Teil 2: Nicht unseren Planeten mit Karacho gegen die Wand fahren
Interview mit Timo Beelow, Gründer und Geschäftsführer der wijld GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Beelow, wie ist damals die Idee entstanden, Kleidung aus Holz zu fertigen?
Timo Beelow: Das war ein relativ langer Prozess. Zu Beginn wollten wir schlicht etwas zum Besseren verändern, ohne damals schon ein konkretes Produkt vor Augen zu haben. Im Zuge der Recherche sind wir dann darauf gestoßen, dass Holz zu Fasern verarbeitet werden kann. Das fanden wir interessant. Wir haben uns damit sehr intensiv auseinandergesetzt und im Zuge dessen festgestellt, dass Kleidung aus Holzfasern entgegen der intuitiven Erwartungen überhaupt nicht sperrig ist, sondern ein seidig weiches Material. Auch hinsichtlich der Haltbarkeit ist Kleidung aus Holz anderen Materialien überlegen. Der einzige Nachteil bestand aus unserer Sicht darin, dass sie in der Herstellung etwas teurer ist. Das fanden wir jedoch vertretbar. Wir sahen die Möglichkeit, dass es andere gibt, die genauso denken wie wir und die sowohl an der Idee als auch an den Produkten genauso viel Spaß haben könnten. Nach ein paar Jahren Entwicklungsarbeit hatten wir dann unsere ersten Wood-Shirts.
Wirtschaftsforum: Ein paar Jahre Entwicklungsarbeit klingt aber doch nach einem sehr langen Prozess. Wie ist der finanziert worden?
Timo Beelow: Wir haben in der Entwicklungsphase nicht ausschließlich an dieser Idee gearbeitet. Es gab Abschnitte, wo unsere Bemühungen weniger intensiv waren und wir auf Feedback warten mussten, mit Produktionspartnern gesprochen und unser Netzwerk aufgebaut haben. In der Anfangszeit ist das Projekt auch sehr stark von uns selbst finanziert worden.
„Wir hätten uns gefreut, wenn es für das Crowdfunding eine etablierte europäische Lösung gegeben hätte.“ Timo Beelow

Recht früh haben wir auf Kickstarter eine Crowdfunding-Kampagne eingeleitet. Wir fanden es cool, unsere Idee so der Öffentlichkeit vorstellen und ein erstes Feedback erhalten zu können. Insgesamt war das eine sehr positive Erfahrung, aber wir hätten uns gefreut, wenn es für das Crowdfunding eine etablierte europäische Lösung gegeben hätte, weil das amerikanische Kickstarter – wie zugegebenermaßen auch das Crowdfunding an sich – in Deutschland nicht sonderlich bekannt ist. Kickstarter bietet zudem außer Kreditkarten nur wenige andere Zahlungsmöglichkeiten an, die noch dazu relativ kompliziert sind, sodass manche Leute, die uns unterstützen wollten, es deswegen nicht getan haben.
Wirtschaftsforum: Ihr Unternehmen steht für Nachhaltigkeit – dabei leben wir in einer Wegwerfgesellschaft. Wie wollen Sie die Generation Primark davon überzeugen, wieder mehr Geld für Kleidung auszugeben?
Timo Beelow: Ich würde Ihrer Beobachtung einer Generation Primark zumindest teilweise widersprechen. Ich glaube, dass die Gesellschaft wesentlich umsichtiger ist, als man zunächst denken würde. Gerade junge Konsumenten treten doch bewundernswert stark für Nachhaltigkeit ein.
Ich bin auch nicht der Meinung, dass man unbedingt mehr Geld für Kleidung ausgeben muss. Man sollte das Geld einfach sehr viel umsichtiger ausgeben und mehr Wert auf die einzelnen Kleidungsstücke legen, anstatt die meisten wieder wegzuwerfen, wenn man sie ein oder zweimal getragen hat. Das ist aus meiner Sicht der einzige Ansatz, wie wir gesellschaftlich unser Nachhaltigkeitsproblem gemeinsam lösen können. Konsum ist ja nicht per se schlecht, nur sollten wir Überkonsum vermeiden.
„Ich glaube, dass die Gesellschaft wesentlich umsichtiger ist, als man zunächst denken würde. Gerade junge Konsumenten treten doch bewundernswert stark für Nachhaltigkeit ein.“ Timo Beelow

Natürlich spielt dabei auch die Politik eine entscheidende Rolle. Glücklicherweise sind Plastiktüten und die Verschmutzung der Weltmeere mittlerweile medial wie politisch präsente Themen, und der Gesellschaft wird unmissverständlich vermittelt, dass es viel bessere Alternativen gibt, sei es bei Kleidung, Verpackung oder Ernährung. Dadurch nimmt das Problembewusstsein der Menschen mit der Zeit zu. Nur so kann sich ein gesellschaftlicher Wandel quer durch alle Altersgruppen vollziehen.

„Wenn wir langfristig all unsere Kleidung aus Erdöl oder Baumwolle herstellen, fahren wir unseren Planeten mit Karacho gegen die Wand.“ Timo Beelow
Wirtschaftsforum: Das Holz für die Herstellung Ihrer T-Shirts stammt ausschließlich aus zertifiziert nachhaltiger Forstwirtschaft. Gäbe es bei einem sprunghaften Anstieg der Nachfrage überhaupt genug Bäume für die Herstellung solcher Kleidung im großen Stil?
Timo Beelow: Holz ist schon heute sehr viel nachhaltiger. Verglichen mit Baumwolle spart Holz Ressourcen und Platz. In derselben Zeit und auf derselben Fläche können wir mit Holz prozentual 300 bis 500-mal so viele Fasern generieren wie mit Baumwolle. Angesichts des nach wie vor enormen Verbrauchs von Polyester und Baumwolle muss die Gesellschaft generell umsteigen. Wenn wir langfristig all unsere Kleidung aus Erdöl oder Baumwolle herstellen und auch unser Konsumverhalten nicht überdenken, fahren wir unseren Planeten mit Karacho gegen die Wand.
Interview: Julian Miller, Pictures: Wijld GmbH
Lesen Sie auch den ersten Teil: Stil haben, grün sein – mit Kleidung aus Holzfasern