Blähbeton-Fertigbau für ein angenehmes Raumklima

Interview mit Anja Knoll, Geschäftsführerin der Tinglev Elementfabrik GmbH

Wirtschaftsforum: Frau Knoll, was ist unter dem Begriff Blähbeton zu verstehen?

Anja Knoll: Haufwerksporiger Leichtbeton mit Blähton ist ein äußerst flexibles Material, das sich hervorragend für die Vorfertigung in Fertigbauweise von Bauvorhaben jeder Größe eignet. Wie der Name sagt, ist Leichtbeton um einiges leichter als herkömmlicher Massivbeton und weist diesem gegenüber zudem einige bedeutende Vorteile auf. Blähbeton wird aus einem Gemenge von Zement, Wasser und einer oder mehreren leichten Gesteinskörnungen wie Blähton, Blähglas, Ziegelsplitt, Holz, Polystyrol oder Luft hergestellt. Das Gemisch wird auf einem Tisch in die vorbereiteten Formen gefüllt und gewälzt. Durch den geringen Bindemittelgehalt in den Blähtonwänden ist der Wasserbedarf sehr niedrig und die Austrocknungszeit kürzer. Schon nach einer Nacht kann die Wand aus der Form genommen werden. Nach einer Woche hat sie die notwendige Festigkeit, ist sehr trocken und kann eingesetzt werden.

Wirtschaftsforum: Wie wird Leichtbeton im Gebäudebau verwendet?

Anja Knoll: Blähbeton eignet sich hervorragend für die Fertigbauweise. Die Wände werden geschosshoch – bis zu 3,5 m – mit Stärken von 10 cm bis 30 cm in unserem Werk hergestellt und auf dem Lkw just in time zur Baustelle transportiert. Dort wird der Rohbau innerhalb weniger Tage errichtet. Möglich sind jedoch auch Längen bis zu 12 m. Die Öffnungen für Fenster und Türen sowie Aussparungen für die sanitären Einrichtungen sind in den Fertigwänden bereits vorhanden. Die Wand-elemente werden ebenfalls mit eingegossenen Elektroleerdosen und Installationsrohren versehen, was die Fertigstellung erheblich erleichtert und beschleunigt.

Wirtschaftsforum: Welche vorteilhaften Eigenschaften weist Blähbeton auf?

Anja Knoll: Diese Bauweise hat viele funktionelle Vorteile. Die Leichtbetonwände besitzen ein geringes Flächengewicht, halten aber dennoch hohe statische Belastungen aus. Sie sind sowohl atmungsaktiv als auch schall- und wärmedämmend. Sie nehmen Wärme und Feuchtigkeit auf und geben sie langsam wieder ab. Der Blähton tötet Schimmelpilze ab, was das Raumklima verbessert. Dank der geringeren Masse werden zudem die Rauminnenmaße maximiert und durch die schlanken Wände, ohne zusätzlichen Putz, wird Wohnfläche gewonnen.

Wirtschaftsforum: Stellt Blähbeton auch eine nachhaltige und ökologische Alternative dar?

Anja Knoll: Absolut. Der geringe Material- und Energieverbrauch von Blähbeton ist einerseits sehr ressourcenschonend, während die auf 100 Jahre ausgelegte Lebensdauer für eine hohe Nachhaltigkeit spricht. Wir beziehen das Rohmaterial von der nur 15 km entfernten Firma Cemex Deutschland AG, die ab 2030 CO2-neutral sein wird. Wir können bereits für jedes Bauvorhaben den CO2-Fußabdruck berechnen.

Wirtschaftsforum: Wer sind Ihre Kunden?

Anja Knoll: Wir sind hauptsächlich im Wohnungsbau tätig und realisieren jedes Jahr den Rohbau für rund 1.000 Wohneinheiten für Privatkunden und Bauunternehmen. In den letzten fünf Jahren haben wir zunehmend auch an größeren Projekten wie Hotels, Seniorenresidenzen und Studentenwohnheimen gearbeitet. Ein wichtiger Meilenstein wurde 2021 mit dem Bau eines Hochhauses am Hamburger Mexico-Ring erreicht. Der Erfolg dieses Projekts zeigt wie kaum ein anderer die Leistungsfähigkeit von Leichtbeton.

Wirtschaftsforum: Sie sind eine Frau in einer leitenden Position in einer von Männern dominierten Branche. Wie ungewöhnlich ist das?

Anja Knoll: In Deutschland ist das in den meisten Fällen sogar ausgeschlossen, es sei denn man ist mit der Firma verwandt oder verschwägert. Tinglev hat jedoch skandinavische Wurzeln. Das Unternehmen wurde 1989 als Tochter einer dänischen Firma gegründet und 2011durch die norwegische Contiga Group gekauft. Mutter und Tochter wurden somit gleichgestellt. Das war für uns strukturell eine Art Emanzipierung und als mein Vorgänger in Rente ging, habe ich mich erfolgreich auf seine Position beworben. Ich bin Bauingenieurin mit 25 Jahren Erfahrung im Schlüsselfertigbau und habe bei meiner Bewerbung auch einen Businessplan für die Firma erstellt, der auch verfolgt wird. Zunächst war ich überrascht, den Zuschlag bekommen zu haben, aber es zeigt auch, dass man sich als Frau in unserem Unternehmen nicht verstecken muss. 

Wirtschaftsforum: Wie lässt sich die Unternehmenskultur charakterisieren?

Anja Knoll: Die Unternehmenskultur ist sehr skandinavisch geprägt. Wir sind Hygge-verrückt. Das ist ein dänisches Wort, das mit Wohlbefinden zu tun hat. Das spiegelt sich auch in unserer Beziehung zu unseren Arbeitnehmern wider. Kürzlich haben wir unserer Belegschaft ein neuartiges Exoskelett vorgeführt, das das Heben schwerer Lasten erleichtert. Dies ist auch eine Art Krankheitsvorbeugung und wir überlegen ernsthaft, so etwas anzuschaffen. Wir feiern auch die Vielfalt unserer Belegschaft, indem wir gemeinsam mit ihnen ihre verschiedenen nationalen Bräuche zelebrieren. Und natürlich findet sich diese Einstellung eben auch in unserem Produkt wieder, welches für ein angenehmes Raumklima sorgt.

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