Disruption konsequent als Erfolgsfaktor genutzt

Interview mit Dr. Christian Coppeneur-Gülz, Geschäftsführer der WWM GmbH Co. KG

Wirtschaftsforum: Herr Coppeneur-Gülz. Wie würden Sie die Anfänge von WWM beschreiben?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Mein Vater Friedhelm hat das Unternehmen 1977 gegründet. Damals lag ein ganz klarer Fokus auf dem Messebau und war vor allem mit modularen Messesystemen ab den 1980er-Jahren immer erfolgreicher. Das war eine Entwicklung, die vor allem aus Amerika nach Europa kam. Da gab es eine ganz klare Anforderung: Ein Messestand von 6 bis 12 m2 sollte durch den Vertriebsmitarbeiter ohne Schwierigkeit transportiert und vor Ort aufgebaut werden können. Hier liegen die Wurzeln des unternehmerischen Wachstums.

Wirtschaftsforum: Sie führen WWM in zweiter Generation. War für Sie immer klar, dass Sie dem Messebau verbunden bleiben?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Ich muss gestehen, dass mich Messebau zunächst nicht wirklich elektrisiert hat. Das hat sich aber während meiner Promotion unter meinem Doktorvater Prof. Dr. Dipl.-Ing. Thomas Fischer geändert. Der hat mich dazu ermutigt, die Branche anzuschauen sowie regelmäßig bei WWM vor Ort zu sein, um einen Blick dafür zu bekommen. Grundsätzlich haben wir uns damals mit der Frage beschäftigt, wie sich die Branche verändern lässt. So ein Buzzword wie digitale Transformation gab es damals überhaupt nicht. Die Ausgangssituation war klar: Früher haben die Unternehmen den ganzen mobilen Messestand selbst gekauft und jeder ist damit zu einer Messe gefahren. Das hat er dann zwei-, dreimal im Jahr gemacht und den Rest der Zeit standen diese Systeme im Keller. Wir hatten uns jetzt das Ziel gesetzt, sogenannte Poolingeffekte zu nutzen. Dazu musste es uns gelingen, diese ganzen Messesysteme zentral zu verwalten und eine eigene Software zu kreieren, mit der man einen Stand einfach direkt bestellt. Der Stand soll im Anschluss logistisch direkt zur Messe kommen und kann dort selbst aufgebaut werden, beziehungsweise man lässt ihn eben aufbauen. So lassen sich Kosten drastisch reduzieren und es entsteht ein neues Geschäftsmodell.

Wirtschaftsforum: Offensichtlich haben Sie mit der Software „myWWM“ eine entsprechende Lösung entwickelt.

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Mit „myWWM“ als Software für Event-Ressourcen-Management (ERM) haben wir den erhofften Durchbruch erzielt. 2006 gab es eine erste Version. 2008 hatten wir 50 installierte Systeme. Wir haben aber gemerkt, dass wir damit unserer Zeit voraus waren. Viele potenzielle Kunden haben die Idee nicht verstanden, das ist nicht selten das Schicksal guter Ideen. Aber 2011 markiert dahingehend einen richtigen Meilenstein. Zwei große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die mehrere hundert Veranstaltungen pro Jahr machen, haben sich für die Lösung entschieden. Damit ist das Geschäftsmodell wirklich abgehoben. Seitdem wachsen wir jedes Jahr im zweistelligen Prozentbereich.

Wirtschaftsforum: Wie genau kann ich mir die Funktionsweise von myWWM vorstellen?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Eine unserer größten Kundengruppen sind zum Beispiel Pharma-Unternehmen. Mitarbeiter dieser Unternehmen können über ein CAD-Tool, also ohne Installation auf einem Endgerät, online aktiv werden. Das heißt, wir ermöglichen es, sämtliche Komponenten auszuwählen und auch deren Verfügbarkeit zu prüfen. Damit ist es eigentlich möglich, binnen fünfzehn Minuten den eigenen Messestand inklusive aller logistischer Prozesse mit einem Klick in Auftrag zu geben. Damit das Ganze reibungslos klappt, darf aber eine bestimmte Größe des Messestands nicht überschritten werden. Ist das Projekt zu komplex, greift das Tool als Lösung nicht. Da haben wir mit Rocketexpo ein eingegliedertes Unternehmen, das in solchen Fällen aktiv wird.

Wirtschaftsforum: Bleiben wir bei myWWM. Wie sieht es mit der Montage des gebuchten Messestands vor Ort aus?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Das kann der Kunde selbst wählen. Wir gehen aber noch weiter in der Dienstleistung, indem wir zum Beispiel auch Broschüren oder Werbemittel für den Stand stellen. Wir sehen da weitere Wachstumschancen. Wir gehen davon aus, dass in den nächsten zehn Jahren die durchschnittliche Messestandgröße drastisch runtergehen wird. Es wird aber viel mehr kleinere Veranstaltungen geben. Das kommt uns entgegen.

Wirtschaftsforum: Die Branche verändert sich, wie aktiv gehen Sie selbst Veränderungen an?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Wir treiben immer Veränderung aktiv an. Ein aktuelles Beispiel ist der Wifi-Tracker. Smartphones suchen ständig nach Verbindungsmöglichkeiten zu einem Hotspot und senden entsprechende Signale aus. Diese Signale und deren Intensität registrieren wir. Das ist DSGVO-konform, weil wir keine persönlichen Daten erfassen. Was wir davon haben? Wir kreieren damit ein Google-Analytics der Live-Kommunikation. Wenn wir den Personenfluss an einem Stand messen können, lässt das auch Schlüsse auf die Attraktivität des Stands zu. Mit einem Mal sind Unternehmen in der Lage, diese Zahlen für die Optimierung ihrer Messeauftritte zu nutzen. Wir gehen von einem Effizienzvorteil von 20 bis 30% aus.

Wirtschaftsforum: Dass WWM als Unternehmen erfolgreich ist, steht außer Frage. Worin sehen Sie die Gründe dafür?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Ich glaube, darin, dass wir experimentieren, wie am genannten Beispiel deutlich wurde. Also genau das Thema, das heute viele Startups haben und bewusst nach außen transportieren. Dazu kommt dann noch eine Portion Neugierde und Mut. Wir scheuen uns nicht, für neue Konzepte das notwendige Personal und Geld in die Hand zu nehmen. Dann stellen wir schnellstmöglich anhand der Ergebnisse fest, ob die Idee funktioniert oder eben nicht. Diese Einstellung hat unser Wachstum überhaupt erst ermöglicht. Wenn ich etwas Neues schaffen will, muss ich bereit sein zu scheitern.

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