In Spedition und Logistik die Extrameile gehen

Interview mit Günther Stoll, Logistikleiter der Hartmann Spedition & Logistik AG

Wirtschaftsforum: Herr Stoll, die Hartmann Spedition & Logistik AG ist ein klassisches Familienunternehmen, das kürzlich sein 75-jähriges Jubiläum feiern konnte. Woran machen Sie den Unternehmenserfolg über einen so langen Zeitraum fest?

Günther Stoll: Die Gründe dafür liegen sicherlich vor allem in unserer breiten Aufstellung und unserer Dienstleistungsmentalität. Am Anfang waren wir ein klassisches Transportunternehmen, bis wir mit der Firma Schenk, einem Weinimporteur, unseren ersten großen Kunden gewannen, was den Bau einer Lagerhalle notwendig machte. Das war der Startschuss auf unserem Weg zum Logistikdienstleister. Das reine Transportgeschäft ist ein hart umkämpfter Markt, aber in der Kombination mit Lagerhaltung und Added-Value-Services ergibt sich ein breites Leistungsportfolio, das uns für unsere Kunden Vorteile eröffnet.

Wirtschaftsforum: In welchen Bereichen liegen heute Ihre Schwerpunkte?

Günther Stoll: Unser Geschäft ruht heute auf den drei Säulen Automotive, Lebensmittel und seit einigen Jahren auch Pharma. Im Automotive-Bereich sind wir stark lagerlastig: Wir bewirtschaften ein 200.000 m² großes Ersatzteillager, aus dem heraus wir eine weltweite Ersatzteilversorgung leisten. Das ist eine Herausforderung und wir sind stolz darauf, das wir in diesem Bereich eine Lieferquote von nahezu 100% erreichen. Auch betreiben wir ein großes Lager für Stahl-Coils, auf große Rollen gezogene Blechbänder, wie sie in der Automotive-Industrie beispielsweise für das Stanzen von Karosserien gebraucht werden.

Im Lebensmittelbereich sind wir Gebiets-Spediteur für einen namhaften Discounter. Monatlich bringen wir rund 10.000 Paletten mit Waren des täglichen Bedarfs in die Lager. Für einen weiteren Hersteller liefern wir ebenso Tiefkühlprodukte in diverse Standorte und bedienen somit auch diesen Bereich der Lebensmitteldistribution. Die Pharmalogistik ist unser jüngstes Standbein. Wir sind Mitgesellschafter eines europaweiten Pharmanetzwerks und bedienen Paletten und Pakete für Apotheken, Kliniken und den Pharmagroßhandel. Hier haben wir ein Alleinstellungsmerkmal: Mit einem Fahrzeug können wir sowohl Waren im Temperaturbereich von 2 bis 8 °C als auch von 15 bis 25 °C liefern – mit 24-Stunden-Service. An unserem Standort in Ötigheim haben wir ein Pharmalager nach höchsten Standards gebaut. Die Pharmaindustrie hat sehr strenge Regulatorien in puncto Sicherheit und Qualität. Luftfeuchtigkeit und Temperatur werden deshalb ständig kontrolliert.

Wirtschaftsforum: 2020 begann mit der Coronakrise eine sehr schwierige Zeit, die für den Transport- und Logistiksektor eine ungeheure Herausforderung darstellte. Kaum war das vorbei, kam der Ukrainekrieg. Was hat das alles für Ihr Geschäft bedeutet?

Günther Stoll: Corona war eine schreckliche Zeit – in allen Lebensbereichen. Doch es ist nie immer nur alles schlecht: Während man in anderen Bereichen zu kämpfen hatte, boomte die Lebensmittelbranche. Die Gastronomie lag am Boden, dafür machten die Leute es sich zu Hause gemütlich und konsumierten Genussmittel wie Wein und Spirituosen dort – Dinge, die wir an die Discounter lieferten. Corona hat deshalb für uns keinen großen Umsatzeinbruch bedeutet. Auch der Ukrainekrieg hat kaum Auswirkungen auf unser Geschäft gehabt, weil wir sehr stark auf den deutschen Markt fokussiert und nur sehr begrenzt im Exportgeschäft Richtung Osteuropa aktiv sind.

Wirtschaftsforum: Das Speditionsgeschäft und der Nachhaltigkeitsgedanke scheinen auf den ersten Blick Gegensätze zu sein. Wie lässt sich bei Ihnen im Unternehmen beides miteinander vereinbaren?

Günther Stoll: Tatsächlich kommen die Waren bei uns meist per Bahn an; nur die letzte Meile überbrücken wir per Lkw. Zudem haben wir bei uns auf den Dächern eine der größten Solaranlagen in Süddeutschland installiert. Sie reicht aus, um den halben Ort Muggensturm mit Energie zu versorgen. Perspektivisch werden wir darüber hinaus auch einen Solarpark errichten, um in der Lage zu sein, Elektrofahrzeuge auch selbst aufzuladen. Wir sind bereit, in Richtung E-Lkw zu denken, aber das muss für uns auch einerseits rentabel und andererseits praktikabel sein. Eine mögliche Alternative wäre HVO 100: ‘Heat Treated Vegetable Oil’ aus recyceltem Pflanzenöl, das dem Katalysatoreffekt von fossilem Brennstoff sehr nahekommt. Damit lassen sich nachweislich bis zu 90% CO2 einsparen. Dieses Thema wird ganz sicher kommen!

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