, um auch morgen erfolgreich zu bleiben.

Wirtschaftsforum: Wie sieht es mit dem Thema Sicherheiten aus? Kann das bei Digitalisierungsinvestitionen eine Hürde sein?

Jörg Kube: Nein. Unsere Kreditentscheidungen beruhen primär auf den Cashflows und damit auf der Fähigkeit der Unternehmen, den Kapitaldienst der Verbindlichkeiten zu erfüllen. Ein Kredit wird von den künftigen Erträgen eines Unternehmens und nicht von Sicherheiten zurückgezahlt. Entscheidend für uns ist die Aussicht auf den künftigen Erfolg eines Unternehmens, und Investitionen in die Digitalisierung stärken die Zukunftsfähigkeit. Deshalb ermitteln wir gemeinsam mit unseren Kunden den tatsächlichen Investitionsbedarf und erarbeiten passende Finanzierungslösungen.

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