Außerdem spielen Neobroker, also Unternehmen wie Scalable Capital und Trade Republic, die das Investieren stark vereinfacht haben, eine bedeutende Rolle in der deutschen Aktienkultur. Deutlich wird dies laut dem Handelsblatt an den rapide zunehmenden Nutzerzahlen. Scalable Capital konnte etwa vom Juli 2021 zum März 2022 seine Kundenanzahl um 67 Prozent auf über 500.000 steigern.
Doch welche Kunden nutzen die innovativen Neobroker, um in Aktien, ETFs und andere Anlageformen zu investieren? Eine Antwort auf diese Frage liefert eine Studie der DIW Econ GmbH, einem Beratungsunternehmen für kundenorientiertes volkswirtschaftliches Consulting des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.
216.000 Kunden von Trade Republic befragt
Im Fokus der Studie standen die Nutzer des Berliner Neobrokers Trade Republic. Das Fintech mit mittlerweile über einer Million Nutzer stand in der Kritik, weil es durch den nahezu kostenfreien Handel und die Gamifizierung Investoren dazu verleiten könnte, riskante Anlageentscheidungen zu treffen.
„Neobroker ermöglichen den Aktienhandel am Smartphone und sind deshalb besonders bei jungen Nutzern beliebt. Die Kunden sollten sich aber von der Einfachheit nicht zum aktiven Trading verleiten lassen. Besser ist es, langfristig zu denken und trotzdem die günstigen Konditionen der Neobroker mitzunehmen“, erklärt Tobias Gillen, Chefredakteur des Finanz-Magazins Finanzentdecker.
Die Ökonomen der DIW Econ GmbH haben deshalb die wohl bisher größte Umfrage im DACH-Raum zum Investitionsverhalten und zu Neobrokern unter 216.000 Nutzern von Trade Republic durchgeführt. Zudem erhielt das Institut einen anonymisierten Zugriff auf sämtliche Kundendaten des Fintechs.
Neobroker haben überwiegend junge Nutzer
Ein Großteil der Kunden (70 %) von Trade Republic ist laut der Analyse der anonymisierten Daten jünger als 35 Jahre. Die Hälfte davon ist wiederum zwischen 18 und 26 Jahre alt. Zudem belegen die Kundendaten, dass knapp die Hälfte (47 %) der Kunden bei Trade Republic Börsenneulinge sind.
„Die Kunden anderer Neobroker sind ebenfalls häufig Börseneinsteiger mit einer ähnlichen Altersstruktur. Das liegt vor allem an den Apps der Fintechs, die gezielt junge Kunden ansprechen sollen. Aber auch an den günstigen Gebühren. Junge Menschen haben oft etwas kleinere Summen zum Investieren zur Verfügung und müssen stärker auf den Einfluss von Ordergebühren achten“, so Finanzexperte Tobias Gillen.
Ähnliche Ergebnisse lieferte auch die Studie „Pro Aktie“ von Comdirect, Consorsbank, Flatex Degiro und der ING Deutschland, laut der im Jahr 2020 vor allem Anleger unter 35 Jahren das erste Mal Geld an der Börse über einen Neobroker angelegt haben.
Hoher Anteil an Männern
Ein Großteil der Kunden von Trade Republic ist männlich (84 %). Die Ökonomen der DIW Econ GmbH nennen als Grund dafür, dass Frauen generell seltener in Geld in Aktien investieren. Belegt wird diese These auch durch das DAI (Deutschen Aktieninstitut e.V.) , laut dem deutschlandweit nur knapp über ein Drittel (36 %) der Anleger weiblich sind.
Auffallend ist jedoch, dass unter den Nutzern, die mit dem Neobroker ihre ersten Börsenerfahrungen sammeln, der Frauenanteil mit 20 Prozent etwa doppelt so hoch ist wie unter den erfahrenen Investoren. Die Studie liefert somit ein Indiz dafür, dass Neobroker den Aktienhandel auch für Frauen attraktiver machen könnten und als erster Kontaktpunkt zur Börse dienen.
Hohe Risikobereitschaft bei jungen Anlegern?
Neben der Altersstruktur und der Börsenerfahrung haben die Ökonomen der DIW Econ GmbH auch untersucht, wieso die Nutzer ein Konto beim Neobroker Trade Republic eröffnet haben. Mehr als drei Viertel nannten als Hauptgrund, dass es zum Sparen keine Alternative zum Kapitalmarkt gebe. Zudem möchte ein Großteil (70 %) der Nutzer für das Alter in Aktien investieren. Der Aussage „Ich investiere vor allem, weil mir der Nervenkitzel Spaß macht“ stimmen hingegen die meisten Investoren (56 %) nicht zu. Weitere Gründe für den Kundenansturm auf den Neobroker und seine Konkurrenten waren die günstigen Einstiegskurse und die niedrigen Zinsen in den letzten Jahren.
Obwohl die meisten Nutzer der Neobroker jung sind, ist ihre Risikobereitschaft im Mittel relativ gering. Lediglich ein kleiner Teil der unerfahrenen Anleger (10,7 %) und der erfahrenen Anleger (19,2 %) erklärte, dass sie bei ihren Investitionen eine hohe Risikobereitschaft haben. Bestätigt wird dies auch durch die gewählten Anlageklassen. Börsenneulinge investieren vor allem in ETF (Exchange Traded Funds) und weniger in Einzelaktien. Ein Großteil (60 %) der Trade Republic Nutzer hat im Portfolio Aktien, gefolgt von ETFs (26 %) und riskanteren Derivaten (2 %).
Renditen der Investoren
Im Zeitraum zwischen 2019 und Sommer 2021 lag der Median der jährlichen Rendite bei Trade Republik bei 7,1 Prozent. Nutzer, die mindestens ein Jahr über den Neobroker investiert hatten, kamen auf eine Rendite von 11,1 Prozent. Die Autoren der Studie erklären jedoch, dass die Zahlen eine geringe Aussagekraft besitzen, weil nur ein sehr kurzer Zeitraum betrachtet wird.