„Wir sind schon längst in der Bauindustrie 4.0 angekommen!“

Interview mit Volker Weidemann, Geschäftsführer der Befer GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Weidemann, während sich Ihr Schwesterunternehmen, die Tunnel-Ausbau-Technik GmbH, auf die Herstellung von Segmentbögen für den Tunnelbau konzentriert, liegt der Fokus der Befer GmbH auf Betonfertigteilen. Wo kommen Ihre Erzeugnisse schließlich zum Einsatz?

Volker Weidemann: Grundsätzlich können wir unsere Kernkompetenzen am besten dort ausspielen, wo es speziell und anspruchsvoll wird. Die Anwendungsfelder unserer Produkte erstrecken sich dabei auf verschiedenste Teilsegmente des Baugewerbes: So engagieren wir uns beispielsweise in der Herstellung und Montage von Elementdecken, die dann auf der Baustelle mit Ortbeton ergänzt werden, und stellen Betonstützen her, die bei der Errichtung von Industriehallen benötigt werden. Für den Außenbereich erzeugen wir derweil unter anderem schalungsglatte Treppen für Stadien oder Parkhäuser, die zumeist mit Antirutschstufen versehen und nach ihrer Errichtung sofort begehbar sind, sowie Winkelwände und Mauerscheiben mit einer Höhe von 60 cm bis hin zu etwa 4 m – diese finden vornehmlich in der Befestigung von Geländesprüngen Verwendung. Darüber hinaus produzieren wir Aufzugsschächte und Balkone, die nicht nur in Neubauten einfließen, sondern gerade auch im Rahmen der Sanierung und Aufwertung von Bestandsgebäuden nachgefragt werden. Für eine optimale Wärmedämmung von Wohnobjekten und Industriehallen stellen wir zudem entsprechende Dreischichtwände her, die neben einer Innen- und Wetterschale aus Beton Dämmstoffe im Mauerkern enthalten, sodass sich daraus ein energetisch hochwertiges Gebäude errichten lässt.

Wirtschaftsforum: Was uns zur entscheidenden Frage der Nachhaltigkeit bringt – hat Beton als Baustoff angesichts seiner CO2-Bilanz überhaupt eine Zukunft?

Volker Weidemann: Aus vielen Anwendungsfeldern wird Beton auch perspektivisch nicht wegzudenken sein – denken Sie hier nur an Feuerschutztreppen, Brandschutz und Rettungswege. Aber auch die Statik von Stahlhallen kommt im Brandfall bei Temperaturen ab 500 °C an ihre Belastungsgrenzen, sodass Betonelemente mit eingebautem Bewehrungsstahl in diesem Kontext deutliche Vorteile mit sich bringen. Stark frequentierte Gebäude mit besonderen Sicherheitsanforderungen wie Bahnhöfe und Messehallen unterliegen ähnlichen Problemen. Darüber hinaus muss der konkrete CO2-Fußabdruck einer spezifischen Baumaßnahme auch immer in ihrem jeweiligen Kontext und unter Abwägung der möglichen Alternativen betrachtet werden: So weisen ein Abriss und der darauf folgende Neubau eines Objekts in vielen Fällen eine schlechtere CO2-Bilanz auf als der Einsatz von recyceltem Beton. Denn während die einzelnen Baustoffe bei betonfreien Bauverfahren zumeist gar nicht mehr voneinander getrennt oder mit vertretbaren Mitteln wiederaufbereitet werden können – denken Sie hier etwa an Wärmedämmverbundsysteme aus Styropor oder mit Holzschutzmitteln belastete Baustoffe – lassen sich im Falle durchgreifender Sanierungs- oder gar Abrissmaßnahmen bei einem Objekt aus übereinander liegenden Dämmungs- und Betonschichten alle Einzelkomponenten mühelos separat recyceln. Gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels wird auch die hervorragende Wärme- und Kältespeicherfähigkeit von Betonwänden immer bedeutsamer, die an heißen Sommertagen die Kühle der vorangegangenen Nacht abgeben. Und nicht zu vergessen: Auch die CO2-Bilanzen von Zement und Beton selbst werden sich durch zahlreiche innovative Effizienzsteigerungen und Verwendung der Fertigteilbauweise/Modularbauweise weiter verbessern.

Wirtschaftsforum: Wodurch zeichnen sich dabei die Fertigungsverfahren der Befer GmbH aus?

Volker Weidemann: Unsere Attraktivität als kompetenter Partner unserer Auftraggeber findet ihre Grundlage nicht zuletzt darin, dass wir schon längst in der Bauindustrie 4.0 angekommen sind. So planen wir unsere Elemente mit allen Kollisionspunkten komplett in 3-D, wodurch wir die fertigen Komponenten stets virtuell vor Augen haben und in digitaler Form sowohl an unsere eigenen Mitarbeiterinnen aus der Fertigung als auch an die BIM-Systeme unserer Kunden weiterleiten können. Die einmal eingegebenen 3-D-Daten fließen in unserer Produktion dann direkt in unsere CNC-Holzbearbeitungsmaschinen ein, die automatisch entsprechende Schalungen herstellen. So können wir nicht nur für eine kosteneffiziente Fertigung aller wesentlichen Komponenten sorgen, sondern auch konsequent zahlreiche potenzielle Fehlerquellen eliminieren.

Wirtschaftsforum: Liegt darin auch ein wichtiger Vorteil im Kontext des allseits grassierenden Fachkräftemangels?

Volker Weidemann: Durch unseren hochtechnologischen Ansatz sind wir sicherlich auch für junge und dementsprechend digitalaffine Menschen ein interessanter Arbeitgeber. Gleichzeitig können wir dank unseres hohen Fertigungsgrades mit angenehmen, hellen und wettergeschützten Arbeitsplätzen aufwarten – im Gegensatz zu den oft unwirtlichen Bedingungen, die bei Wind und Wetter auf der Baustelle herrschen. Gerade vor dem Hintergrund der aktuell spürbarenMarktkorrektur, unter der insbesondere das Ein- und Zweifamilienhaussegment leidet, könnte in einer weiteren Verlagerung hin zu einer stärkeren Vorfertigung unter kontrollierten Bedingungen im Werk ein wichtiger Schlüssel liegen, um mit den dadurch entstehenden Kostenvorteilen positiv auf den Markt einzuwirken. Am Ende profitieren davon nicht nur die Bauwirtschaft, sondern auch die Bauherren durch niedrigere Preise sowie die Bauhandwerkerinnen durch angenehme Arbeitsbedingungen. Darin sehen wir einen wichtigen und nachhaltigen Impuls für die Zukunft.

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