Erfolgreiche Übernahme eines Technologieführers

Interview mit Jost Orichel, Geschäftsführer der Spilker Precision International GmbH und Yvonne Boels, Vorsitzende des Family Office Boels & Partners und CEO von Spilker

Wirtschaftsforum: Herr Orichel, knapp vier Monate nach der Übernahme am 1. Februar schreibt Spilker bereits wieder schwarze Zahlen. Wie wurde dies erreicht?

Jost Orichel: Wenn wir als Investoren nach einer Insolvenz einsteigen, haben wir ganz andere Handlungsmöglichkeiten. Abgesehen von den finanziellen Schwierigkeiten hat Spilker viele positive Aspekte, auf denen wir aufbauen können. Als Technologieführer verfügt Spilker über eine unvergleichliche Kompetenz und Fertigungstiefe sowie einen treuen Kundenstamm in Märkten mit großem Potenzial.

Wirtschaftsforum: Frau Boels, warum haben Sie sich für eine Investition in Spilker entschieden und was sind Ihre langfristigen Ziele?

Yvonne Boels: Ich bin Unternehmerin in 2. Generation und habe vor zwei Jahren das Family Office gegründet, um in Unternehmen zu investieren, die sich in finanzieller Schieflage befinden oder keinen Nachfolger haben. Die Spilker Precision International ist das dritte Unternehmen im Portfolio. Von entscheidender Bedeutung ist der langfristige Charakter unseres Engagements. In diesem Sinne unterscheidet sich Boels & Partners von einem klassischen Private Equity-Unternehmen. Wir sind nicht an einem schnellen Verkauf interessiert, sondern wollen die Unternehmen wieder gesund sehen und langfristig in unserem Portfolio halten. Dabei stellen wir nicht nur Finanzkapital zur Verfügung, sondern auch strategische Beratung, umfangreiche Branchenkenntnisse und ein globales Netzwerk.

Wirtschaftsforum: Welche Bereiche deckt das Spilker-Produktportfolio ab?

Jost Orichel: Spilker ist in den drei Kerngeschäftsbereichen Rotationswerkzeuge, Stanzbleche und Maschinenbau aktiv. Wir gehören zu den weltweit führenden Anbietern für Stanzformen und haben Kunden auf allen Kontinenten. Unsere Stanzformen werden typischerweise in der Druck- und Etikettenindustrie zur Herstellung von Haftetiketten für namhafte Kunden aus der FMCG-Branche eingesetzt. Unsere Rotationswerkzeuge finden auch vielfältige Anwendungen in der Automotivbranche sowie in zahlreichen anderen Industriezweigen. Der Bereich Maschinenbau ist die jüngste Ergänzung des Portfolios. Wir haben alle drei Bereiche übernommen, da alle Substanz und Potenzial für die Zukunft zeigen. Da Stanzformen als Verschleißprodukt zu sehen sind, macht der Service auch einen wichtigen Teil unseres Umsatzes aus.

Wirtschaftsforum: Welche Stärken tragen zum Erfolg von Spilker bei?

Jost Orichel: Das größte Kapital von Spilker ist das Know-how seiner Mitarbeiter und die sehr hohe Kundenorientierung. Wir sind sehr froh, dass wir alle in der Produktion halten konnten und ermutigen sie, aktiv zum Erfolg des Unternehmens beizutragen. Um eine Analogie zum Fußball zu verwenden: Wir wollen den Toni Kroos-Effekt und nicht den Ronaldo-Effekt erzielen. Wir wollen, dass Leute aus dem bestehenden Team die Verantwortung übernehmen, anstatt jemanden von außen zu holen, der das Gleichgewicht stört.

Yvonne Boels: Unser Fokus liegt auf der Belegschaft. Wir setzen voll auf ihr Know-how und haben bereits erfolgreich Mitarbeiter aus der Produktion in den Vertrieb befördert. Wir wollen die Leute generationsübergreifend beschäftigen und ihnen Perspektiven anbieten.

Dazu bieten wir die bestmögliche Ausbildung an. Außerdem haben wir die Hierarchie deutlich gestrafft und damit den Teamgeist in den Vordergrund gestellt.

Wirtschaftsforum: Welche Ziele verfolgen Sie für die Zukunft?

Jost Orichel: Wir wollen uns nicht zu sehr in Träumen verlieren. Unser unmittelbarer Fokus liegt auf dem Kerngeschäft, in dem wir uns auszeichnen. Die Stabilisierung des Geschäfts ist das kurzfristige Ziel, aber mittelfristig gibt es viel Ausbaupotenzial. Der Name Spilker ist weltweit angesehen, ebenso wie das Prädikat ʻMade in Germanyʼ. Gepaart mit Investitionen in Maschinen und Mitarbeiter sind wir gut aufgestellt, um von Wachstumsmärkten wie dem Rüstungssektor zu profitieren.

Wirtschaftsforum: Was ist Ihre persönliche Motivation?

Yvonne Boels: Das Schönste, was man tun kann, ist, ein bestehendes Unternehmen zu übernehmen, das sich in Schwierigkeiten befindet, und es wieder auf den Weg des Erfolgs zu führen. Das kostet viel Energie, die aber durch die Befriedigung, die der Turnaround mit sich bringt, reichlich belohnt wird. Wir sind jetzt schon mit Spilker auf einem sehr guten Weg und blicken sehr zuversichtlich in die Zukunft.

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