„Wir brauchen gesellschaftliche Gerechtigkeit“

Interview mit Gina Weber, Gesellschafterin/Kommunikation und Dr. Roger Breu, CEO der WEBER HOLDING GmbH

Wirtschaftsforum: Frau Weber, Herr Dr. Breu, erzählen Sie uns doch zunächst etwas über die Anfänge von ALBERT WEBER.

Gina Weber: Mein Großvater hat das Unternehmen 1969 gegründet. Mit der Zeit ist es gewachsen, und es wurden auch kleinere Unternehmen aufgekauft. 1998 haben wir durch den Kauf eines insolventen Wettbewerbers unseren Standort im Schwarzwald und ein Werk in den USA hinzugewonnen. 2016 haben wir, die Familie Weber, einen Finanzinvestor als Mehrheitsgesellschafter mit ins Boot geholt. 2019 rutschte die damalige Weber Automotive GmbH in die Insolvenz, woraufhin wir die Anteile zurückgekauft und das Unternehmen ganz neu ausgerichtet haben. Im April 2021 haben wir zwei Werke der insolventen Schweizer Group, die im Aluminiumdruckguss tätig ist, hinzugekauft. Dadurch konnten wir uns als Systemlieferant aufstellen und können die gesamte Wertschöpfungskette im Haus abbilden. Heute haben wir in Deutschland sechs Standorte, dazu kommen zwei Werke in Ungarn und den USA. Unsere Familie besitzt ein weiteres Unternehmen namens WEBER FIBERTECH, das Faserverbundwerkstoffe herstellt. Insgesamt beschäftigen wir heute rund 1.000 Mitarbeiter.

Wirtschaftsforum: Wie sieht die Neuausrichtung der Unternehmen aus?

Dr. Roger Breu: Wir realisieren derzeit einen Umsatz von knapp 200 Millionen EUR und haben klare Wachstumsziele. Bisher sind wir zu etwa 90% Automobilzulieferer im Bereich Pkw-Verbrennungsmotor. Dieser Markt wird zurückgehen, daher werden wir in neue Wachstumsmärkte eintreten. Unsere Kompetenz in der hochpräzisen Bearbeitung von anspruchsvollen Bauteilen und in der Montage zu Systemen können wir zum Beispiel einsetzen in der Raumfahrt, der Medizintechnik und im Maschinen- und Anlagenbau oder im Automobilbereich bei Elektroantrieben und alternativen Antrieben. Auch bei Fahrradherstellern ist der Bedarf groß. Wir rechnen damit, dass ein Großteil der Fertigung in diesem Bereich wieder nach Deutschland zurückkommen wird.

Gina Weber: Als Firma und als Familie stehen wir für Mobilität. Diese wird sich zukünftig nicht mehr nur auf den Verbrenner konzentrieren. Zu dem Wandel wollen wir unseren Beitrag leisten. E-Mobilität wird ein Teil der Lösung sein. Wir wollen uns aber technologie-offen aufstellen. Die neuen Herausforderungen werden wir nur meistern, wenn ein großer Zusammenhalt unter den Mitarbeitern und eine Identifikation mit dem Unternehmen da ist. Mir ist es daher wichtig, das Familiäre und die Fürsorge, die uns in unserer langen Historie immer ausgezeichnet hat, in den Vordergrund zu stellen.

Dr. Roger Breu: Die neue Ausrichtung ist auch eine Rückbesinnung auf die Kultur des Familienunternehmens und einen nachhaltigen Weg. Wir wollen unsere gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen und bis 2040 emissionsfrei produzieren. Ein zentraler Punkt ist die Energiebereitstellung. Wir beteiligen uns deshalb auch an Unternehmen, die Anlagen zur Energieerzeugung herstellen. Der erste Schritt ist eine Beteiligung an einen Hersteller von Biogasanlagen.

Wirtschaftsforum: Was, glauben Sie, hat ALBERT WEBER so erfolgreich gemacht?

Gina Weber: In der Vergangenheit war das sicher unser hoher Eigenanspruch in der Qualität. Wir sind sehr gut aufgestellt in der Bearbeitung von hochkomplexen Bauteilen in großen Serien. Das soll auch unsere Stärke bleiben.

Dr. Roger Breu: Um das für die Zukunft sicherzustellen, müssen wir die Mitarbeiter davon überzeugen, dass wir noch innovativer werden müssen. Dass wir uns dabei ein Stück weit von unserer Kernkompetenz, der Automobilindustrie, entfernen, sorgt zunächst teilweise für Skepsis. Aber diese Innovation fordern auch unsere Kunden. Auch sie können die Zukunft nicht allein gestalten.

Wirtschaftsforum: Wohin möchten Sie das Unternehmen in den nächsten Jahren führen?

Gina Weber: Unsere große Mission trägt den Namen ‘Emission Zero 2040’. Dabei ist es uns sehr wichtig, das Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich anzugehen. Es darf nicht nur darum gehen, wie viele Emissionen ein Auto bei der Fahrt ausstößt, sondern es muss auch berücksichtigt werden, unter welchen Bedingungen die seltenen Erden für die Batterien gewonnen werden. Es braucht eine gesellschaftliche Gerechtigkeit.

Wirtschaftsforum: Worin liegt Ihre persönliche Motivation, sich dafür einzusetzen?

Gina Weber: Die Firma ist ein großer Teil von mir. Mein Anspruch ist, dieses Erbe meiner Familie weiterzuführen.

Dr. Roger Breu: Ich bin Ingenieur, und mir ist es ein Anliegen, einen Großteil der Produktion in Europa und Deutschland zu halten. Dazu möchte ich beitragen.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Industrielle Zulieferer

„Nicht jeder Erdbeerjoghurt kann aus Erdbeeren sein“

Interview mit Holger Wetzler, Geschäftsführer der Bell Flavors & Fragrances GmbH

„Nicht jeder Erdbeerjoghurt kann aus Erdbeeren sein“

Um den richtigen Geschmack und Duft zu treffen, sind individuelle Lösungen gefragt: Die Bell Flavors & Fragrances GmbH mit Sitz in Leipzig entwickelt für mittelständische Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen…

Leuchtende Ergebnisse in der Autoreparatur

Interview mit Michael Siegel, Betriebsleiter der Brillant GmbH

Leuchtende Ergebnisse in der Autoreparatur

Die Automobilbranche erlebt stetige Wandlung und dennoch bleiben gewisse Aspekte beständig. Trotz der Wende zur E-Mobility gibt es Unfallschäden und Instandsetzung. Die Brillant GmbH in Köln ist ein glänzendes Beispiel…

„Wir gestalten das  Nervensystem der Fabrik!“

Interview mit Dr. Daniel Tomic, Geschäftsführer der Tomic TEC GmbH

„Wir gestalten das Nervensystem der Fabrik!“

Seit beinahe 50 Jahren engagiert sich die Tomic TEC GmbH als Systemlieferant für Produktionsanlagen, die vornehmlich in der Automobilindustrie zum Einsatz kommen. Wie das Unternehmen dabei an der ökologischen und…

Spannendes aus der Region Bodenseekreis

Gestalter digitaler Wertschöpfung

Interview mit Andreas Strobel, Geschäftsführer und Veronica Florian, Marketingleiterin der doubleSlash Net-Business GmbH

Gestalter digitaler Wertschöpfung

Die digitale Transformation – ein großes Wort und eine große Herausforderung. Was aber genau braucht eine IT, um Unternehmen innovativ und nachhaltig wettbewerbs- und zukunftsfähig zu machen? Genau auf die…

Was der Seele guttut

Interview mit Andrea Traub, Geschäftsführerin der Klinik am schönen Moos Saulgau GmbH und der Akutklinik am schönen Moos GmbH

Was der Seele guttut

Als Fachklinik für psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie bietet die Klinik am schönen Moos Saulgau GmbH ein breites Therapiespektrum für die Seele. Wirtschaftsforum hat mit Geschäftsführerin Andrea Traub über den…

„In Asien und Amerika müssen wir vor Ort sein!“

Interview mit Sven Achilles, Geschäftsführer der ZIM AIRCRAFT SEATING GmbH

„In Asien und Amerika müssen wir vor Ort sein!“

Wer als Passagier in einem Flugzeug reist, beurteilt die Sitze zunächst einmal nach ihrer Bequemlichkeit. Doch Flugzeugsitze müssen auch bestimmten technischen Vorgaben entsprechen und pflegeleicht sein. Die von der ZIM…

Das könnte Sie auch interessieren

Abrechnung leicht gemacht

Interview mit Christian Hartlieb, Geschäftsführer der Somentec Software GmbH

Abrechnung leicht gemacht

In der komplexen und sich ständig weiterentwickelnden Landschaft der Energie- und Wasserwirtschaft sind effiziente Abrechnungslösungen von entscheidender Bedeutung. Die sich verändernden regulatorischen Anforderungen, die steigende Nachfrage nach Transparenz und Genauigkeit…

Mit Fachkenntnis und Empathie die Patienten unterstützen

Interview mit Olaf Thode, Geschäftsführer der Santec Hilfsmittel für Behinderte GmbH

Mit Fachkenntnis und Empathie die Patienten unterstützen

Die Santec Hilfsmittel für Behinderte GmbH blickt mit inzwischen zwei Filialen in Mittelhessen auf fast vier Jahrzehnte Erfahrung im Sanitätshausgeschäft zurück. Neben Pflegebetten und Aktivrollstühlen vertreibt das Unternehmen mit ERGOFITair…

Re:build the future

Interview mit Timo Brehme, einem der vier Geschäftsführer des Beratungs- und Architekturbüros CSMM – architecture matters

Re:build the future

CSMM – architecture matters gilt als eines der führenden Planungs- und Beratungsunternehmen für Büroarchitektur und Arbeitsweltkonzeption. Seit mehr als zwanzig Jahren begleitet das Unternehmen mit seinem über 100-köpfigen interdisziplinären Team…

TOP