Warum in die kulinarische Ferne schweifen?
Interview mit dem Schweizer Spitzenkoch Thuri Maag
Wirtschaftsforum: Herr Maag, es gibt viele Fleischsorten, mit denen sich die Küche bereichern lässt. Sie machen sich für Kaninchen stark, warum?
Thuri Maag: Das kann ich Ihnen ganz einfach beantworten: Kaninchen ist für mich das Fleisch der Zukunft. Dafür spricht, dass es fettarm ist und den Cholesterinspiegel senkt. Kombinieren Sie das mit einem hohen Eisengehalt und mit dem besten ökologischen Fußabdruck in der Haltung. Das sind doch gewichtige Argumente. Die Kaninchen aus unserem Betrieb sind schon nach 70 Tagen schlachtreif und gemäß den neuesten Schweizer Richtlinien und Vorschriften aufgezogen. Wussten Sie außerdem, dass bei Kaninchenfleisch keine Salmonellengefahr besteht? Man kann es auch roh essen und tolle Gerichte, wie Tatar, Carpaccio oder mi-cuit (Seared) zubereiten.
„Kaninchen ist für mich das Fleisch der Zukunft.“ Thuri Maag
Wirtschaftsforum: Über ihr Unternehmen delikantessa betreiben Sie aktiv das Kaninchen-Revival in der Schweiz. Wieviel Zeit hat den der Koch Thuri Maag noch gegenüber dem Geschäftsmann?
Thuri Maag: Ich bin immer noch leidenschaftlicher Koch. Diese Leidenschaft kann ich bei delikantessa fortführen. Das Unternehmen stellt mich zwar vor Aufgaben als Geschäftsmann, aber davon profitiere ich als Koch, in dem ich immer wieder neue, kreative Ideen bekomme.
Wirtschaftsforum: Wenn Sie Ihren eigenen Lebenslauf betrachten. Gibt es Eigenschaften als Koch, von denen Sie unternehmerisch profitiert haben?
Thuri Maag: Es gibt sicherlich Eigenschaften, aber auch Trends von denen ich profitiere. Sehen Sie, ich arbeitete insgesamt vier Jahre Jahre bei den besten Köchen Frankreichs. Diese lebten schon vor 35 Jahren die regionale Küche vor und zwar mit den besten Produkten, die vor Ort zu haben waren. Diesen Fokus auf Regionalität führe ich in meiner jetzigen Arbeit konsequent fort.
Wirtschaftsforum: Inwiefern beobachten Sie noch aktuelle Trends in der internationalen Küche?
Thuri Maag: Ich bin absolut up-to-date. Die internationale Küche verliert man nicht einfach so aus dem Blick. Ich tausche mich regelmässig mit meinen Berufskollegen aus und besuche Seminare, in denen neue Trends und Küchen vorgestellt werden.
„Das Wichtigste bleibt doch, dass ich keinem Trend hinterherrenne, sondern kreative neue Akzente setze.“ Thuri Maag
Wirtschaftsforum: Die diesjährige Anuga läuft unter dem Motto „Taste of the future“. Welchen Stellenwert hat die weltweit größte Ernährungsmesse für Sie?
Thuri Maag: Die Anuga hat einen sehr großen Stellenwert! Gleichzeitig kann man sich aber die Frage stellen, warum ich in die kulinarische Ferne schweifen muss, wenn das Gute so nah liegt. Ich denke da an exotische Angelegenheiten wie Insekten, Mehlwürmer oder gar Krokodil. Dabei lässt sich doch auch schon beim Kaninchen nach dem Prinzip nose-to-tail verfahren. Das ist schließlich eine der jüngsten Entwicklungen bei Rind, Kalb und Schwein. Aus dem Vorderschenkel lässt sich ein geschmortes Gigolette kochen, vom Rückenfilet ein Carpaccio, ein Geschnetzeltes. Den Hinterschenkel kann ich niedergaren oder als Sous vide Gericht auf die à la carte Karte setzen. Das Wichtigste bleibt doch, dass ich keinem Trend hinterherrenne, sondern kreative neue Akzente setze. Das gilt nicht nur für die Küche, sondern alle Bereich des Lebens.
Dieses Interview erschien zuerst auf Englisch in unserer Schwesterpublikation European Food.