„Die Zukunft der Baubranche ist digital“

Interview mit Jürgen Kugelberg, Vorsitzender der Geschäftsführung der GWI Bauunternehmung GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Kugelberg, welche Schritte sind in der Geschichte der GWI aus heutiger Sicht wichtig?

Jürgen Kugelberg: 1990 wurde unser Mutterkonzern, die heutige ERBUD SA mit Sitz in Warschau, von Eric Grzeszczak und Dariusz Grzeszczak, dem heutigen Vorstandsvorsitzenden, gegründet. Drei Jahre später folgte dann die Gründung der Tochterfirma, die GWI Bauunternehmung GmbH. Die Kernkompetenz von GWI war und ist bis heute der erweiterte Rohbau. Der Jahresumsatz stieg von 500.000,- DEM (1993) bis auf 30.000.000,- EUR (2019). Versuche, auch in anderen Geschäftsbereichen Fuß zu fassen, waren nicht so erfolgreich wie erhofft, sodass im Jahr 2020 ein Umbruch mit einer Neuorientierung stattfand. In diesem Zusammenhang habe ich im Oktober 2020 den Vorsitz der Geschäftsführung übernommen.

Wirtschaftsforum: Wie sieht Ihre Strategie aus – wollen Sie weiter wachsen?

Jürgen Kugelberg: Wir beschreiten derzeit zwei Wege: Zum einen wollen wir das Unternehmen stabilisieren und zum anderen streben wir ein behutsames Wachstum an. Unser Fokus liegt dabei einerseits auf dem erweiterten Rohbau im allgemeinen Hochbau, andererseits aber auch auf der schlüsselfertigen Errichtung von Pflegeimmobilien inklusive der Einrichtung, bei denen wir uns in den letzten Jahren eine Expertise erarbeitet haben. In diesem Bereich sind wir auch als Projektentwickler tätig.

Wirtschaftsforum: Warum und mit welchem Hintergrund sind Sie zur GWI gekommen?

Jürgen Kugelberg: Die letzten sechs Jahre war ich als selbstständiger Unternehmer und Krisenmanager in der Bau,- und Immobilienbranche und davor rund 30 Jahre in verschiedenen Führungspositionen bei Hochtief und Bilfinger tätig. In einem ersten Gespräch mit Herrn Grzeszczak war ich derart begeistert, von ihm selbst, aber auch von seinen Visionen, dass ich kurzerhand meine Selbstständigkeit aufgab und die GWI übernahm. Die Aufgabe ist eine echte Herausforderung, einerseits die bereits angesprochene Stabilisierung voranzutreiben, aber auch eine kulturelle Veränderung herbeizuführen. Hierbei hilft mir meine seit Jahrzehnten gelebte Philosophie, die Menschen fair zu behandeln, mit ihnen immer auf Augenhöhe zu reden und ihnen die Gewissheit zu geben, ein wertvoller Bestandteil des Unternehmens zu sein. Ich liebe die Arbeit mit den Menschen und ich sehe es auch als Verpflichtung an, jungen Leuten eine Chance zu geben. Deshalb bilden wir auch aus. Zurzeit haben wir acht junge Menschen in der Ausbildung, für ein Unternehmen unserer Größe ist dies eine stolze Zahl.

Wirtschaftsforum: Wohin entwickelt sich nach Ihrer Beobachtung die Branche?

Jürgen Kugelberg: Nun, aktuell ist die Nachfrage nach Neubauten trotz Corona sehr groß. Aber nach einem Hoch kommt auch wieder ein Tief. Nicht nur deshalb muss man offen sein für zukünftige Bauweisen, neue Materialien und Digitalisierung. Der Klimaschutz ist die größte Herausforderung der Menschheit und jeder kann dazu beitragen unser Leben auf der Erde zu verlängern. Die Bauindustrie ist im Besonderen gefragt und gefordert. Die GWI als Mitglied der ERBUD-Gruppe wird ihren Beitrag dazu leisten und sich mehr und mehr den nachwachsenden Rohstoffen/Baustoffen widmen. Die digitale Transformation wird eine große Rolle spielen: Bei aller Zuversicht muss ich aber feststellen, dass nicht nur bei uns noch sehr viel Luft nach oben vorhanden ist. Ich habe Firmen erlebt, die sich digital noch in der ʻSteinzeitʼ befinden, während andere schon voll in der digitalen Welt angekommen sind. Meistens sind es die Schnittstellen zwischen der Vielfalt der Software, die Probleme bereiten.

Es gibt also noch viel zu tun. Insgesamt ein spannendes Feld, das ich als jemand, der noch ohne Computer aufgewachsen ist, mit großem Interesse und viel Freude verfolge. BIM – Building Information Modeling – ist ein Thema, das die Zukunft beherrschen wird und das auch wir sehr intensiv verfolgen.

Wirtschaftsforum: Wie wird die Zukunft der GWI aussehen?

Jürgen Kugelberg: Der erweiterte Rohbau bleibt nach wie vor unsere Kernkompetenz, aber die gewonnenen Erfahrungen insbesondere bei den Pflegeheimen sind die Basis für weitere schlüsselfertige Projekte in diesem Bereich. Hier werden wir uns, auch in Verbindung mit erfahrenen Partnern, bei Projektentwicklungen engagieren. Auf Wunsch liefern wir auch die gesamte Inneneinrichtung. Wie zuvor bereits angedeutet, hat der Klimaschutz eine sehr hohe Priorität. Gemeinsam mit unserem Mutterkonzern, der ERBUD SA, haben wir eine Strategie für die Zukunft entwickelt. Die modulare Bauweise ist zwar nicht neu, allerdings dachte man da zuallererst an nicht gerade ansprechende Containeranlagen. Wir wollen uns die modulare Technik zu eigen machen, werden aber fast ausschließlich nachwachsende Rohstoffe, in der Hauptsache Holz, verwenden. Aktuell planen und bauen wir in Polen die wahrscheinlich modernste Produktionsanlage für Holzmodule, die etwa Mitte 2022 an den Start gehen wird. Die GWI wird dann den Vertrieb und die Montage der schlüsselfertigen Gebäude übernehmen. Unser Team wird sich der Aufgabe angemessen nahezu verdoppeln. Vor diesem Hintergrund planen wir für die zweite Jahreshälfte 2022 den Neubau einer Zentrale für Deutschland, selbstverständlich mit Holzmodulen. Unsere Holzmodule sollen vorerst bei Schulen, Kitas, Schwester,- und Studentenwohnheimen, Mikroappartments und Hotels, aber auch bei Büros und Pflegeheimen zum Einsatz kommen. Mit anderen Worten, wir sind voll auf Wachstum ausgerichtet.

Wirtschaftsforum: Was motiviert Sie bei Ihrer Tätigkeit?

Jürgen Kugelberg: Werte schaffen zu können ist pure Motivation. Einerseits bauen wir Immobilien, die für eine Lebensdauer von 50 bis 100 Jahren konzipiert werden, andererseits bieten wir jungen Menschen die Ausbildung für ein vielleicht 50-jähriges Berufsleben an, das sind Werte. Ich selbst fahre manchmal an Objekten vorbei, bei denen ich vor 40 Jahren als junger Ingenieur mitgeplant und/oder mitgebaut habe, vielleicht wurden sie mittlerweile umgebaut oder modernisiert, aber sie stehen noch und sie werden genutzt. Für mich gibt es nichts Schöneres. Ich bin ein Vollblutunternehmer, ich möchte etwas bewegen.

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