Wichtiges Bindeglied der Wirtschaft: Die Ersatzteillogistik

Ersatzteillogistik

Wie kommt die Ware so schnell wie möglich zum Kunden?

Der sogenannten Ersatzteillogistik die als ein Teil der Distributionslogistik angesehen wird, kommt dabei eine ständig wachsende Bedeutung zu. Um eine reibungslose Ersatzteillogistik zu gewährleisten, bedarf es – auch vor dem Hintergrund von Industrie 4.0, mehr und mehr einer intelligenten Strategie. Fragen und Probleme, die sich daraus ergeben, betreffen zum Beispiel die Anzahl der benötigten Ersatzteile und wo diese gelagert werden. Auch über die Schnelligkeit von Lieferungen müssen sich Hersteller und Abnehmer Gedanken machen. Hinzu kommt die Problematik einer ausgewogene Balance zwischen Kapitalbindung und Lagerwirtschaft: Händler, die zu viele Ersatzteile erwerben und lagern, riskieren eine hohe Kapitalbindung, wenn diese nicht benötigt werden und quasi als Ladenhüter verstauben. Für Hersteller und eine Gratwanderung zwischen Wirtschaftlichkeit auf der einen Seite und Service auf der anderen. Allein aus diesem Grund gehört die Ersatzteillogistik zu den anspruchsvollsten Bereichen innerhalb logistischer Prozesse. Das gilt für Industrie und Produktion genauso wie für den sogenannten After Sales-Bereich.

Hersteller und Abnehmer verfolgen unterschiedliche Ziele

Während die Aufgabe der Ersatzteillogistik beim Hersteller darin liegt, durch effiziente logistische Prozesse Abnehmer an das Unternehmen zu binden und neue Kunden zu gewinnen, liegt das Ziel der Ersatzteillogistik beim Abnehmer in erster Linie auf der Beschaffung und dem Einsatz der Komponenten, um Betriebsmittel instand zu halten (After Sales-Bereich). Diese unterschiedlichen Ziele haben Einfluss auf das logistische Vorgehen innerhalb eines Betriebs – zum Beispiel bei der Lagerhaltung, des Bestandsmanagements und Transports oder auch der Auftragsabwicklung.

After Sales-Markt ist lukrativ, aber umkämpft

Nicht zuletzt ist der Ersatzteilmarkt für viele Unternehmen über das Ziel der Kundenzufriedenheit hinaus auch wirtschaftlich bedeutend. Mit diesem Marktsegment kann die eigene Marktposition abgesichert oder es können zusätzliche Umsätze generiert werden. Für viele Anlage- und Maschinenbauer zum Beispiel ist der After Sales-Markt durchaus lukrativ, allerdings auch stark umkämpft. Vor allen Dingen muss es schnell gehen, um den Kunden zufrieden zu stellen. Unternehmer, die von den hohen Margen der Branche profitieren möchten, dürfen schon deshalb die Konkurrenz nicht aus den Augen verlieren.

Verbraucher setzen verstärkt auf das Internet

Konkurrenz macht vor allem der Internethandel mit Ersatzteilen – den sogenannten Identprodukten, baugleiche Ware, die von Zulieferfirmen selbst für den freien Ersatzteilmarkt vertrieben werden, und das zu einem günstigeren Preis inklusive schnellerer Lieferung. Gerade Endverbraucher bestellen Ersatzteile immer häufiger online. Hier setzen handwerklich geschickte Verbraucher seit einiger Zeit verstärkt auf das Internet, um das Benötigte als sogenanntes Identteil bei Fremdanbietern günstiger zu erwerben als beim Hersteller oder Händler und reparieren ihre defekten Geräte, ganz nach dem Motto „Repair is noble“, selbst. Auch Online-Händler anderer Branchen mischen mehr und mehr am Markt mit.

So viele Ersatzteile wie nötig, so wenig wie möglich

Um den Kunden jederzeit optimal versorgen zu können, steht die Lagerung, die Beschaffung und Verteilung aller benötigten Komponenten an oberster Stelle. In der Regel ist der Kunde dann zufrieden, wenn er die benötigten Teile in passender Menge am richtigen Ort zum gewünschten Zeitpunkt erhält – und zwar bei guter Qualität. Betriebswirtschaftlich betrachtet ein andauernder Spagat, denn es geht darum, so viele Ersatzteile wie nötig, aber so wenig wie möglich auf Lager zu halten. Eine zukunftsfähige Ersatzteillogistik setzt ein hohes Maß an Knowhow voraus - zum Beispiel über die Themen Produktlebenszeit, Kostenhöhe, Verkaufsgebiete oder Dispositionsstruktur. Weitere wichtige Faktoren, die immer mehr an Bedeutung gewinnen, sind die Lieferungsbeschaffenheit, die Lieferflexibilität, Lieferzeit und Lieferbereitschaft. Insgesamt muss die Lieferkette im Ersatzteilmanagement widerstandsfähig sein, damit Störungen wie Zugausfälle, Streiks oder ein plötzlicher Produktionsstillstand den Lieferprozess nicht zum Erliegen bringen können.

Viele Firmen reagieren mittlerweile auf die wachsenden Anforderungen: Die Liebherr-Werke Ehingen in Baden-Württemberg zum Beispiel, die gemeinsam mit Jungheinrich ab 2023 als weltweit führender Hersteller von Fahrzeugkranen seine komplette Ersatzteilversorgung über ein neues Lager steuern will. Das künftige Hochregallager wird mit neuester Fördertechnik ausgestattet. Automatisierte, digitale Prozesse sollen die Geschwindigkeit 24-Stunden lang bei der Ein- und Auslagerung erhöhen. Ziel ist eine maximale Effizienz bei höchster Transparenz aller Intralogistik-Prozesse.

Ersatzteile: Keine gesetzliche Garantie

Die Realität sieht häufig anders aus: Wer nicht über die ausreichenden Kapazitäten verfügt, muss sich möglicherweise nach geeigneten Räumlichkeiten umsehen oder seine Ware von Dritten beziehen. Zwar gibt es keine gesetzliche Garantie für die Bereitstellung von Ersatzteilen, jedoch ist die Beschaffung dieser oft in Kaufverträgen definiert. In diesem Fall ist die Versorgung mit Ersatzteilen vertraglich vereinbart. Denn Hersteller, die unter diesen Umständen ihrer Vertragspflicht nicht nachkommen, können rechtlich belangt werden und müssen die Kosten für die Anschaffung einer Anlage oder eines Geräts möglicherweise ersetzen. Im Sinne der Gewährleistungspflicht ist es deshalb von Vorteil, schnell Zugriff auf die benötigten Komponenten zu haben. Gerade bei großen Maschinen, die in Industrie, Produktion und Handwerk benötigt werden, werden entsprechende Klauseln in Verträge aufgenommen.

Neue Sichtweisen und Möglichkeiten

Nur einige Probleme, mit denen die Ersatzteillogistik zu kämpfen hat. Nicht zu Unrecht gilt die Branche deshalb auch als eine anspruchsvolle Nische innerhalb der Logistik. Mittlerweile gibt es neue Sichtweisen und Möglichkeiten, die das Ziel verfolgen, die Ersatzteillogistik effizienter zu gestalten. Neue Wege werden bestritten, um Kosten zu senken oder Ersatzteilbestände zu senken. Das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik in Dortmund zum Beispiel ist von der Notwendigkeit überzeugt, dass die Branchen verstärkt nach Alternativen suchen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das gelte sowohl für Hersteller als auch für Betreiber. Da ein großes Problem innerhalb der Branche die mangelnde Prognostizierbarkeit des Bedarfs ist, benötige die Ersatzteillogistik mehr Offenheit, Wissensmanagement und die Bereitschaft zur Vernetzung. So lauten Stichwörter des Fraunhofer-Instituts, die die Grundlage für die Optimierung der Ersatzteillogistik bildeten.

Big Data soll Prozesse vereinfachen

Während Algorithmen innerhalb von Produktionsabläufen bereits einen großen Teil dazu beitragen würden, die verschiedenen Phasen der Produktion abbilden und planen zu können, gebe es noch keine Algorithmen für die Vernetzung der Ersatzteillogistik, argumentiert das Institut. Diese aber würden dringend gebraucht, heißt es weiter. Mit Big Data Daten sammeln und auswerten, kann zum Beispiel helfen, Muster in der Ersatzteillogistik erkennen zu können. Dadurch können unter anderem bessere Prognosen über Kapazitäten und Nachschubbedarf bereitgestellt werden. Auf diese Weise soll eine bessere Versorgung mit Ersatzteilen gewährleistet werden.

Ersatzteile aus dem 3D-Drucker

Andere Trends sehen die Zukunft der Ersatzteillogistik im 3D-Druck. Nach Angaben des Digitalverbandes Bitkom ist mittlerweile 9 von 10 Personen in Deutschland dieses Verfahren mittlerweile bekannt, und 55 Prozent der Verbraucher können sich einer Umfrage zufolge vorstellen, künftig auf die Möglichkeiten dieser Technologie zurückzugreifen. In deutschen Industrieunternehmen ist der 3D-Druck laut Bitkom schon angekommen. Jedes dritte Unternehmen, so der Digitalverband, würde die Technologie bei der Herstellung von Modellen, Werkzeugen, aber auch Ersatzteilen (35 Prozent) nutzen. „Die deutsche Industrie hat das große Potenzial der 3D-Drucktechnologie erkannt“, erklärt Bitkom-Präsident Achim Berg. „Die Unternehmen werden dadurch nicht nur flexibler in ihrer Produktion, sie können auch Kosten sparen, den Materialeinsatz reduzieren und Ressourcen schonen. Durch die Fertigung etwa von Ersatzteilen direkt vor Ort kann auf lange Lieferwege verzichtet werden. So wird auch ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet.“

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