Nachhaltigkeitschancen in den Supermärkten nutzen
Interview mit John Wilkinson, CEO der Greenman Group

Wirtschaftsforum: Herr Wilkinson, Ihr Fonds hat sich mit seinem Fokus auf Supermärkte in Deutschland sehr spitz positioniert. War diese starke Konzentration auf den Lebensmitteleinzelhandel in Zeiten von Corona nicht ein Damoklesschwert, als viele Geschäfte stark unter Druck gerieten?
John Wilkinson: Insgesamt waren wir trotz all der Marktverwerfungen in den letzten zwei Jahren in einer sehr privilegierten Situation. Die Geschäfte unserer Mieter blieben nahezu ausnahmslos die ganze Zeit über geöffnet; in manchen werden zudem nicht nur Lebensmittel, sondern etwa auch Modeartikel verkauft. Insgesamt konnten wir über 90% der uns zustehenden Mietzahlungen auch tatsächlich erhalten. Bei Mietern, die aufgrund dieser besonderen wirtschaftlichen Situation langanhaltende essenzielle Probleme bekamen, fanden wir in gemeinsamen Gesprächen tragbare Lösungen für alle Beteiligten: Auf manche Mietzahlungen konnten wir gänzlich verzichten, andere haben wir bis zu acht Monate lang gestundet.
Wirtschaftsforum: Wo lagen dann die wirklichen Herausforderungen – und wie sieht die aktuelle Marktlage aus?
John Wilkinson: Die Kosten für den eigentlichen Geschäftsbetrieb gingen für die meisten unserer Mieter durch die Decke. Die zahlreichen Hygienemaßnahmen, der enorme zusätzliche Reinigungsaufwand und die gesamte Infrastruktur für die entsprechenden Coronatests haben nicht nur personelle Ressourcen gebunden, sondern waren für die Betreiber auch eine sehr kostspielige Angelegenheit. Trotzdem blieb ein Supermarkt auch während der Pandemie ein außerordentlich profitables Geschäft, wovon natürlich auch wir als spezialisierter Immobilienfonds profitieren. Derzeit empfinden wir die Marktstimmung als sehr optimistisch: Viele unserer Partner sind bereit, neue Mietverträge mit langen Laufzeiten von bis zu zehn Jahren einzugehen und verfolgen ambitionierte Pläne zur Erhöhung ihrer Marktanteile. Wir wollen in der nahen Zukunft gemeinsam mit ihnen wachsen, auch über Deutschland hinaus: Gerade Frankreich, Polen und Rumänien sind nicht nur für Aldi, Penny und Kaufland interessante Märkte, sondern natürlich auch für uns.
Wirtschaftsforum: Dabei haben während der Pandemie auch Lebensmittellieferungen an die eigene Haustür einen wahren Boom erlebt. Wie stellt sich die Branche darauf ein?
John Wilkinson: Die Lieferung auf der letzten Meile ist eine große logistische Herausforderung. Jenseits von einigen lokalen Angeboten sehe ich hier jedoch kein verstärktes Engagement von Supermärkten, weil die extremen Kosten das oft nicht rechtfertigen. Auch wenn die Apps von Gorillas und ähnlichen Anbietern mittlerweile millionenfach heruntergeladen wurden, bleibt das in der Gesamtschau doch ein relativ kleines Segment. Ich kann mir eher vorstellen, dass die zahlreichen Click-and-Buy-Modelle, mit denen in der Pandemie experimentiert wurde, durch ihren langfristigeren Beitrag zur Wertschöpfung verstärkt genutzt werden. Das ist dann auch in ländlichen Regionen für die Konsumenten wie für die Supermärkte interessant – weshalb wir auch im ländlichen Raum weiterhin Liegenschaften erwerben.
Wirtschaftsforum: Wie wird die Zukunft des Lebensmitteleinzelhandels aussehen?
John Wilkinson: Ich bin überzeugt, dass die vertikale Landwirtschaft einen tiefgreifenden Einschnitt in die Erzeugung und den Vertrieb von Grundnahrungsmitteln bedeutet. Aus diesem Grund engagiert sich auch unser Fonds im Rahmen unserer 5by25-Strategie in Form des Projekts ‘Potager Farm’ bei diesem Thema. Wir wollen in der unmittelbaren Nähe unserer Supermärkte entsprechende Angebote betreiben und die dort gezüchteten Obst- und Gemüsesorten direkt an die Kunden vor Ort verkaufen. Dies führt dazu, dass wir in der Lieferkette Schritte eliminieren, die Umwelt und Mensch stark belasten. Auch ein Vertrieb an Hotels und Restaurants wäre möglich. Der große Vorteil dieser Art der Landwirtschaft liegt dabei in ihrer besonderen Nachhaltigkeit und der völligen ökologischen Unbedenklichkeit: Für die Erzeugung der Lebensmittel ist keinerlei Pestizideinsatz erforderlich, wir verbrauchen dort 95% weniger Wasser als in der konventionellen Landwirtschaft und die Energie, die wir vor Ort benötigen, können wir direkt aus den Solarzellen auf dem Dach des Supermarktes beziehen. Nachhaltiger geht es nicht!