Maschinen, Anlagen und Automatisierung
Interview

„Bereits 1936 hat der Gründer des Unternehmens, Hans Lingl, sein erstes Patent ‘Vorrichtung zum Engobieren von Dachziegeln’ im Alter von 26 Jahren erwirkt. Nur zwei Jahre später kam dann schon die Gründung der bis heute bestehenden Firma. Die erste Maschine damals wurde dann auch für das Engobieren von Dachziegeln verwendet und fand großen Anklang“, blickt Hugo Schneider auf die Anfänge der jetzt weltweit agierenden Firma zurück.
Seit der Gründung in den 1930er-Jahren hat sich einiges getan: „1958 ging der erste Lingl-Tunnelofen mit neuartiger Hängedecke in Betrieb. Und drei Jahre später hatte unser Gründer bereits Geschäftskontakte von Saudi-Arabien bis nach China geschaffen“, so der jetzige Geschäftsführer.
Die lange Unternehmensgeschichte ist geprägt von vielen Weiterentwicklungen, Gründungen von Tochtergesellschaften und Exportrekorden. Doch wie bei jedem mit Leidenschaft geführten Unternehmen klappt nicht alles auf Anhieb.
„Als ich 2013 ins Unternehmen kam, war es in einer starken Krise. Letztendlich entschieden sich die Gesellschafter für ein Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung. Dieses Verfahren haben wir erfolgreich gemeistert“, erläutert Hugo Schneider stolz, „und schließen es bis Ende April 2019 ab. Unser Ziel war es, neue Strategien zu entwickeln. Und das ist uns auch gelungen.“
Das beweist auch das professionelle und breit gefächerte Leistungsspektrum des Unternehmens: Die bisherige Kernkompetenz ist der Anlagenbau für die Herstellung von Grobkeramik, also insbesondere von Ziegelsteinen und Dachziegeln. Hierfür liefert Lingl individuell gefertigte Maschinen und Anlagen in die ganze Welt. Auch im Bereich der technischen Keramik ist das Unternehmen eine nicht mehr wegzudenkende Größe am Markt.
„Die Technische Keramik umfasst ein weites Feld von Anwendungen und Produkten aus dem Hightech-Werkstoff Keramik. Dies sind beispielsweise keramische Katalysatoren, Filter, Isolatoren oder keramische Prothetik. Lingl bietet für verschiedenste Anwendungsfälle in der technischen Keramik die passende Lösung an“, erläutert der Geschäftsführer.
Doch das Unternehmen ruht sich nicht auf den bisherigen Leistungen aus. Wenn Markt und Kundenpräferenzen sich verändern, passt sich Lingl an: „Der Markt der Grobkeramik wird sich meines Erachtens in den nächsten Jahren reduzieren. Dem entziehen wir uns durch eine neue, diversifizierte Aufstellung – nämlich auf den Anlagenbau für Technische Keramik und Sanitärkeramik. Und wir haben die Firma SMB dazugekauft, ein Maschinenbauer für die Holzindustrie. Dieses Unternehmen verfügt über Spezial-Know-how, das wir nutzen werden, um einen schnelleren Markteintritt in die Holzindustrie zu bekommen. Denn die Holzbranche boomt. SMB passt hervorragend zu uns, weil die Firma bereits 40 Jahre am Markt besteht. Unsere Wertschöpfungsketten sind nahezu identisch, daher ergeben sich erhebliche Synergien – und für uns natürlich auch neue Kunden. Die Robotertechnik ist in der Holzindustrie noch nicht so verbreitet. Lingl hat diese Technik“, erklärt Hugo Schneider.
Automatisierung und Robotertechnik sind die Stichworte mit hoher Relevanz für die Branche. Genau hier steigt auch Lingl mit ein. „Im Anlagenbau für Grobkeramik hat Lingl umfangreiche Kompetenzen im Bereich Robotik und Automatisierung erworben und wird diese über die neu erworbene Firma auch in den Anlagenbau für die holzverarbeitende Industrie transferieren.“
So schafft es das Unternehmen, sowohl an der eigenen Pole Position festzuhalten, als auch dank Innovationskraft und Branchenkenntnis die aufkommenden Kundenanforderungen zu bedienen.

„Das Leitmotto unseres Unternehmens lautet: Das Gute ist nie gut genug!“ Hugo SchneiderGeschäftsführer
Weltweit aktiv
Doch nicht nur in Sachen Produktportfolio und Services tut sich etwas bei Lingl – auch im Bereich Export ist das Unternehmen aktiv und wandlungsfähig: „Unsere Anlagen bedeuten für unsere Kunden stets Großinvestitionen. 80% unserer Anlagen werden exportiert. Bevor der geopolitische Wandel stattgefunden hat, hatten wir sogar Exportquoten von mehr als 90%. Die Märkte in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in Benelux waren von etwa 2007 bis 2015 eher zögerlich und zurückhaltend, dagegen waren Saudi-Arabien, Russland und China stark. Heute ist es faktisch umgekehrt, denn unsere heutigen Hauptauftraggeber sind im deutschsprachigen Raum sowie in den Niederlanden und Belgien zu finden. In Saudi-Arabien dagegen herrscht quasi ein Investitionsstop und der dortige Markt droht zu implodieren. Russland würde gern investieren, wenn da nicht das Problem des schwachen Rubel wäre. Und auch China hat so seine Probleme und Großbritannien ist wegen des Brexit sehr verhalten. Der Weltmarkt ist also insgesamt derzeit sehr volatil. Darauf mussten wir reagieren mit einer eigenen Strategie.“
Die Zahlen zeigen, dass diese Strategie funktioniert: Mehr als 100 Millionen EUR konnte das Unternehmen in der Vergangenheit verzeichnen. Ein wichtiger Faktor dabei sind die gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
„Wir bei Lingl beschäftigen selbst mehr als 60 Ingenieure. Tatsächlich ist für uns der Fachkräftemangel bisher nie ein Problem gewesen. Dank einer eigenen Ausbildung und der Möglichkeit für ein duales Studium generieren wir viel eigenen Nachwuchs. Aktuell beschäftigen wir beispielsweise 43 Auszubildende“, führt der Geschäftsführer an.
Um sich vom Wettbewerb abzugrenzen, bietet das Unternehmen nicht nur seine Expertise in Automatisierung und Robotik oder auch die Fertigung kompletter Werksanlagen an. 2018 werde man eine eigene Gesellschaft für Innovation, Forschung und Entwicklung gründen, als gruppeninternen Dienstleister, so Hugo Schneider. So bleibt das Unternehmen auch in Zukunft für alle Anforderungen gerüstet, denn: „Spannend für alle Exporteure wird natürlich sein, wie die Märkte sich in den nächsten zwölf Monaten verändern.“