Menschliche und künstliche Intelligenz im OP

Interview mit Thomas Wollesky, CEO und Inhaber der ACL GmbH

Die Gründung von ACL im Jahr 1997 hatte eine Vorgeschichte, erzählt CEO und Inhaber Thomas Wollesky: „Der Gründer Dr. Holger Noffz hatte einen Computerladen und dadurch Kontakt zu Arztpraxen und zur Uniklinik Leipzig. Diese erhielt 1993 ein neues Software-System und trat damit in das Spannungsfeld zwischen Medizintechnik und Informatik ein. Die Hardware musste speziellen Anforderungen genügen. Zum Beispiel möchte man in einer sterilen Umgebung keine für PCs notwendigen Lüfter haben. Deshalb trat die Uniklinik an uns heran und fragte nach einer Hardwareentwicklung.“

ACL hatte nicht nur eine Lösung, sondern beschäftigte sich fortan mit der Entwicklung, Konstruktion und Zeichnung sowie der Produktion von PCs für den hygienisch kritischen Bereich wie Intensivstationen und Operationssäle. Durch diese Spezialisierung unterscheidet sich ACL heute vom Wettbewerb. Und der Bedarf steigt im Zuge der zunehmenden Digitalisierung des medizinischen Bereichs.

„Wir haben eine eigene Marke und bauen auch für andere. Inzwischen sind wir zu 40% Zulieferer für große Medizintechnik-Firmen“, berichtet Thomas Wollesky, der seit zehn Jahren im Unternehmen ist und ursprünglich aus dem Software-Bereich kommt. Seit der Fertigstellung des eigenen Werkes in Markkleeberg 2013 erfolgen alle Produktionsschritte vor Ort; nur ausgewählte Komponenten wie Displays werden noch zugekauft. „Diese hohe Fertigungstiefe hat bei medizinischen PCs sonst niemand in Europa“, betont der CEO.

Maßgeschneidert oder von der Stange – eine Frage von Qualität und Preis

Dem Produktionsstandort Deutschland will das 70-köpfige Unternehmen, das weitere Niederlassungen in Hongkong und New York betreibt, in jedem Fall treu bleiben. Der Umsatz wächst jedes Jahr zweistellig – auch in der Corona-Zeit – und betrug zuletzt 14 Millionen EUR.

„Am Anfang der Pandemie hatten wir hohe Auftragseingänge, vor allem aus Deutschland. Andere Länder sind weggebrochen. Aktuell verzeichnen wir Auftragszuwächse, aber die Lieferketten, etwa für Halbleiter, sind gestört“, sagt Thomas Wollesky. Er verweist auch auf den preisgetriebenen Wettbewerb mit asiatischen Unternehmen. „Man muss unterscheiden, ob man eine maßgeschneiderte Lösung mit gutem Service und Langlebigkeit möchte, oder etwas Preiswertes von der Stange.“

ACL steht für die erste Variante: Jeder PC wird nach den Bedürfnissen und Wünschen des Kunden maßgeschneidert. „Die hohe Qualität, Individualisierung und Langlebigkeit der Produkte sind unsere USPs“, betont der CEO. Einen großen Erfolgsfaktor sieht er darin, dass Kundenwünsche dank der eigenen Entwicklung und Fertigung schnell umgesetzt werden können.

„Unsere hohe Fertigungstiefe hat bei medizinischen PCs niemand in Europa.“ Thomas WolleskyCEO und Inhaber
Thomas Wollesky

Zu den Kunden von ACL gehören 27 der 36 deutschen Unikliniken, das AKH als zweitgrößtes Krankenhaus Österreichs und der Medizintechnikhersteller Dräger. „Für Dräger fertigen wir komplette Geräte nach Wunsch, von der Zeichnung bis zur finalen Klassifizierung.“ Die Nachfrage großer Medizintechnikhersteller nehme zu, erzählt er.

Mit eigener Ausbildung gegen Fachkräftemangel

Mit fortschreitender Digitalisierung verändern sich auch die Ansprüche im medizinischen Bereich. „Aktuelle Themen unserer Kunden sind zum Beispiel Sprachsteuerung, KI, Webcams, 4K-Bilddarstellung oder kabellose Telemedizin“, berichtet Thomas Wollesky. Die Zeiten wandeln sich auch im Hinblick auf die Vermarktung. Während in der Vergangenheit Kaltakquise in Kliniken an der Tagesordnung war, hat sich ACL inzwischen auf Messen – MEDICA in Düsseldorf sowie alle großen Leitmessen im arabischen Raum, Amerika und China – sowie Kongresse fokussiert.

Auch das Online-Marketing werde immer wichtiger, hebt Thomas Wollesky hervor. Ein Drittel seines Umsatzes erzielt das Unternehmen in der DACH-Region. Aktuell hat der CEO ein Auge auf Thailand geworfen – „ein interessanter Markt“, findet er, Bei all der positiven Entwicklung bleibt ein Problem: „Der Fachkräftemangel. Der ist ein großes Thema. Glücklicherweise ist Leipzig eine Universitätsstadt. Dadurch ist der Zuzug hier vergleichsweise hoch. Wir werden aber auch anfangen, selbst auszubilden, um uns unseren Nachwuchs heranzuziehen.“

Die Nachfrage steigt

Ab diesem Jahr steht ein Anbau zur Erweiterung der Produktion an. „Die amerikanische Niederlassung, die erst im Januar 2020 gegründet wurde, werden wir jetzt ausbauen, um unsere Produkte verstärkt lokal in Amerika platzieren zu können“, kündigt Thomas Wollesky an. Außerdem arbeite man an neuen Produkten mit künstlicher Intelligenz in den Bereichen Visualisierung und Robotik, die im OP eingesetzt werden. Die Zukunftsperspektiven sieht der CEO positiv: „Der Bedarf am Markt nach unseren Produkten steigt. Wir haben einen Plan bis 2024 erarbeitet. Mit vergrößerter Produktion wollen wir weiter zweistellig wachsen.“

ACL wird sich treu bleiben und den eingeschlagenen Weg weiter gehen: „Wir werden in unserem Kernmarkt bleiben und uns auf unsere Kernkompetenzen Qualität, Individualisierung und Langlebigkeit konzentrieren. Als Hersteller in einer Nische sind wir sehr erfolgreich und eines der letzten wenigen Unternehmen auf diesem Gebiet. Damit setzen wir uns gegen die großen Hersteller durch“, macht Thomas Wollesky deutlich.

Mehr zum Thema Gesundheit, Medizin & Pharma

Neue Hüfte, neues Knie: Mobilität bis ins hohe Alter

Interview mit Florian Hoffmann, Geschäftsführer der implantcast GmbH

Neue Hüfte, neues Knie: Mobilität bis ins hohe Alter

Die implantcast GmbH aus Buxtehude zählt zu den führenden Herstellern von Endoprothesen und Sonderimplantaten. Seit der Gründung im Jahr 1988 hat sich das Unternehmen zu einem international tätigen Medizintechnik-Spezialisten mit…

Der unsichtbare Marktführer

Interview mit Serdar Baysan, Geschäftsführer der German Special Alloys GmbH

Der unsichtbare Marktführer

In Willich entsteht, was in Milliarden Mündern weltweit steckt: Speziallegierungen für Zahnersatz. Serdar Baysan, Geschäftsführer der German Special Alloys GmbH, hat sein Unternehmen an die Spitze des europäischen Marktes geführt.…

Global lehren, lokal entwickeln

Interview mit Stefan Wisbauer, Geschäftsführer der Lecturio GmbH

Global lehren, lokal entwickeln

Mit dem gravierenden Fachkräftemangel einerseits und der Notwendigkeit, praktische Fähigkeiten effizient zu vermitteln andererseits steht die Ausbildung im Medizinbereich vor enormen Herausforderungen. Die Lecturio GmbH mit Sitz in Leipzig hat…

Spannendes aus der Region Landkreis Leipzig

„Der Name erzählt unsere Geschichte“

Interview mit Patrik Albus, Geschäftsführer der AVI.DAT Software & Technology GmbH

„Der Name erzählt unsere Geschichte“

Ihre Anfänge liegen im Rundfunkbereich und dafür schlägt das Herz der AVI.DAT Software & Technology GmbH auch immer noch – wenn auch anders als früher. Das Leipziger Unternehmen hat mit…

„Die Migration in die Cloud ist meist einfacher als gedacht!“

Interview mit Berkan Denkci, VP of Sales Central Europe der Enghouse AG

„Die Migration in die Cloud ist meist einfacher als gedacht!“

„Unsere zentrale Vision besteht darin, in unserem Segment stets die aktuellsten Lösungen anzubieten, die dem Marktstandard entsprechen“, fasst Berkan Denkci, VP of Sales Central Europe der Enghouse AG, die Mission…

Global lehren, lokal entwickeln

Interview mit Stefan Wisbauer, Geschäftsführer der Lecturio GmbH

Global lehren, lokal entwickeln

Mit dem gravierenden Fachkräftemangel einerseits und der Notwendigkeit, praktische Fähigkeiten effizient zu vermitteln andererseits steht die Ausbildung im Medizinbereich vor enormen Herausforderungen. Die Lecturio GmbH mit Sitz in Leipzig hat…

Das könnte Sie auch interessieren

Sicherheit in Reinform

Interview mit Dr. Simon Dietz, Geschäftsführer der GfPS mbH

Sicherheit in Reinform

„Love it, change it or leave it.“ Dieses von Henry Ford stammende Zitat ist für Dr. Simon Dietz, Geschäftsführer der GfPS mbH aus Aachen, ein wichtiger Leitspruch. In dem auf…

Brücken bauen mit Molekülen

Interview mit Dr. Oliver Seidelmann, Geschäftsführer der ChiroBlock GmbH

Brücken bauen mit Molekülen

Innovative Chemie ist der Schlüssel für viele Zukunftsfragen – von nachhaltigen Produktionsmethoden bis hin zu medizinischen Lösungen. Mitten im Chemiepark Wolfen hat sich die ChiroBlock GmbH seit 1999 zu einem…

Das Glasfasernetz immer im Blick

Interview mit Ralph Kosztovits, Geschäftsführer der JO Software Engineering GmbH

Das Glasfasernetz immer im Blick

Mit cableScout® bietet die JO Software Engineering GmbH eine Softwarelösung an, auf deren Basis sich Glasfasernetze effizient verwalten und rund um die Uhr schützen lassen: Themen, die gerade angesichts des…

TOP