Nachhaltiger Neuanfang

Interview mit Matthias Haarer, Geschäftsführer der Eisenmann GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Haarer, seit Eisenmann 2019 Insolvenz anmelden musste, sind einige Jahre vergangen. Was ist seitdem passiert?

Matthias Haarer: Einzelne Units wurden im Zuge der Insolvenz separat verkauft. Der Investor Nimbus hat die wichtigste Säule des Unternehmens, die Unit Paint and Assembly Systems, übernommen und die Eisenmann GmbH mit 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegründet. Trotz schwieriger Umstände, bedingt durch die Pandemie und deren Auswirkungen (Investitionszurückhaltung) gelang es Eisenmann nach neun Monaten, den ersten positiven Monatsabschluss zu erzielen. Signalwirkung hatte dabei ein großer Auftrag eines renommierten OEMs in zweistelliger Millionenhöhe mit dem neu entwickelten Produkt VarioShuttle XL.

Wirtschaftsforum: Wo steht das Unternehmen heute?

Matthias Haarer: Wir haben drei Tochtergesellschaften gegründet, eine in den USA, eine in Mexiko und eine in der Türkei. Unsere Gesamtleistung liegt in Deutschland bei 70 Millionen EUR, dazu kommen 15 Millionen EUR in den USA und drei Millionen EUR in Mexiko. An unserem Hauptstandort Böblingen beschäftigen wir 155 der insgesamt 185 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir sehen uns als Schrittmacher für innovative Technologien: deshalb haben wir viel in neue Entwicklungen und die Optimierung bestehender Produkte investiert. Heute werden wir als verlässlicher Anbieter mit zukunftsfähigen Produkten im Sinne der Produktions- und Kosteneffizienz sowie Nachhaltigkeit am Markt wahrgenommen.

Wirtschaftsforum: Welche Produktbereiche decken Sie ab?

Matthias Haarer: Unser Gebiet ist die Planung und Fertigung von Lackieranlagen in den Bereichen Metall, Kunststoff, Automobil und Räder. Dazu gehört ein umfangreiches Produktportfolio für die Tauchlackierung sowie Systeme für die Lackabscheidung und Trocknung. Zudem verfügt Eisenmann über eine umfangreiche Produktpalette zur Verknüpfung der Prozesse in der Lackiererei und der Endmontage. Unser erfahrenes Serviceteam kümmert sich im Aftersales-Bereich sowohl um die Wartung und Modernisierung von mehr als 2.000 installierten Anlagen als auch um die zuverlässige Beschaffung von Ersatzteilen für unsere Kunden.

Wirtschaftsforum: Welche Innovationen würden Sie besonders hervorheben?

Matthias Haarer: Im Bereich der Tauchlackierung haben wir schon vielfältige Produkte entwickelt, die in vielen Lackieranlagen verbaut worden sind. Basierend auf den sich verändernden Marktanforderungen haben wir deren Funktionalität immer weiter optimiert und Verfahren patentiert. So ist heute neben dem E-Shuttle 200, einem Zwei-Achs-Tauchsystem, auch das E-Shuttle 300 etabliert. Geschaffen für die Vorbehandlungs- und Tauchlackierprozesse in der Automobilproduktion kann das E-Shuttle 300 bezüglich Tauchkurven, Fahrweise oder Verweildauer im Prozessbecken individuell auf das zu beschichtende Produkt angepasst werden. Einhergehend mit dem Einzug der E-Mobilität und der ungebrochen hohen Nachfrage nach SUVs bieten wir mit unserem VarioShuttle XL ein hochflexibles Tauchsystem für Lasten bis zu 2 t. Eine weitere Innovation ist unser Konzept für den skidlosen Paint Shop. Üblicherweise werden die Fahrzeugkarosserien auf einem Stahlschlitten (Skid) durch die Lackiererei gefördert. Mit unserem Ansatz sparen wir nun die starre Fördertechnik und nutzen ein fahrerloses Transportsystem, welches uns ermöglicht, die Karosserie ohne Skid zu fördern. Das spart Energie, da der Skid während des Lackierprozesses nicht mehr unnötig aufgeheizt und wieder abgekühlt werden muss. Auch im Bereich der Lackabscheidung bieten wir unseren Kunden mit dem E-Cube eine effiziente, klimafreundliche und emissionsarme Lösung. Der im Rahmen der Trockenabscheidung abfallende Lacknebel wird dabei im Karton-Abscheider E-Cube gesammelt und entsorgt. Neu ist jetzt der Re-Cube. Bei diesem System wird die regenerierbare Filterhülle im Pyrolyseverfahren gereinigt und danach weitergenutzt. Das ist ressourcenschonend und damit nachhaltig.

Wirtschaftsforum: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei Ihnen darüber hinaus?

Matthias Haarer: Wir füllen das Wort mit Leben: Nachhaltigkeit ist Treiber für alle neuen Entwicklungen sowie unsere Modernisierungskonzepte für bestehende Anlagen. Unser Anspruch ist es, hier Schrittmacher zu sein, mit neuen Technologien und Innovationen, die langfristig darauf einzahlen, CO2-Neutralität zu erreichen. Denn Nachhaltigkeit ist auch bei unseren Kunden ein wichtiges Thema. Die Autoproduktion verlangt nach Net Zero. So nutzen wir die Abwärme von Prozessen, um zum Beispiel in der Lackiererei Bäder vorzuheizen. Da wir keine eigene Fertigung haben, arbeiten wir ausschließlich mit Lieferanten, die sich ebenfalls dem Thema Klimafreundlichkeit und dem Lieferkettengesetz verschrieben haben. Wir achten also auf deren Qualifizierung und Management.

Wirtschaftsforum: Auf welche Erfolgsfaktoren konnte und kann Eisenmann bauen?

Matthias Haarer: Wir haben renommierte, bewährte und zukunftsträchtige Produkte und richten unsere Engineering-Erfahrung stets an den Anforderungen des Marktes und den Bedürfnissen unserer Kunden aus. Flexibilität, Innovationsfähigkeit und -freude sowie Zuverlässigkeit zeichnen uns aus. Wir halten unsere Zusagen und stehen für Qualität und Termintreue. Das spiegelt sich auch in den langjährigen vertrauensvollen Beziehungen zu Partnern und Lieferanten wider. Ein weiterer wichtiger Punkt: Wir stehen zu unserem Wort. Das gilt auch gegenüber unserem sehr erfahrenen und motivierten Team.

Wirtschaftsforum: Welche Ziele und Visionen haben Sie für das Unternehmen?

Matthias Haarer: In diesem Geschäftsjahr liegt der Fokus darauf, weitere Projekte zu gewinnen und ein stabiles, beziehungsweise profitables Wachstum zu erreichen. Ein Zukunftsprojekt ist der Neubau eines neuen Firmenstandortes und der Umzug unseres Stammsitzes im Jahr 2026. Unser Leistungsspektrum wollen wir kontinuierlich erweitern, um als fester Partner für modulare Anlagenbereiche beauftragt zu werden. Ziel ist es aber auch, nach und nach wieder größere Teile einer Gesamtlackieranlage anzubieten. Wir werden auch in die Dickstoffapplikation einsteigen. Dafür haben wir den Geschäftsbereich Eisenmann Robotics gegründet. Unsere Vision ist, bis 2030 wieder eine Größenordnung von rund 150 bis 200 Millionen EUR erreicht zu haben. Dazu müssen die Strukturen mitwachsen. In den vergangenen drei Jahren ist es uns gelungen, rund 50 junge Ingenieurstalente zu gewinnen, die gemeinsam mit unseren erfahrenen Kolleginnen und Kollegen clevere Lösungen für unsere Kunden weltweit konzipieren.

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