„Die Industrie in Deutschland wird sich wandeln, aber nicht verschwinden!“

Interview mit Tobias Lanner, Geschäftsführer der Lanner Anlagenbau GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Lanner, seit 1987 engagiert sich Ihr Familienunternehmen an einer neuralgischen Stelle in der Recyclingkette. Wobei können Sie Ihre Kunden genau unterstützen?

Tobias Lanner: Unsere gewachsene Kernkompetenz liegt im Anlagenbau für die Recyclingtechnik, wobei wir vornehmlich zahlreiche Lösungen für Problemstellungen im Zusammenhang mit Schüttgütern bereithalten. So sind die in den gängigen Metallverarbeitungsprozessen anfallenden Metallspäne oftmals mit einem grundwassergefährdenden Kühlschmierstoff verunreinigt, von dem sie getrennt werden müssen, damit sie ordnungsgemäß transportiert werden und von einem Entsorger abgenommen werden können. Unsere schlüsselfertigen Anlagen, die wir dezidiert auf die Fertigungsumgebung unserer Kunden hin planen, bauen und implementieren, können die Späne dann zerkleinern, sieben und sie vom Schmierstoff separieren, sodass damit ein schüttfähiges Produkt entsteht. Dieses kann im Anschluss umweltfreundlich entsorgt oder im Idealfall wieder eingeschmolzen und erneut der Produktion zugeführt werden.

Wirtschaftsforum: Wie weitreichend sind diese Kreisläufe in der Industrie inzwischen geschlossen?

Tobias Lanner: Nicht zuletzt die wirtschaftlichen Realitäten haben dafür gesorgt, dass dieses Thema bei nahezu allen metallverarbeitenden Betrieben höchste Priorität genießt. Einer unserer Kunden stellt beispielsweise Räder für die Automobilindustrie und verwandte Branchen her und betreibt in diesem Zuge auch eine eigene Gießerei. Die in seiner Produktion anfallenden Späne passieren unsere Wiederaufbereitungsanlage und finden von dort direkt ihren Weg zurück in die Gießerei, wo sie dann sofort ohne eine thermische Nachtrocknung eingeschmolzen und bald darauf Teil eines neuen Rades werden – das ist nicht nur eine ökologisch nachhaltige Lösung, sondern wirtschaftlich sinnvoll. Da so weniger Rohstoffe zugekauft werden müssen fällt der finanzielle Ertrag deutlich höher aus als bei einer Verschrottung des ursprünglichen Abfall-materials.

Wirtschaftsforum: Werden sich in Zukunft weitere Anwendungsfelder für Ihre Lösungen ergeben?

Tobias Lanner: Daran arbeiten wir schon heute intensiv – denn insbesondere die sogenannten seltenen Erden, wie sie unter anderem in der Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge Verwendung finden, erfordern wegen ihrer globalen Knappheit und der enormen Schwierigkeiten bei ihrem Abbau besonders rohstoffsparsame Produktionsweisen. Hier können unsere Anlagen natürlich zielgerichtet unterstützen. Bis heute existieren jedoch keine sauberen und großskalierbaren Recyclinglösungen für Lithium-Ionen-Batterien. Dies muss sich in den kommenden Jahren ändern, da der Bedarf an Batterierohstoffen steigt und mehr Batterien in den Recyclingkreislauf kommen werden. Deshalb arbeiten wir schon heute an einschlägigen Forschungsprojekten, die bereits vielversprechende Ergebnisse zutage gefördert haben. Doch auch jenseits der Batterieindustrie sehen wir etwa im Kunststoff- und Baustoffrecycling viele weitere Anwendungsfelder, in denen unser Know-how noch wesentlich umfassender gefragt sein wird. Unsere hohe Fertigungstiefe von bis zu 90% sowie unser kundenzentrierter Ansatz, in dessen Rahmen wir unsere Partner von der Ausgestaltung der jeweiligen Anlage über ihre Installation bis hin zum bisweilen jahrzehntelangen Aftersales begleiten, stellen dabei ein unverzichtbares Fundament für unser weiteres Wachstum dar.

Wirtschaftsforum: Welche weiteren Innovationen stehen derzeit im Zentrum Ihrer Aufmerksamkeit?

Tobias Lanner: Wir entwickeln mehrere Verfahren, um die oft zitierten seltenen Erden noch besser selektieren, separieren und recyceln zu können – durch die heute verfügbare Sensortechnik besteht hier noch ein sehr weitreichendes Potenzial, das wir effektiv nutzen wollen. Darüber hinaus gewinnt die Vernetzung unserer Anlagen mit der Fertigungsumgebung unserer Kunden im Kontext der Industrie 4.0 zunehmend an Bedeutung. Sie eröffnet vielfältige Möglichkeiten für Nutzengewinne und bessere Kundenbindung. Gerade bei Zentrifugen mit sehr hohen Drehzahlen kann ein Sensor inzwischen verlässlich etwaige Abweichungen feststellen und über Funk melden, um so auf einen möglicherweise bevorstehenden Ausfall hinzuweisen. Damit lassen sich potenzielle Probleme frühzeitig feststellen und daraus resultierende Stillstandzeiten bestenfalls vollständig vermeiden.

Wirtschaftsforum: Wie wird sich der Industriestandort Deutschland aus Ihrer Sicht in den nächsten Jahren verändern?

Tobias Lanner: Die oft ins Spiel gebrachte Deindustrialisierung sehe ich nicht. Vielmehr dürfte es einen Wandel hin zu einer noch spezialisierteren und Know-how-intensiveren Industrie geben, aus dem dann wiederum spannende neue Möglichkeiten entstehen. Die unverzichtbare Basis für den weiteren Erfolg der deutschen Industrie liegt insbesondere bei den jungen Menschen. Hier würde ich mir ein stärker praxis-orientiertes und lebensnahes Bildungssystem wünschen, das Kinder und Jugendliche noch früher an die Berufswelt heranführt. Ich selbst engagiere mich beispielsweise bei der Initiative ‘Schüler im Chefsessel’ und dem Projekt ‘Wellenschlag‘, die genau das ermöglichen möchten. Für die Unternehmen wird es derweil noch wichtiger werden, auch in ihrer Belegschaft den Menschen ins Zentrum zu stellen – so wie es Lanner mit seiner mittelständischen Tradition bereits seit über 30 Jahren tut.

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