Zollern mit Aufbruchstimmung auf neuem Zukunftskurs

Interview mit Dr. Oliver Picht und Dr. Jerry Mackel sowie Mario Zirn, Geschäftsführer der Zollern GmbH & Co. KG

Wirtschaftsforum: Die Zollern GmbH & Co. KG bewegt sich seit rund 300 Jahren als eines der ältesten Familienunternehmen Deutschlands im Markt. Welches Leistungsspektrum bieten Sie dabei heute an?

Dr. Jerry Mackel: Grundsätzlich steht die Geschäftstätigkeit von Zollern auf vier Säulen, von denen ich die Antriebstechnik verantworte. Dabei stellen wir vornehmlich Planetengetriebe und Winden her, die insbesondere bei komplexen und schwierigen Anwendungen, etwa in Hafenmobilkränen und Baggern sowie als Rettungswinden in der Schifffahrt, zum Einsatz kommen. Darüber hinaus engagieren wir uns neuerdings auch in Form von Elektroantrieben sowie in kleinerem Umfang in der Fabrikautomatisierung, wo wir Anlagen entwickeln, mit denen sich schwere Lasten wie Karosserien und Fahrgestelle über große Strecken hinweg präzise positionieren lassen.

Dr. Oliver Picht: Unsere weiteren Tätigkeitsfelder umfassen die Gewerke Sandguss und Schmiede, Stahlprofile sowie Feinguss, wobei sich Zollern in letztgenanntem Geschäftsbereich schon seit über 40 Jahren engagiert und hierbei Unternehmen aus zahlreichen Branchen von Defense über Medical bis hin zu Automotive beliefert. Gleichzeitig durchläuft diese Sparte gerade einen umfassenden Transformationsprozess, da mit dem Turbolader eines unserer zentralen Produkte aufgrund des Ausstiegs aus der Verbrennertechnologie keine wettbewerbsfähige Zukunft haben wird. Als Ausgleich für diesen negativen Ausblick investieren wir derzeit umfangreich in industrielle Gas- und Flugzeugturbinen, wo wir für die Zukunft signifikante Marktchancen erkennen. Daneben stellen wir natürlich zahlreiche weitere typische Produkte für Industrie- und Flugzeuganwendungen sowie Automobilteile und Komponenten für die Medizintechnik her. Im Bereich Sandguss engagieren wir uns derweil mit einer Handformerei für die industrielle Manufaktur, wo wir uns auf die Erzeugung stark individualisierter Komponenten in kleinen Stückzahlen konzentrieren. Hier gießen wir mit über 200 Legierungen auf Kupferbasis Teile für Spezialanwendungen, etwa für die Wehrtechnik, Industriebehälter oder andere Bereiche, wo korrosive Medien zum Einsatz kommen können und eine entsprechende Leitfähigkeit benötigt wird, und stellen zudem Halbzeug in Stangen- und Blockform her. Auch in diese Sparte fließen gerade große Investitionen, um unsere Herstellungspraxis fit für das 21. Jahrhundert zu machen. Im Rahmen der Stahlprofilerzeugung betreiben wir ferner ein Warm- und ein Kaltwalzwerk sowie eine Zieherei und produzieren hierbei vornehmlich Speziallinearführungen sowie Spezialprofile für Industrieanwendungen.

Wirtschaftsforum: Sie drei bilden mittlerweile seit knapp zwei Jahren das neue Geschäftsführungsteam im Unternehmen. Welche Veränderungen haben Sie in dieser Zeit bei Zollern umgesetzt?

Mario Zirn: Natürlich sind Werte wie Beständigkeit, Zugehörigkeit und regionale Verwurzelung, die sich aus unserer besonders langen Firmengeschichte ergeben, weiterhin von zentraler Bedeutung für unseren Geschäftsalltag. Trotzdem sind wir angetreten, um die Kultur von Zollern neu zu prägen und die ehemalige Top-Down-Ausrichtung hin zu partizipativen Strukturen umzugestalten, in denen wir uns das Know-how, die Erfahrung und den persönlichen Antrieb jeder einzelnen Mitarbeiterin in unserem Unternehmen zunutze machen möchten. So sollen aus Betroffenen Beteiligte werden. Schon heute können wir dank dieses Wandels zahlreiche Erfolgsgeschichten schreiben, da unser Anspruch, stets gemeinschaftlich und auf Augenhöhe mit den über 2.000 Menschen in unserem Unternehmen zu agieren, im Tagesgeschäft angekommen ist und konsequent gelebt wird. Einige Mitarbeiter, die Zollern in den letzten Jahren auf eigenen Wunsch hin verlassen hatten, sind inzwischen zu uns zurückgekehrt, weil sie die Aufbruchstimmung spüren und diesen Wandel mitgestalten möchten. Das ist auch für uns in der Geschäftsführung ein enormer Ansporn, um diesen Change-Prozess konsequent fortzusetzen.

Wirtschaftsforum: Welche Stellschrauben stehen dabei im Zentrum Ihrer Aufmerksamkeit?

Mario Zirn: Auf der Produktseite beschäftigen wir uns mit zahlreichen neuen technologischen Möglichkeiten, die den Anwenderinnen perspektivisch eine Vielzahl an Nutzengewinnen bieten können, etwa die Integration von Künstlicher Intelligenz oder Möglichkeiten zur autonomen Selbstdiagnose. Natürlich steht gleichzeitig eine umfassende Modernisierung unserer Prozesse an, um diesen Ansprüchen auch langfristig gerecht werden zu können, woran wir derzeit mit großer Ausdauer arbeiten. Ferner möchten wir mit unseren Prozessen und Produkten einen echten Beitrag zu einer verbesserten Nachhaltigkeitsbilanz in der gesamten Wertschöpfungskette leisten und engagieren uns hierbei etwa im Rahmen der Deutschen Wasserstoffinitiative, während wir zudem ein wirklich internationales Geschäft aufbauen möchten, um auch unserem globalen Anspruch Rechnung zu tragen. Das unersetzliche Fundament für unseren weiteren Erfolg bilden dabei selbstverständlich unsere Mitarbeiter, weswegen wir etwa mit einem eigenen Haustarifvertrag wichtige Weichen gestellt haben, damit Zollern für die besten Talente attraktiv bleibt. So konnten wir inzwischen wichtige Grundlagen für das weitere Wachstum legen, um unser Unternehmen in den nächsten Jahren gemeinsam zurück zu alter Stärke zu führen.

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