Was echte Nachhaltigkeit ausmacht

Interview mit Jürgen Pfitzer, Geschäftsführender Gesellschafter der TECNARO GmbH

TECNARO ist auf die Entwicklung und Produktion von Biokunststoffen für industrielle Anwendungen spezialisiert. Der Firmenname bedeutet TEChnologien für die industrielle Nutzung von NAchwachsenden ROhstoffen in der Kunststoffverarbeitung. Das Produktportfolio umfasst derzeit drei innovative, nachhaltige Werkstofffamilien mit insgesamt mehr als 4.500 individuellen Rezepturen: ARBOFORM®, ARBOFILL® und ARBOBLEND®. „ARBOFORM® besteht zu 100% aus nachwachsenden Rohstoffen und ist biologisch abbaubar“, erklärt Jürgen Pfitzer, einer von zwei geschäftsführenden Gesellschaftern und Gründern des auf Nachhaltigkeit fokussierten Unternehmens. Der andere ist Helmut Nägele.

„Wir sind 1996 zeitgleich an das Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie gekommen und haben an den Themen Kunststofftechnik und Nachhaltigkeit gearbeitet. Wir sind dann mit dem Holzbestandteil Lignin in Berührung gekommen und haben ein Projekt für nachwachsende Rohstoffe in der Kunststofftechnik entwickelt. Neben Cellulose ist Lignin der verfügbarste Rohstoff auf der Erde; dementsprechend viele Projekte gab es, allerdings noch keines mit Lignin in der Kunststofftechnik. 1998 haben wir die ersten Werkstoffe mit neuem Eigenschaftsprofil entwickelt und die TECNARO gegründet.“

TECNARO GmbH
„Mit unseren Rohstoffen ist alles möglich und es kostet nicht die Welt.“ Jürgen PfitzerGeschäftsführender Gesellschafter

Flüssiges Holz

ARBOFORM® – auch flüssiges Holz genannt – besteht aus Lignin, Naturfasern wie Flachs oder Hanf und natürlichen Additiven. Dieser Faserverbundwerkstoff wird dann mit Kunststoffspritzgießmaschinen zu beliebigen Formteilen verarbeitet. Neben ARBOFORM® produziert TECNARO ARBOFILL®-Compounds, die Kunststoffe mit nachwachsenden Rohstoffen kombinieren, und ARBOBLEND®-Biopolymere mit einer großen Bandbreite an Materialarten und Eigenschaftsprofilen. Die Polymere sind dabei bis zu 100% biologisch abbaubar, ideal zum Beispiel für Pflanzhilfen oder Urnen. „Die Bestattungsindustrie arbeitet mittlerweile ausschließlich mit Urnen, die aus unseren Werkstoffgranulaten hergestellt werden“, erläutert Jürgen Pfitzer. „Unser Produkt ist immer Granulat.“

Weitere Anwendungsbeispiele für die Biogranulate aus dem baden-württembergischen Ilsfeld sind HABA Babyspielzeug, der UHU-Klebestift ReNATURE, die EcoLine des Schreibartikelherstellers edding, Kleiderbügel, die sich in allen europäischen Benetton-Läden finden, Gucci-Damenschuhe, das Mehrwegbecher-Pfandsystem Hannoccino in Hannover oder die erste Bierkiste, die komplett aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wurde. „Bei TERRACAPS und My Coffee Cup Bio-Kaffeekapseln werden unsere Werkstoffe nicht nur wegen der sehr guten Kompostierbarkeit eingesetzt, sondern auch wegen der höheren Sauerstoffbarriere als bei Kunststoffen, sodass eine längere Haltbarkeit gewährleistet ist“, so Jürgen Pfitzer.

Galerie | TECNARO GmbH

Kunststoff zu billig

Mit seinen Biokunststoffen bietet TECNARO eine umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen Kunststoffen und Einwegplastik. „Unsere Rohstoffe sind teurer als Kunststoff, aber nur weil Kunststoff viel zu billig ist“, meint Jürgen Pfitzer. „Die Risiken tragen Sie und ich und die Allgemeinheit. Wenn man das ordentlich bilanzieren und alle Kosten mit einbeziehen würde, dann wäre Kunststoff teuer wie Gold.“ Doch der Erfolg mit immer mehr Produkten, in denen sich die Biokunststoffgranulate von TECNARO finden, zeigt, dass man auf dem richtigen Weg ist.

„Wir versuchen, Neugier bei den Herstellern zu erzielen, indem wir die Eigenschaften unserer Werkstoffe herausarbeiten, und suchen uns so früh wie möglich Projektpartner“, erklärt Jürgen Pfitzer. „Wir haben 21 Jahre Forschung und Entwicklung als Erfahrungsschatz und investieren noch heute jeden EUR in das Unternehmen. Wir werden wachsen, größer werden und unseren Beitrag leisten, weil wir denken, dass wir wissen, wie es richtig geht. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, in 30 Jahren sämtliche Kunststoffe auf Basis von Erdöl durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt zu haben.“

Mehr zum Thema Energie & Umwelt

Glänzende Aussichten für die  Metallverarbeitung

Interview mit Alexander Döring, Geschäftsführer der OTTO FUCHS Dülken GmbH & Co. KG

Glänzende Aussichten für die Metallverarbeitung

Ob Automobilbau, Bauwesen oder Energietechnik – erst durch präzise gefertigte Metallbauteile entstehen langlebige, sichere und leistungsfähige Produkte für den Alltag und die Zukunft. Seit über 80 Jahren steht die OTTO…

Mit Leichtigkeit in die Zukunft

Interview mit Hinrich Hampe, Head of Governmental Affairs der Teijin Carbon Europe GmbH

Mit Leichtigkeit in die Zukunft

Carbonfasern haben viele Vorteile. Einer ist ihr geringes Gewicht. In der Entwicklung dieses Hightechmaterials steckt viel Know-how. Dieses ist in Deutschland nur bei der Teijin Carbon Europe GmbH mit Sitz…

Zukunft aus Holz bauen

Interview mit Georg Nef, Geschäftsführer der Vögeli Holzbau AG

Zukunft aus Holz bauen

Holz ist einer der ältesten Baustoffe – und aktueller denn je. Als nachwachsender Rohstoff verbindet er Nachhaltigkeit mit moderner Technik und präziser Vorfertigung. Ob historische Sanierung oder mehrgeschossiger Wohnungsbau: Holzbau…

Spannendes aus der Region Landkreis Heilbronn

Bauteile, die den Unterschied spürbar machen

Interview mit Philipp Bentzinger, geschäftsführender Gesellschafter der H+E Gruppe

Bauteile, die den Unterschied spürbar machen

Die Automobilindustrie befindet sich im größten Wandel ihrer Geschichte. Neue Antriebskonzepte, kürzere Modellzyklen und der steigende Stellenwert des Innenraums fordern Zulieferer heraus, flexibel und innovativ zu agieren. Die H+E Gruppe…

„In unserer Branche darf man kein Autoverkäufer sein!“

Interview mit Pascal Stephan, Verkaufsleiter der Mechatronik GmbH

„In unserer Branche darf man kein Autoverkäufer sein!“

Bei den Fahrzeugen, die die Mechatronik GmbH wartet, umbaut und vertreibt, geht es schnell um Millionenbeträge, bisweilen sogar im zweistelligen Bereich. Das setzt nicht nur technischen Sachverstand, sondern auch ein…

Die unsichtbaren Helfer der Industrie

Interview mit Dr. Aaron Geenen, CEO der EFS Gesellschaft für Hebe- und Handhabungstechnik mbH

Die unsichtbaren Helfer der Industrie

Ob in der Automobilproduktion, in der Luft- und Raumfahrt oder im Gesundheitswesen: Überall dort, wo schwere Lasten bewegt, Bauteile präzise positioniert oder ergonomische Arbeitsplätze gestaltet werden müssen, kommt moderne Handhabungstechnik…

Das könnte Sie auch interessieren

„Nachhaltigkeit ist kein Luxus,  sondern eine Notwendigkeit“

Interview mit Hartmut Schoon, CEO der Enneatech AG

„Nachhaltigkeit ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit“

Die Recyclingbranche steht vor einer enormen Herausforderung: Wie lässt sich Kunststoff nachhaltig wiederverwerten, ohne auf Qualität zu verzichten? Die Enneatech AG aus Ostfriesland hat sich dieser Frage gestellt – und…

Vom Stall bis zur Wallbox – Energie intelligent nutzen

Interview mit Dipl.-Ing. Andreas Kulke, Gründer und Geschäftsführer der alcona Automation GmbH

Vom Stall bis zur Wallbox – Energie intelligent nutzen

Die Landwirtschaft steht unter Druck – wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich. Gleichzeitig boomt die Elektromobilität, und auch die Energiewende verlangt nach innovativen Lösungen. Genau an diesen Schnittstellen positioniert sich die alcona…

Wenn Innovation Gewicht spart

Interview mit Marnie Tietje, Leiterin Vertrieb der SOMMER GmbH

Wenn Innovation Gewicht spart

Der Fahrzeugbau verändert sich rasant: Leichtbau, Nachhaltigkeit und flexible Lösungen sind heute gefragter denn je. Ein Unternehmen, das diese Entwicklung seit Jahren prägt, ist die SOMMER GmbH aus Laucha an…

TOP