Die Letzten werden die Ersten sein

Interview mit Torsten Thaler und Heiko Krenn, Geschäftsführer der Fritz Thaler jun. GmbH

Seit 600 Jahren prägt das Klingen- und Metallhandwerk die Stadt Solingen und ihre Menschen. Im 14. Jahrhundert entwickelte sich Solingen zu einem Zentrum der Klingenherstellung. In den Bach- und Flusstälern entstanden Kotten als Arbeitsstätten der Schleifer. Heute gehen in der Klingenstadt Tradition und Moderne Hand in Hand. Das zeigt beispielhaft die Entwicklung der Fritz Thaler jun. GmbH. 

Ein Handwerk mit langer Tradition

Fritz Thaler wurde in den 1910er-Jahren gegründet – vom Urgroßvater des heutigen Geschäftsführers Torsten Thaler, der das Familienunternehmen gemeinsam mit Heiko Krenn leitet. „Bürstenmacher sind selten geworden“, sagt Torsten Thaler. „Solingen war früher mit 40 Bürstenmachern eine Hochburg. Sie belieferten damals die Kotten mit Werkzeugen, verschwanden jedoch zunehmend im Zuge der industriellen Revolution und Automatisierung.Heute sind wir in Solingen die letzten Bürstenmacher.“ Torsten Thalers Großvater war der Letzte, der noch traditionelle Bürsten herstellte. Als er erkannte, dass diese immer weniger gefragt waren, begann er mit der Herstellung von Drahtbürsten zum Entgraten von Metallteilen; der Ford-Konzern in Köln zählte zu den treuen Kunden.

Neue Zeiten

Der Umschwung hin zur Industriebürste war eine Zäsur in der Thaler-Geschichte – und wurde von der folgenden Generation weiter forciert. „Als mein Vater und meine Tante das Unternehmen übernahmen, stellten sie die Weichen neu“, sagt Torsten Thaler. „Durch weitsichtige Investitionen machten sie das Unternehmen wettbewerbsfähig, steigerten Effizienz und Produktion, sodass wir heute ein gefragter Partner für technische Bürsten in allen Varianten sind und einen Großteil der Automobilindustrie, Zulieferer, Unternehmen aus Maschinenbau, Elektrotechnik, Medizintechnik, Handel und Handwerk beliefern. Gemeinsam mit den Kunden entwickeln wir Bürsten für ihre speziellen Anforderungen.“ 

Moderne Manufaktur 

Fritz Thaler ist breit aufgestellt, das Portfolio umfasst unterschiedlichste Produkte von Rundbürsten, Entgratmaschinenbürsten, Topf- und Kegelbürsten hin zu Schaftbürsten, Zylinderbürsten, Streifen- und Spiralbürsten und gestanzten Teller-, Leisten- und Rundbürsten. Sie dienen der Entgratung, Entlackung und Reinigung sowie dem Strukturieren, Polieren, Abdichten, Fegen und der Gestaltung verschiedener Oberflächen. Rund 90.000 verschieden Bürsten sind in der EDV der Solinger gelistet, jedes Jahr kommen rund 300 neue Produkte hinzu. „Entscheidend ist, am Puls der Zeit zu bleiben und unsere Bürsten anzupassen“, sagt Geschäftsführer Heiko Krenn. „Deshalb arbeiten wir mit immer neuen Materialien und Fertigungsverfahren, beherrschen aber nach wie vor das traditionelle Handwerk. Damit sind wir nicht der richtige Partner für Massenprodukte, sondern für maßgeschneiderte Lösungen von einem bis 10.000 Stück.“ Um Kunden schnell zu beliefern, setzt Fritz Thaler auf ein großes Materiallager – das Bürstenlager ist dagegen klein. „Kunden schätzen unsere Reaktionsfähigkeit“, betont Torsten Thaler. „Wir arbeiten weniger mit CNC-Automaten als vielmehr wie eine Manufaktur, in der viele händische Prozesse gefragt sind. Dank dieser Ausrichtung können wir Kunden in der Regel innerhalb von zwei bis drei Tagen weiterhelfen, schnell und kostengünstig.“

Je länger, je lieber

60 Mitarbeiter sind für Fritz Thaler jun. tätig, viele davon seit etlichen Jahren. Die Fluktuation ist gering. „Wir feiern regelmäßig 25-jährige Jubiläen“, sagt Torsten Thaler. „Als Familienunternehmen ist uns die lange Firmenzugehörigkeit sehr wichtig. Je länger die Mitarbeiter bei uns sind, umso mehr Know-how und Erfahrung haben sie.“ Dieses Know-how kommt Kunden in ganz Europa zugute; Fritz Thaler jun. geht mit den Kunden mit – und mit der Zeit. „In Zeiten der Transformation der Wirtschaft, der Entwicklung weg vom klassischen Verbrennermotor hin zum Einsatz regenerativer Energien ist es wichtig, Chancen zu sehen und zu nutzen“, unterstreicht Heiko Krenn. „Wir sitzen mit im Boot und entwickeln gemeinsam mit unseren Kunden. Den Wandel der Zeit sehen wir nicht als Bedrohung, wir sehen eher die damit verbundenen neuen Möglichkeiten und Perspektiven. In der Automobilindustrie gibt es ganz neue Bearbeitungsaufgaben, die gelöst werden müssen und für die unsere Kompetenz gefragt ist. Auch in der Medizintechnik stellen sich neue Anforderungen an Bürsten.“ Optimistisch kann man bei Fritz Thaler jun. auch bleiben, weil die nächste Generation der Familien Thaler und Krenn bereits in den Startlöchern steht und es auch bei den Mitarbeitern erfahrene Kräfte mit entsprechenden Fähigkeiten gibt, die Interesse haben, mehr Verantwortung zu übernehmen – und denen die Geschäftsführung dies auch zutraut, wie Torsten Thaler betont. Der letzte Solinger Bürstenmacher wird damit auch in Zukunft Handwerk und Moderne erfolgreich verbinden, auf der Höhe des Marktes und in enger Abstimmung mit den Kunden agieren. 

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