Aus Forschung wird Wirtschaft: Die GWT-Methode

Interview mit Prof. Dr. Jacques Rohayem, Vorstandssprecher TUDAG Geschäftsführer der GWT-TUD GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Prof. Dr. Rohayem, was genau ist die GWT und welche Rolle spielt sie im Technologietransfer?

Prof. Dr. Jacques Rohayem: Die GWT ist die Gesellschaft für Wissen und Technologietransfer – ein 28 Jahre altes Unternehmen mit 200 Mitarbeitern und rund 25 Millionen EUR Umsatz. Sie ist die 100%ige Tochtergesellschaft der TUDAG und das größte der rund 40 Unternehmen in dieser Holding. Die GWT fungiert als Schnittstelle zwischen Forschungseinrichtungen wie der TU Dresden und Industrieunternehmen. Wenn große Konzerne wie die Deutsche Bahn, BASF, Siemens oder Rheinmetall eine technologische Fragestellung haben, schließen sie einen Vertrag mit der GWT. Wir suchen dann den passenden Experten an Universitäten wie der TU Dresden, TU Berlin oder RWTH Aachen, der diese Fragestellung als freier Mitarbeiter für uns bearbeitet.

Wirtschaftsforum: Wie läuft ein typisches GWT-Projekt ab?

Prof. Dr. Jacques Rohayem: Die GWT ist der Vertragspartner für die Industriekunden. Wir übernehmen die Projektverantwortung und suchen den richtigen Experten – meist einen Professor, der in Nebentätigkeit für uns arbeitet. Der Experte bearbeitet dann die Fragestellung und liefert einen Bericht oder entwickelt einen Prototyp. Die GWT übergibt das Ergebnis an den Auftraggeber und erhält dafür eine Vergütung. Ein Beispiel: Wir haben für einen Konzern eine Untersuchung zur Belastung ihrer Mitarbeiter durchgeführt. Dafür haben wir eine klinische Psychologin als freie Mitarbeiterin engagiert, die einen entsprechenden Bericht erstellt hat.

Wirtschaftsforum: Wo liegen die Stärken der GWT?

Prof. Dr. Jacques Rohayem: Unsere Stärke liegt in der Vermittlung von hochinnovativen Ansätzen. Wir entwickeln keine Gadgets, sondern Technologien und Wissen, die einen echten Unterschied in der Wirtschaft machen. Ein Beispiel: In einem unserer Innovationszentren wurde ein Verfahren entwickelt, das Spannstahlbrücken per Sensor flächendeckend auf Korrosion prüft. Solche Innovationen sind unser Mehrwert.

Wirtschaftsforum: Mit welchen Herausforderungen ist die GWT derzeit konfrontiert?

Prof. Dr. Jacques Rohayem: Eine große Herausforderung ist der demografische Wandel. Wir haben schlicht nicht mehr genug Experten, um alle Anfragen zu bedienen. Große Bauunternehmen kommen auf uns zu, weil 500 Milliarden EUR für Infrastrukturprojekte in Deutschland investiert werden sollen, aber wir finden kaum Fachleute, die diese Projekte betreuen können. Die Professoren, die für uns arbeiten, haben zudem wenig Zeit – sie leiten Institute, lehren und forschen. Wir überlegen, ob wir künftig auch Experten aus Nachbarländern wie Polen oder Tschechien einbeziehen sollten.

Wirtschaftsforum: Welche weiteren Geschäftsfelder gibt es neben der GWT im TUDAG-Verbund?

Prof. Dr. Jacques Rohayem: Die TUDAG ist in drei Ressorts organisiert: Technologietransfer, wofür die GWT und ihre Tochterunternehmen HZDRI und GMIHO stehen, Beteiligungen an Start-ups und Wissenstransfer. Im Wissenstransferbereich betreiben wir unter anderem die Dresden International University (DIU), eine private Hochschule mit 2.000 Studierenden, die Weiterbildungsprogramme anbietet. Außerdem haben wir die EIPOS, die Weiterbildung im Bauwesen anbietet, und TUDIAS. Sie ist ein Sprachinstitut und bietet ein Studienkolleg für die TU Dresden an.

Wirtschaftsforum: Wie hat sich das Geschäftsmodell der GWT seit Corona verändert?

Prof. Dr. Jacques Rohayem: Die gesamte Einstellung zur Innovation hat sich verändert. Wir sehen heute deutlich weniger Ausgründungswillige aus den Universitäten. Die junge Generation legt mehr Wert auf Work-Life-Balance und ist weniger bereit, das Risiko einer Unternehmensgründung auf sich zu nehmen. Zugleich wird das regulatorische Umfeld in Deutschland immer komplexer – zu viele Vorschriften machen es Start-ups schwer. Im Wissens-
transfer beobachten wir, dass sich Wissen sehr viel schneller wandelt. Die Kernfrage lautet heute: Welches Wissen ist relevant und wer ist bereit, dafür zu bezahlen?

Wirtschaftsforum: Wie sieht die Zukunftsvision der GWT aus?

Prof. Dr. Jacques Rohayem: Unsere Mission ist, Sachsen wieder zu dem zu machen, was es historisch war: ein Land der Erfinder und innovativen Unternehmen. Die Reflexkamera, Odol und der Melitta-Kaffeefilter – all das sind sächsische Erfindungen. Heute entsteht in Dresden der erste europäische Hub für Halbleiterproduktion, und in Görlitz wird das Deutsche Zentrum für Astrophysik mit dem Einstein-Teleskop gebaut. Die GWT unterstützt diese Entwicklung, indem sie Wissenschaft und Wirtschaft zusammenbringt. Sachsen hat keine Bodenschätze – unser Kapital ist das Wissen. Die GWT macht, wie ich immer sage, „aus Ideen Geld“. Dabei müssen wir allerdings auch ethische Fragen berücksichtigen, denn nicht jede Innovation dient dem Fortschritt – manche dienen leider auch der Zerstörung.

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