Mobilität neu denken

Interview mit Dipl.-Ing. Horst Graef, Geschäftsführer der Energie Calw GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Graef, wie würden Sie die Kernkompetenzen und Ideen der Energie Calw GmbH beschreiben?

Horst Graef: Seit der Gründung 2007 legen wir Wert darauf, als mittelständisches Unternehmen der Energiewirtschaft wahrgenommen zu werden, um zu zeigen, dass wir für die Kunden da sind und mit ihnen auf Augenhöhe arbeiten. Wir wollen sie begeistern und mehr Lebensqualität in den Bereichen Energie, Wasser und Mobilität schaffen. Das Thema Elektromobilität rückt dabei immer stärker in unseren Fokus.

Wirtschaftsforum: Wie drückt sich dieser Anspruch in der Unternehmensentwicklung aus?

Horst Graef: Ich habe das Unternehmen 2007 auf der grünen Wiese gegründet; seitdem steht die konsequente Service- und Kundenorientierung im Mittelpunkt unserer Arbeit. Bereits bei der Gründung ging es um die Idee, nicht nur im Landkreis Calw die Geschäfte weiterzuentwickeln, sondern den gesamten deutschen Raum mit Strom- und Gasprodukten zu bedienen. Ich habe damals mit einer Sekretärin begonnen, heute haben wir 140 Mitarbeiter. Damals wie heute ist es eine junge Truppe mit Begeisterungsfähigkeit und visionären Ideen. Ich glaube, dass es extrem wichtig ist, lokal zu arbeiten, aber global zu denken. Wir sind damals im Pflichtbereich entstanden, das heißt im Bereich Strom, Gas und Wasser, für uns ist jedoch auch die Kür interessant. Wie kann man Kunden von heute und morgen so bedienen, dass sie bestimmte Dinge nicht mehr machen müssen, weil wir sie ihnen abnehmen. Uns beschäftigt die Frage, wie wir mehr Lebensqualität schaffen können.

Wirtschaftsforum: Sie haben heute 80.000 Kunden deutschlandweit und einen Umsatz von 100 Millionen EUR, Tendenz steigend. Welche Services stehen hinter diesem dynamischen Wachstum?

Horst Graef: Wir beschäftigen uns seit langem mit der Herausforderung, die Bedürfnisse der Bevölkerung mit nachhaltig produziertem Strom zu decken. Im Fokus steht dabei klar das Thema E-Mobilität; konkret das Thema E-Car-Sharing; es ist ein Thema, das begeistert und junge Menschen nach Calw holt. Vor allem ist es aber ein Thema, das zu uns passt – weil wir selbst Strom erzeugen, etwas von der Infrastruktur verstehen und die Nähe zum Kunden haben. Als wir 2012 mit dem Thema angefangen haben, stand dahinter die Idee, dass es im ländlichen Raum eine Ergänzung zum ÖPNV geben sollte. Wir haben dann ein halbstationäres System im Bereich E-Car-Sharing aufgebaut und sind in diesem Bereich quasi über Nacht zur Nummer 1 in Baden-Württemberg geworden. Wir haben 400 Fahrzeuge auf die Straße gebracht und 2.500 langfristige Kunden, die natürlich auch die attraktiven Preise schätzen. Bei uns zahlt man 6,50 EUR für eine Stunde inklusive Kilometerleistung und Ladung oder für den ganzen Tag 39,90 EUR. Es gibt 250 Ladepunkte, an denen kostenlos geladen werden kann. Das System funktioniert also auch im ländlichen Raum. Unser Vorteil war natürlich, dass wir 2013 die Schwarzwald Energy gegründet haben, eine Tochter, die deutschlandweit grünen Strom und Gas verkauft. Ohne sie hätten wir die E-Mobility nicht aufbauen können. Unser Ansatz ist, dass der Kunde Teil unseres Geschäftsmodells werden muss; wir arbeiten für ihn und mit ihm. In Zukunft wird es immer stärker um flexible Mobilitätssysteme gehen, die ökologisch und ökonomisch passen, um eine bessere Mobilität mit weniger Autos. Bei unserem halbstationären E-Car-Sharing-System fährt man bei A los, lässt das Auto bei B stehen oder fährt wieder zurück. Bei anderen Anbietern muss das Auto immer wieder zurückgebracht werden. Wir sehen uns als Dienstleister für den Kunden, der sich um dessen Mobilität kümmert. Autofahren wird zum Service, man kauft kein Auto mehr, sondern zahlt allein für den Service des Fahrens.

Wirtschaftsforum: Damit stellt sich das Unternehmen auf einen gesellschaftlichen Wandel ein. Der Besitz eines Autos ist heute nicht mehr so wichtig wie früher.

Horst Graef: Genau. Allerdings müssen wir nach wie vor Überzeugungsarbeit leisten, um langfristig etwas zu bewegen. Wir müssen klarmachen, dass man sich beim E-Car-Sharing nicht einschränkt. Im Gegenteil. Man muss Mobilität anders denken, ökologisch.

Wirtschaftsforum: Gibt es neben dem E-Car-Sharing weitere grüne Konzepte?

Horst Graef: Ja. Unser nächstes Projekt heißt ‘1.000-Dächer-Programm’. Dabei geht es um Fotovoltaikanlagen zur Herstellung der eigenen grünen Kilometer. Wir stellen das Auto, die Wallbox und PV-Anlage auf dem Dach und bieten damit ein ganzheitliches System, das den Kunden mit grünem Strom bedient.

Wirtschaftsforum: Wie schauen Sie in die Zukunft?

Horst Graef: Unsere Lernkurve ist hier sehr hoch; deshalb bin ich optimistisch. Wir wollen kein Großkonzern werden; Kerngeschäfte müssen klein bleiben, um schnell und flexibel zu agieren. Man muss sich mit der Lernkurve mitentwickeln; Fehler sind zugelassen, dürfen sich aber nicht wiederholen. So wollen wir Spuren in der Gesellschaft hinterlassen.

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