„Wir sind Zeitzeugen einer industriellen Revolution“

Interview mit Mario Beck, Geschäftsführer der Süwag Vertrieb AG

Wirtschaftsforum: Herr Beck, seit wann existiert die Süwag?

Mario Beck: Unser Unternehmen entstand 2001 aus einer Fusion von mehreren regionalen Energieversorgern in Hessen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Bayern. Sie haben teilweise eine über 100 Jahre lange Geschichte. In diesen Bundesländern befinden sich auch unsere jetzigen zwölf Vertriebsstandorte, sodass wir immer nah an unseren Kunden sind. Im kWh-Vertrieb sind wir bundesweit tätig. Zu unserer Süwag-Gruppe gehören auch die Netze und Kraftwerke. Wir haben 16 Wasserkraftwerke in Betrieb, die teilweise 120 Jahre alt sind. Die Gruppe realisiert einen Jahresumsatz von zwei Milliarden EUR und beschäftigt 1.700 Mitarbeiter, Süwag Vertrieb rund 300.

Wirtschaftsforum: Was genau ist Ihre Aufgabe im Unternehmen?

Mario Beck: Unsere Gruppe besteht aus drei großen Gesellschaften, die Syna als Netzbetreiber, Süwag Grüne Energien und Wasser und Süwag Vertrieb, wo ich einer von zwei Geschäftsführern bin. Mein Kollege ist verantwortlich für unsere etwa 800.000 Privatkunden. Ich bin zuständig für die rund 40.000 Geschäftskunden und das Portfoliomanagement, also die Energiebeschaffung.

Wirtschaftsforum: Welche Leistungen bietet die Süwag als Energieversorger?

Mario Beck: Unsere Kerngebiete sind Strom und Erdgas. Wir bieten darüber hinaus auch eine ganze Reihe von Energiedienstleistungen und damit einen echten Mehrwert für unsere Kunden. Wir haben zum Beispiel in verschiedenen Städten Elektroroller als Sharing-Modell im Einsatz. Im Bereich Mobilität installieren wir Ladelösungen für E-Autos und ganze Fuhrparks. Unsere Syna baut und wartet auch Trafostationen.

Wirtschaftsforum: Womit heben Sie sich darüber hinaus von anderen Energieversorgern ab?

Mario Beck: Das Wichtigste sind die Menschen, unsere Mitarbeiter mit ihrer hohen Beratungskompetenz und ihrem Know-how. Wir haben viele langjährige Beschäftigte, die die Kunden über lange Zeit betreuen, und Spezialisten auf verschiedenen Gebieten. Dadurch können wir beispielsweise Empfehlungen aussprechen, wann der geeignete Zeitpunkt ist, um Verträge abzuschließen und Energie zum Beispiel in Tranchen einzukaufen. Unsere Kunden können so von starken Preisvorteilen profitieren. Als ganzheitlicher Lösungsanbieter beschäftigen wir eigene Ingenieure, die die Kunden beraten, wie sie ihre Prozesse energieeffizient gestalten können, und die Energieaudits durchführen. Unsere Mitarbeiter sind zertifizierte Experten auf ihren Gebieten. In der Wohnungswirtschaft sind wir mit unserem Konzept Quartierkraftwerke sehr erfolgreich. Das Konzept kombiniert Photovoltaik und mit Bio-Methan betriebene Blockheizkraftwerke mit einem Energiespeicher. Es sorgt dafür, dass sich die Quartiere weitgehend autark versorgen können.

Wirtschaftsforum: Wichtig ist ja heute das Thema grüner Strom. Was bieten Sie in diesem Bereich an?

Mario Beck: Strom aus grünen Quellen wird von Privat- und Geschäftskunden immer mehr nachgefragt. Wir führen mit unseren Kunden große Vergrünungsprojekte durch, teilweise über Zertifikate. Im Bereich Erdgas wird zertifizierte CO2-Neutralität über CO2-Einsparungsprojekte erreicht. Beim Strom ist das Thema Power Purchase Agreement, PPA, im Kommen: Statt nur einen länderbezogenen Herkunftsnachweis auszustellen, wird eine festgelegte Erzeugungsmenge, zum Beispiel aus einem bestimmten Windpark, konkret einem Kunden zugeordnet. Das ist nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Glaubwürdigkeit ein interessantes Modell. Der Kunde fördert damit Erneuerbare-Energien-Projekte, die ohne die EEG-Umlage ermöglicht oder weitergeführt werden. Von ökonomischem Interesse ist, dass PPA für unterschiedliche Vertragslaufzeiten Kalkulationssicherheit sowohl für den Anlagenbetreiber als auch für das Energiebudget bieten. Noch ist auf diesem Gebiet viel Pionierarbeit zu leisten. Wir haben jüngst erste kleine Grünstrom-Direktverträge mit mittlerer Laufzeit abgeschlossen.

Wirtschaftsforum: Der Energiemarkt befindet sich in einem großen Wandel. Mit welchen Entwicklungen rechnen Sie?

Mario Beck: Der Bedarf an Elektrizität wird sich langfristig deutlich erhöhen. Deshalb muss die Angebotsseite unbedingt ausgebaut werden. Die letzten Kernkraftwerke gehen Ende 2022 vom Netz, der Kohleausstieg soll nach jetzigem Stand spätestens 2038 erfolgen. Wir wissen also recht genau, wo wir aussteigen. Besser wäre es, wenn auch klarer wäre, wo wir in welcher Geschwindigkeit einsteigen. Wir sind alle gefordert, die Energieträger im Bereich Erneuerbare Energien massiv auszubauen. Als Süwag wollen wir beispielsweise im Bereich PV unseren Beitrag leisten. Der Marktpreis für Energie wird sicherlich tendenziell hoch bleiben. PV-Projekte bieten die Möglichkeit, sich davon etwas unabhängiger zu machen. In meiner Position empfinde ich diese Zeit als extrem fordernd, aber auch sehr spannend. Denn wir sind Zeitzeugen und Beteiligte einer neuen industriellen Revolution.

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