„Der Mitarbeiter bestimmt die Qualität“
Interview mit Christian Becker, Geschäftsführer und Inhaber der BECKER CARBON GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Becker, Sie haben das Unternehmen selbst gegründet. Wie kam es dazu?
Christian Becker: Die Gründung erfolgte 1999 aus der Not heraus. Ich hatte schon Familie, war arbeitslos und hatte vorher bereits mit Kohlefasern gearbeitet. Also habe ich meine eigene Firma angemeldet. Da ich die 50 DM Anmeldegebühr nicht hatte, hat mir die Dame im Gewerbeamt tatsächlich den fehlenden Betrag ausgelegt. Meine ersten Kunden habe ich telefonisch akquiriert. So durfte ich für eine Firma bei Rosenheim eine Motorradverkleidung bauen und bin bei VW in der Abteilung Modellbau gelandet. Der Mitarbeiter dort wollte sich zunächst meine Firma ansehen; das konnte ich zum Glück abwenden – ich hatte ja noch gar nichts. Aber ich bekam den Auftrag zur Fertigung einer Stoßstange. Die Bank gab mir keinen Kredit. Ich konnte aber die Lieferanten überzeugen, in Vorleistung zu gehen. In einer kleinen Werkstatt einer Bauschreinerei in Offenberg habe ich losgelegt. Das war nicht optimal, aber wenn man von etwas überzeugt ist, ist das Umfeld egal. Ich stellte allerdings bald fest, dass ich eine Vakuumanlage brauchte. Der Hersteller war zunächst empört, dass ich sie noch gar nicht bezahlen konnte, dann aber beeindruckt von meinem Mut. Er hat mir die Anlage geschickt unter der Voraussetzung, dass ich sie, sollte ich kein Geld verdienen, wieder zurückschicke. Ich habe Tag und Nacht gearbeitet und war mit dem Auftrag über 35 Stoßstangen alleine völlig überfordert. Deshalb habe ich beim Arbeitsamt nach Unterstützung gefragt und kam an einen schwer vermittelbaren Arbeitslosen. So waren wir schon zu zweit.
Wirtschaftsforum: Eine beeindruckende Geschichte. Wo steht das Unternehmen heute?
Christian Becker: Inzwischen haben wir um die 130 Mitarbeiter und fertigen edelste Teile aus Carbon für Bugatti, McLaren, BMW und alle möglichen namhaften Firmen in vielen Bereichen wie Fahrzeugbau, Motorsport, Luft- und Raumfahrt, Medizintechnik, Anlagenindustrie oder Freizeitindustrie. Unser Jahresumsatz liegt bei elf Millionen EUR. Fast die Hälfte unseres Geschäfts machen wir im Ausland. Anfangs haben wir vor allem Prototypen für den Motorsport gefertigt, jetzt machen wir auch kleine Serien.
Wirtschaftsforum: Warum wird Carbon verwendet?
Christian Becker: Kohlefasermaterial ist steif und um die Hälfte leichter als Aluminium. Es ist langlebig, da es nicht ermüdet oder rostet, und es hat ein gewisses Flair. Von der Raumfahrt ist es zunächst in den Motorsport gekommen, wo man mit seiem Einsatz auch Sportlichkeit signalisiert. Wir befinden uns in einem hochwertigen Produktsegment. Das Rohmaterial ist sehr teuer und die Herstellungstechnologie aufwendig – alles wird in Handarbeit gemacht. Der Mitarbeiter bestimmt also die Qualität. Das macht die Verwendung in manchen Bereichen schwierig. Wir waren von Anfang an auch schon im Bereich Medizintechnik tätig. Ich habe einen Designerpreis für den besten Rollstuhl der Welt bekommen und ein Handbike für Paralympics-Teilnehmer entwickelt – die sogar mit einem Sieg nach Hause kamen.
Wirtschaftsforum: Hat das Material auch Nachteile?
Christian Becker: Ja, hat es, es ist nicht recycelbar. Es bedarf daher noch vieler Überlegungen und Forschungen, um sinnvolle Lösungen dafür zu finden, was mit dem Material passiert, wenn der Lebenszyklus eines Produkts zu Ende ist.
Wirtschaftsforum: Worin sehen Sie die besonderen Stärken Ihrer Firma?
Christian Becker: Ich fand es immer wichtig, dass sich mein Gegenüber auf mein Wort verlassen kann. Das, was man sagt und tut, muss eine gewisse Qualität haben, die dann durch Zuverlässigkeit bestätigt wird.
Wirtschaftsforum: Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Unternehmens?
Christian Becker: Als Unternehmer möchte man immer Dinge voranbringen. Wir wollen wachsen, uns weiterentwickeln und noch stärker in Richtung Serien aufstellen. Diesen Bereich steuert mein Sohn Philipp. Ich kümmere mich inzwischen mehr um Spezialthemen. Ich möchte auch in neue Märkte eintreten. Eines macht unser Geschäft aber etwas schwierig: Wenn ich als deutscher Hersteller etwas anbiete, kann ein ausländischer Lieferant immer billiger liefern. Der Unternehmer in Deutschland bekommt viele Kosten aufgebürdet. Der Produktionsstandort ist daher sehr teuer geworden und viele wandern ins Ausland ab. Dadurch gehen aber hier Arbeitsplätze verloren. Und wer soll dann am Ende in Deutschland noch Produkte wie unsere Bauteile kaufen?
Wirtschaftsforum: Was liegt Ihnen besonders am Herzen, wenn es um die Zukunft von BECKER CARBON geht?
Christian Becker: Wir wollen als Firma auf jeden Fall unseren familiären Charakter behalten. Bei uns herrscht ein positiver Spirit, die Leute haben Spaß an ihrer Arbeit. Diese Energie der Menschen spürt man bei uns. Wenn es gelingt, die Begeisterung der Mitarbeiter in die Bauteile zu bringen, dann ist auch der Kunde begeistert.