„Im Brückenbau braucht es für jedes Projekt individuelles Engineering!“
Interview mit Georg Schreiber, Geschäftsführer der Schreiber Brücken-Dehntechnik GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Schreiber, die Wurzeln von Schreiber Brücken-Dehntechnik reichen 200 Jahre zurück, es ist ein klassisches Familienunternehmen mit einer langen Geschichte. Wie ist es zu dem geworden, was es heute ist?
Georg Schreiber: Ganz am Anfang stand eine Hufbeschlagsschmiede, aber die ersten Schritte auf dem Weg dorthin, wo wir heute stehen, haben wir in den 1970er-Jahren gemacht. Damals entdeckte ein Prokurist der Firma GHH das Unternehmen während eines Aufenthalts in der Region. Beeindruckt von unserer Arbeitsmoral – anders als viele, auch große, Wettbewerber arbeiteten wir auch am Samstag – initiierte er eine Zusammenarbeit. Diese Kooperation führte dazu, dass Schreiber zum exklusiven Lieferanten von Brückenlagern und Fahrbahnübergängen für GHH wurde, die ihre eigene Produktion einstellten. In den 2000er-Jahren meldete GHH Insolvenz an. Das hat uns den entscheidenden Anstoß dazu gegeben, uns unter eigenem Namen am Markt zu etablieren – das war ein entscheidender Schritt in der Unternehmensentwicklung. 2014 verkauften wir die Mehrheit der Firmenanteile an die Vicoda-Gruppe und halten heute selbst noch 10%.
Wirtschaftsforum: Sprechen wir über Ihr Leistungsportfolio: Worin besteht Ihre Kernkompetenz?
Georg Schreiber: Wir sind Spezialisten für die Brückenlagerung, insbesondere für Brückenlager und Fahrbahnübergänge. Unser Leistungsspektrum umfasst das gesamte Engineering: Wir erhalten eine Anfrage und analysieren, wie die betreffende Brücke gelagert werden sollte. Dabei beraten wir zu geeigneten Brückentypen, erstellen technische Berechnungen und dimensionieren die Bauteile. Anschließend kümmern wir uns um die Produktion und
Installation der Bauteile auf den Baustellen. Darüber hinaus bieten wir umfassenden Aftersales-Service, einschließlich Ersatzteillieferung, Wartung, Pflege und Anpassungen. Falls eine Brücke verbreitert oder saniert wird, unterstützen wir bei den erforderlichen Änderungen.
Wirtschaftsforum: Wer sind Ihre Kunden?
Georg Schreiber: Hier differenzieren wir zwischen dem Auftraggeber und dem Endkunden: Der Auftraggeber ist immer die öffentliche Hand, die Autobahn GmbH oder die Deutsche Bahn. Der Endkunde ist aber immer die Baufirma, die den Bau realisiert und uns mit unserem Fachwissen für das jeweilige Projekt ins Boot holt.
Wirtschaftsforum: Was sehen Sie als Erfolgsfaktoren an, wodurch zeichnet sich Ihr Unternehmen besonders aus?
Georg Schreiber: Wir sind besonders für unsere Schnelligkeit bekannt. Wenn ein Endkunde, eine Behörde oder ein Landkreis ein dringendes Problem hat, profitieren wir von unserem Standortvorteil: Anders als viele unserer Wettbewerber produzieren wir noch zum großen Teil in Deutschland. Ein weiterer großer Vorteil ist unser ingenieurgetriebenes Denken. Wir bieten keine Standardlösungen an, sondern entwickeln maßgeschneiderte Lösungen für unsere Kunden. Unser Geschäft basiert nicht auf vorgefertigten Katalogprodukten, sondern auf individuell angepassten Lösungen, die exakt auf die jeweilige Situation, die Bauteile und die spezifischen Randbedingungen abgestimmt sind.
Wirtschaftsforum: Können Sie uns ein Beispiel dafür nennen?
Georg Schreiber: Außer Neubau übernehmen wir auch Sanierungen, auch historischer Bauwerke. Der Bahnhof in Wiesbaden aus dem Jahr 1900 war ein solches Projekt. Er sollte so originalgetreu wie möglich saniert werden, und deshalb mussten auch die verwendeten Bauteile so aussehen wie die Originalteile aus der Entstehungszeit.
Wirtschaftsforum: Mit der Sanierung und Neubau von Infrastruktur ist es hierzulande bekanntermaßen nicht allzugut bestellt.
Georg Schreiber: In der Infrastruktur gibt es einen erheblichen Investitionsstau – nicht nur bei Brücken, sondern auch bei Straßen, Wasserwegen und Schienen. Für uns bedeutet das einerseits ein enormes Potenzial, da viele Projekte dringend umgesetzt werden müssten – man denke beispielsweise an die A45, einen der meistbefahrenen Autobahnabschnitte in Deutschland und auch der mit den meisten Talbrücken, die alle in einem sehr schlechten Zustand sind. Andererseits mahlen die Mühlen bei öffentlichen Institutionen sehr langsam. Die Projekte liegen teilweise jahrelang auf Halde. Das wirkt sich mittelbar auch auf unsere Auftragseingänge und Projekte aus.
Wirtschaftsforum: Welche Themen werden Sie in den kommenden Jahren beschäftigen?
Georg Schreiber: Zum einen sicher die weitere Digitalisierung sowie auch Robotik, zum anderen das Thema KI. Gerade im Vertragswesen erhoffen wir uns dadurch eine erhebliche Vereinfachung, aufgrund des Fachkräftemangels aber auch in der Fertigung. All das wird unser weiteres Wachstum unterstützen.