Die Überflieger

Interview mit Neset Tükenmez, Vorstand der Aerodata AG

Wirtschaftsforum: Herr Tükenmez, Sie sind seit einem Jahr Vorstandsvorsitzender der Aerodata AG und damit des Weltmarktführers für Flugvermessungssysteme. Wie kam es zu dieser Spitzenposition am Markt?

Neset Tükenmez: Die Aerodata ist ein Spin-off der TU Braunschweig und wurde 1985 von zwei Professoren gegründet, die mit Forschungsaufträgen im Bereich der Flugvermessung starteten. Aus dieser Tätigkeit entwickelten sich weitere Bereiche, sodass wir heute sowohl als Generalunternehmer tätig sind als auch als Lieferant für OEMs wie Flugzeughersteller.

Wirtschaftsforum: Was genau bedeutet Flugvermessung?

Neset Tükenmez: So wie ein Auto regelmäßig zum TÜV muss, werden Navigationsanlagen von Flugplätzen regelmäßig für automatische Landungen überprüft. Aerodata hat vollautomatische Flugvermessungssysteme entwickelt, die für mehr Sicherheit im Flugverkehr sorgen. Mit diesem Thema ist das Unternehmen groß geworden; bis heute wurden über 110 Systeme ausgeliefert.

Wirtschaftsforum: Das System wurde in Richtung Überwachung weiterentwickelt. Worum geht es dabei?

Neset Tükenmez: Wir liefern Lösungen für unterschiedliche luftgestützte Überwachungsszenarien wie Fischereikontrollen, Seefernaufklärung, Grenzschutz oder Seenotrettung. Das Besondere ist, dass die Sensoren Daten in ein zentrales Netzwerk liefern, die zu Echtzeitlagebilddarstellungen verarbeitet werden. Nutzer sehen in Realtime was passiert und können über Funk oder Satellit entsprechende Informationen weitergeben, sodass schnell reagiert werden kann. Auch Umweltthemen spielen eine zentrale Rolle. Mit unseren Sensoren können Verschmutzungen auf der Meeresoberfläche aus weiter Ferne erkannt werden. Unlängst haben wir für die Bundeswehr zwei neue Upgrades durchgeführt. Ölflieger fliegen täglich über die Nord- und Ostsee, um nach Ölverschmutzungen zu schauen.

Wirtschaftsforum: Gibt es besondere Alleinstellungsmerkmale, durch die sich die Aerodata-Systeme vom Markt absetzen?

Neset Tükenmez: Unsere Systeme können kombiniert eingesetzt werden; ein Gebiet kann zum Beispiel in Form von Grenzschutz überwacht werden, gleichzeitig kann nach Ölverschmutzungen Ausschau gehalten werden. Kunden schätzen zudem die Qualität der Produkte, die nicht ausfallen, verlässlich arbeiten und immer maßgeschneidert sind. Wir sind im Dialog mit den Kunden, um herauszufinden, was sie wirklich brauchen. Die Fokussierung auf die Bedürfnisse der Kunden und die Umsetzung ihrer individuellen Bedürfnisse macht unsere Arbeit aus.

Wirtschaftsforum: Wie ist Aerodata heute aufgestellt?

Neset Tükenmez: Aerodata beschäftigt knapp 200 Mitarbeiter und wächst kontinuierlich; im Vergleich zum Vorjahr konnte der Umsatz fast verdoppelt werden. Vor zehn Jahren haben wir die Optimare Systems GmbH in Bremerhaven übernommen, die sich auf die Entwicklung der Sensoren konzentriert und das Portfolio perfekt ergänzt. Produziert wird ausschließlich in Braunschweig. Es gibt weitere Unternehmen und Beteiligungen, in Australien zum Beispiel die AeroPerl, die als Dienstleister Flugvermessungen im australischen und pazifischen Raum anbietet. Im Überwachungsbereich arbeiten wir häufig mit militärischen Organisationen zusammen; aufgrund unterschiedlicher Hoheitsgewalten ist es sinnvoll, in verschiedenen Ländern ein Unternehmen vor Ort zu haben, um Aufträge zu bekommen.

Wirtschaftsforum: Für wen sind die Leistungen der Aerodata interessant?

Neset Tükenmez: Wir arbeiten weltweit für Luftfahrtbehörden, Flugsicherungen und militärische Organisationen. Auch die Ölindustrie kommt auf uns zu. Ölfirmen im Golf von Mexiko müssen beispielsweise sicherstellen, dass kein Öl austritt.

Wirtschaftsforum: Das Unternehmen befindet sich seit Jahren auf Wachstumskurs. Wie beurteilen Sie den Markt der Zukunft?

Neset Tükenmez: Wir beschäftigen uns mit verschiedenen Zukunftsszenarien. Unbemannte Flugzeuge, die dauerhaft Bereiche überfliegen, gibt es als Ergänzung schon heute, ihre Bedeutung wird in den kommenden Jahren jedoch noch zunehmen. Das lässt sich unter anderem mit einer längeren Flugdauer im Vergleich zu bemannten Flugzeugen begründen. Zudem werden Themen wie Möglichkeiten des Umweltschutzes stärker in den Vordergrund rücken. Öldetektoren sollen in Richtung für die Detektion von Plastikmüll weiterentwickelt werden. Auch KI-Lösungen werden ein großes Thema sein; hier sind wir bereits Teil eines geförderten Forschungsprojekts, das vielversprechende Ergebnisse erzielt. Wir werden weiter innovativ sein, flexibel auf Kundenwünsche eingehen und mit unseren Lösungen zu einer sicheren und nachhaltigen Zukunft beitragen.

Interview:

Manfred Brinkmann
und Dr. Endre Hagenthurn

Mehr zum Thema Technik

„Wir wollen mit unserer Technologie Europa voranbringen“

Interview mit Jaroslav Macek, CEO der Elevion Group

„Wir wollen mit unserer Technologie Europa voranbringen“

Elevion will für seine Kunden in Deutschland und darüber hinaus als starker Partner bei der Energiewende auftreten: durch die Entwicklung, Implementierung und Wartung von Heiz-, Wärme- und Energiesystemen im Industriekontext,…

Teilhaben und gemeinsam verändern

Interview mit Stephan Frense, Geschäftsführer der ARGE NETZ GmbH & Co. KG

Teilhaben und gemeinsam verändern

Deutschland will bis 2045 klimaneutral sein. Um dieses Ziel zu erreichen, ist der Ausbau der erneuerbaren Energien entscheidend. In Schleswig-Holstein engagiert sich die ARGE NETZ GmbH & Co. KG aus…

Grüne Energie wirtschaftlich nutzen

Interview mit Oliver Ziegler, Geschäftsführer und Ralf Höper, Geschäftsführer der ANE GmbH & Co. KG

Grüne Energie wirtschaftlich nutzen

In der heutigen, stark umkämpften Geschäftswelt steht das wirtschaftliche Argument für grüne Initiativen oft im Vordergrund. Unternehmen müssen zeigen, wie diese ökologischen Maßnahmen wirtschaftlich tragfähig sind. Die ANE GmbH &…

Spannendes aus der Region Braunschweig

„Wir wollen der Industriestandard für die Wasseraufbereitung werden!“

Interview mit Dr. Christian Göbbert, Managing Director der Nanostone Water GmbH

„Wir wollen der Industriestandard für die Wasseraufbereitung werden!“

Mit einem Keramikfiltrationssystem hat Nanostone Water ein Produkt entwickelt, das Mikroorganismen aus Wasserkreisläufen verlässlich herausfiltert: zur Trinkwasserversorgung, aber auch für vielfältige Industrieanwendungen und die Abwasseraufbereitung. Wie die Technologie genau funktioniert…

Werte, Wandel, Weitblick:  Ein Unternehmen im Aufbruch

Interview mit Sebastian Scheuvens, Geschäftsführer der FAS – Flüssiggas-Anlagen GmbH

Werte, Wandel, Weitblick: Ein Unternehmen im Aufbruch

Technologische Kompetenz ist wichtig, doch längst nicht mehr genug. Die FAS Flüssiggas-Anlagen GmbH aus Salzgitter zeigt eindrucksvoll, wie ein mittelständisches Unternehmen mit Kundennähe, Mitarbeiterorientierung und klaren Werten erfolgreich in eine…

Damit Rohrsysteme Jahrzehnte halten

Interview mit Kai Barchfeld, Geschäftsführer der TS Wassertechnik Tempel & Scholz GmbH

Damit Rohrsysteme Jahrzehnte halten

Als Experte für Wasseraufbereitung, Wasserbehandlung und chemische Reinigung wasserführender Systeme betreut TS Wassertechnik als Komplettanbieter Unternehmen aus verschiedensten Wirtschaftszweigen. Warum sich Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg bei den Kunden zunehmend gegenseitig…

Das könnte Sie auch interessieren

Zukunftsfähige Elektronik – mit Verantwortung gefertigt

Interview mit Emil Kurowski, Geschäftsführer der TOP. Thomas Preuhs GmbH

Zukunftsfähige Elektronik – mit Verantwortung gefertigt

Regionale Nähe, gelebte Nachhaltigkeit und technische Präzision – auf diesen drei Säulen hat sich die TOP. Thomas Preuhs GmbH in den vergangenen 30 Jahren vom kleinen Dienstleister zum flexiblen Full…

Hochpräzise Kontrolle für die Halbleiterindustrie

Interview mit Dr. Peter Czurratis, Gründer der PVA TePla Analytical Systems GmbH und Metrologie-Experte der PVA TePla Gruppe

Hochpräzise Kontrolle für die Halbleiterindustrie

Die Halbleiterindustrie steht unter Strom – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn mit zunehmender Digitalisierung, E-Mobilität und globalem Datenhunger wächst auch der Bedarf an präziser Inspektionstechnologie. Die PVA TePla Analytical…

Elektrisch. Engagiert. Endenburg.

Interview mit Rik Kant, Geschäftsführer der Endenburg Elektrotechniek B.V.

Elektrisch. Engagiert. Endenburg.

Vom Lampengeschäft zum Elektrotechnik-Spezialisten: Die Geschichte der Endenburg Elektrotechniek B.V. reicht fast 100 Jahre zurück. Im Gespräch mit Wirtschaftsforum gibt Geschäftsführer Rik Kant Einblicke in die Unternehmensstruktur, das besondere Führungsmodell…

TOP