Der Plantcube: Wenn das Gewächshaus in's Wohnzimmer zieht

Interview mit Maximilian Lössl, Mitgründer der agrilution GmbH

Wirtschaftsforum: Der Plantcube sieht aus wie ein Kühlschrank, ist allerdings ein Gewächshaus. Wie sind Sie auf die Idee gekommen? Fehlte Ihnen der Garten für die eigene Kräuterzucht?

Maximilian Lössl: Nein, das hatte damit ehrlich gesagt gar nichts zu tun. Ich bin vor knapp sieben Jahren während einer Reise nach Neuseeland auf ein Buch aufmerksam geworden. Es heißt ‘The Vertical Farm’ und handelt davon, wie man die Städte der Zukunft nachhaltiger und lokaler ernähren kann. Auf Empfehlung des Autors bin ich nach Holland gezogen, um dort zu studieren. Während des Studiums ist dann die Idee für den Plantcube entstanden. Dort habe ich gemerkt, dass praktisch alle Firmen, Universitäten, Forschungseinrichtungen und jeder, der sich mit der Thematik rund um Vertical Farming auseinandergesetzt hat, entweder in die Forschung gegangen ist oder große industrielle Anlagen gebaut hat. Niemand hat versucht, etwas direkt für den Kunden zu bauen – zumindest nicht etwas, das der Kunde in seinem Zuhause nutzen kann und somit den größten Mehrwert schafft. Etwas, mit dem er vor Ort möglichst frische, pestizidfreie Lebensmittel anbauen kann. So ist damals die Idee entstanden.

Was uns von allen anderen Unternehmen im Vertical Farming-Bereich unterscheidet, ist der Ecosystem Ansatz und somit dem Kunden ein Rundum-Sorglos-Komplettpaket zu bieten und außerdem die Software mit Daten als Schlüsselkomponente. Wir haben über die letzten Jahre hinweg sehr viele Daten über Pflanzen gesammelt und herausgefunden, welche Umgebungsfaktoren sie jeweils benötigen, um effizient zu wachsen und dann den richtigen Geschmack und die richtigen Inhaltsstoffe zu erhalten. Dieses Wissen bauen wir mithilfe unserer kleinen, miteinander vernetzten, intelligenten Geräte stetig weiter aus. Deshalb verfolgen wir den kleinen Ansatz und nicht den großen.

Wirtschaftsforum: Das Thema ‘Klimawandel’ spielt auch im Plantcube eine Rolle, denn er kann sein eigenes Klima regulieren. Wie gelingt ihm das, sodass alle Pflanzen die ideale Umgebung finden?

Maximilian Lössl: Der Plantcube passt praktisch alle Umgebungsfaktoren an die Pflanze an: Licht, Bewässerung und Klima. Wir haben die Möglichkeit, die Pflanze zu kühlen, zu heizen und auch die Luftfeuchtigkeit zu regeln. Die zwei übereinander liegenden Etagen können wir unabhängig voneinander temperieren und mit Wasser und Licht bespielen. Auf jeder dieser Lagen können bis zu vier verschiedene Pflanzen auf ihren eigenen Saatmatten angebaut werden. Der Plantcube berechnet mithilfe eines schlauen Algorithmus, welche Idealbedingungen für die Mischung der Pflanzen bestehen und wie der Wachstumsfortschritt aussieht. So können wir Rucola neben Basilikum setzen oder Grünkohl neben Schnittlauch – alles auf einer Lage. Der Algorithmus berechnet die idealen Bewässerungszeiten und das optimale Klima für diesen Mix aus Pflanzen auf den einzelnen Etagen.

Wirtschaftsforum: Der Plantcube kommt somit ganz ohne Erde aus – stattdessen wird die Saatmatte verwendet. Was genau ist der Vorteil an dieser Technik?

Maximilian Lössl: Wir haben aus Sicht des Kunden gedacht. Wir wollten, dass das Gärtnern im eigenen Haus für ihn so einfach und so sauber wie möglich wird. Die meisten Menschen haben keine Lust auf Erde in der Küche, weil es einfach Schmutz macht und Ungeziefer mit sich bringen kann. Dadurch, dass wir das Saatgut bereits in den Matten mitliefern, muss der Kunde nichts mehr reinigen und kann beim nächsten Mal einfach eine neue Saatmatte einlegen.

„Wir haben aus Sicht der Kunden gedacht. Wir wollten, dass das Gärtnern im eigenen Haus für ihn so einfach und so sauber wie möglich wird.“ Maximilian Lössl
Gründer Maximilian Lössl

Wirtschaftsforum: Das Gewächshaus fürs eigene Wohnzimmer kann sich mit einem Kostenpunkt von knapp 3.000 EUR nicht jeder leisten. Hinzu kommen auch die Kosten für die Saatmatten, die ab knapp vier EUR zu haben sind. Warum lohnt es sich trotzdem, das Geld zu investieren?

Maximilian Lössl: Derzeit stehen wir am Anfang mit unserer komplett neuen Technologie und fertigen noch in sehr kleinen Stückzahlen. Dementsprechend ist der Preis derzeit noch hoch. Einen passenden Vergleich liefert das Smartphone: Das besaß früher auch nicht jeder und war damals noch extrem teuer. Tesla hat am Anfang auch nur Sportwagen in geringen Stückzahlen verkauft. Nach und nach wird das dann mehr. So ähnlich ist das bei uns auch. Wir sprechen also am Anfang aufgrund des Preises natürlich nur eine sehr kleine Zielgruppe an. Ziel ist es aber, die Produktion möglichst schnell hoch zu skalieren. Das wird das Gerät auch deutlich günstiger machen.

Der Grund, wieso sich Menschen den Plantcube kaufen, ist zum einen, weil die Produkte darin frischer sind und somit einen deutlich besseren Geschmack und eine höhere Nährstoffdichte haben. Im Schnitt besitzen die Pflanzen 30% mehr Vitamine, Mineralien und Antioxidantien. Das ist allein schon deshalb der Fall, weil die Pflanzen noch leben und somit nicht getötet und anschließend in Plastik verpackt werden, um dann in ungeschützter Atmosphäre irgendwo ungekühlt herumzuliegen. Die Pflanzen sind komplett pestizid- und genmanipulationsfrei. Außerdem besteht eine sehr breite Sortenvielfalt, aus der man auswählen kann. Es gibt viele Sorten, die man im Supermarkt nicht findet – alte, neue, internationale.

Gründer Maximilian Lössl
„Im Schnitt besitzen die Pflanzen 30% mehr Vitamine, Mineralien und Antioxidantien.“ Maximilian Lössl

Vor allem für diejenigen, die sich eher pflanzlich ernähren, ist der Plantcube interessant, weil es in ihrer Ernährung stark darauf ankommt, wo sie ihre Nährstoffe herbekommen. In der Wissenschaft ist man sich heute noch nicht ganz sicher, wie die Nahrungsergänzungsmittel genau wirken und ob das überhaupt der Fall ist. Die Bioverfügbarkeit ist sehr hoch, wenn man eine wirkliche Pflanze oder Gemüse isst.

Wirtschaftsforum: Planen Sie, Agrilution noch weiter auszubauen? Können bald auch weitere Pflanzen neben den Kräutern angebaut werden?

Maximilian Lössl: Ja, absolut. In unserem Labor in München laufen bereits Tests mit verschiedensten Pflanzen wie kleinen Zucchini, Chili und Tomaten. Monat für Monat werden neue Sorten hinzukommen. Wir arbeiten hauptsächlich mit zwergwüchsigen Sorten, die relativ wenig Blattmasse erzeugen und relativ früh Früchte bilden. Das sind Sorten, die man auch in dem kleinen Gerät unterbekommt. Wir werden in Zukunft allerdings auch größere Varianten des Plantcubes anbieten. Das wird allerdings frühestens 2020 so weit sein.

Interview: Aurelia Leppen | Fotos: agrilution GmbH 

Themen: Garten, Gewächshaus, Klimawandel, Kräuter, Pflanzen

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