„Wir suchen nicht nach dem Hype, der vielleicht kurzfristig profitabel ist“
Interview mit Peter Guse, CEO der Robert Bosch Start-up GmbH

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Wirtschaftsforum: Herr Guse, Bosch ist als Unternehmen und Marke zugleich weltweit bekannt. Inwiefern profitiert davon grow beziehungsweise die Robert Bosch Start-Up GmbH?
Peter Guse: Wir nutzen die Marke sowohl für den Firmenauftritt, das Produkt-Labeling sowie das Recruiting, wo es nützlich und möglich ist. Wir haben aber auch Start-ups aufgesetzt, bei denen wir die Marke außen vorlassen. Ein gutes Beispiel ist Mayfield Robotics in den USA mit Kuri, einem Hausroboter. Wir haben die Marke bewusst unsichtbar gelassen. Wir wollen erst einmal mit dem Kunden testen, ob er an sich das Produkt haben und bezahlen möchte.

„Es gibt immer wieder Ideen, die in Gefahr laufen, durch das Raster der Geschäftsbereiche zu fallen. Diesen wollen wir eine Heimat bieten.“ Peter Guse
Wirtschaftsforum: Sie verwenden inhaltlich starke Begriffe wie „Heimat“, „Durchstarter“, „Selbstverwirklicher“ oder „Querdenker“ bei grow. Die Plattform selbst ist aber in Englisch aufgesetzt. Was ist der Grund hierfür?
Peter Guse: Wir haben mit grow natürlich in Deutschland angefangen und zwar in Stuttgart. Wir reden hier bei Bosch viel über Transformation und das betrifft alle Mitarbeiter. Zum einen ändern sich Produkte, zum anderen die Firmenkultur. Das muss auch so sein, um erfolgreich auf dem Markt bestehen zu können und spiegelt sich in den Begriffen, die wir verwenden. Nehmen Sie zum Beispiel Heimat. Der deutsche Begriff Heimat hat eine viel umfassendere Bedeutung als das englische „home“ oder „homestead“. Wir meinen keinen Ort, sondern eine Umgebung. Eine Umgebung, in der man praktische Unterstützung, aber auch kritische Herausforderung findet.
Wirtschaftsforum: In einem Clip zeigen Sie, was sich hinter dem Claim „It’s just an idea – until it grows“ verbirgt. Von wem sollen die Ideen kommen, die mit Hilfe von grow umgesetzt werden?
Peter Guse: Angefangen haben wir mit der internen zentralen Forschung. Bevor ich Leiter der Start-up Plattform wurde, war ich im Innovationsmanagement bei Bosch tätig. Irgendwann habe ich gesagt: Es gibt immer wieder Ideen, die Gefahr laufen, durch das Raster zu fallen. Diesen müssen wir eine Heimat bieten. Also haben wir mit den Mitarbeitern der zentralen Forschung begonnen und uns im nächsten Schritt der Bosch-Gruppe weltweit geöffnet. Wir bauen jetzt verstärkt unser Netzwerk außerhalb des Konzerns auf.

„Der deutsche Begriff Heimat ist viel umfassender als das englische home oder homestead.“ Peter Guse
Wirtschaftsforum: grow präsentiert sich als Plattform für Start-ups. Wie genau beziehungsweise in welcher Form werden Start-ups unterstützt?
Peter Guse: Wir haben drei Tätigkeitsfelder. Es beginnt mit Experience, wo wir unseren eigenen Teams, aber auch anderen Bosch-Mitarbeitern grundlegend vermitteln, wie Start-ups arbeiten. Im nächsten Schritt können die Mitarbeiter in unsere Räume einziehen, wenn sie ein Thema haben, das mit Neugeschäft zu tun hat. Dort bieten wir eine Co-Working-Umgebung, in der sie weiter daran arbeiten können. Schließlich haben wir mit Inkubation die intensivste Stufe. Dabei finanzieren und führen wir Innovationsteams bis zum fertigen Produkt.
Wirtschaftsforum: Sie unterstützen momentan sechs Start-ups, von denen sich zunächst Mayfield Robotics mit dem Heimroboter Kuri abhebt. Inwiefern hat Mayfield Vorzeigecharakter?
Peter Guse: Wir haben damals mit ganz großem Enthusiasmus die Gelegenheit ergriffen, ein Start-up im Silicon Valley aufzusetzen. Heimroboter gehören nicht zu unserem Kerngeschäft. Ungeachtet dessen wird Mayfield mit Kuri eines der ersten Unternehmen sein, das einen solchen Heimroboter in Serie fertigt und ab Ende 2017 in den USA verkauft. Der Weg von der ersten Idee bis hin zum fertigen Produkt dauerte gerade mal gut zwei Jahre. Das ist ganz eindeutig ein Maßstab für Geschwindigkeit. Natürlich sind alle gespannt, wie der Marktstart laufen wird.

„Start-ups sind ein wichtiger Baustein in der Innovationslandschaft.“ Peter Guse
Wirtschaftsforum: Wobei die Zusammenarbeit zwischen Konzernen und Start-ups ja unterschiedlich aussehen kann. Wir würden Sie das Verhältnis zwischen diesen vermeintlichen Extremen beschreiben?
Peter Guse: Da treffen schon zwei unterschiedliche Welten aufeinander. Konzerne sind zum Beispiel hochgradig spezialisiert, das ist auch bei Bosch der Fall. Start-ups haben das typischerweise nicht, da schon die Teams viel kleiner sind. Jeder macht gerade am Anfang alles. Ein weiterer Punkt ist die Einstellung zum Risiko: Beim Start-up stehen erst einmal die Möglichkeiten im Vordergrund. Also die Frage: Welche Chancen bieten sich und was könnte ich daraus machen?
Wirtschaftsforum: Lassen Sie uns die Frage zuspitzen. Können Konzerne und Start-ups für sich allein überhaupt noch dauerhaft erfolgreich sein?
Peter Guse: Start-ups sind ein wichtiger Baustein in der großen Innovationslandschaft. Unternehmen müssen natürlich auch mit wissenschaftlichen Einrichtungen zusammenarbeiten, sie müssen sich Wettbewerber, Partner und Lieferanten anschauen. In diese Landschaft gehören auch Start-ups. Wenn eines dieser Elemente weggelassen wird und andere Wettbewerber mit ihnen zusammenarbeiten, dann hat man auf dem Markt einfach schlechtere Karten.

„Wir nehmen keine Idee ohne ihr Team und wir nehmen auch kein Team ohne Idee.“ Peter Guse
Wirtschaftsforum: Abschließende Frage: Was muss eine Idee für Sie haben, um ihre Heimat bei grow zu finden?
Peter Guse: Eigentlich ist das relativ simpel. Wir sind natürlich immer durch Bosch und seine Größe als Unternehmen geprägt und wir suchen Ideen, die dazu passen. Stichwort ist unser Slogan „Technik fürs Leben“. Wir haben dahingehend einige Themenfelder vorformuliert. Das wären zum Beispiel Vernetzung, Automatisierung oder Digitalisierung. Zudem sollten die Ideen sich beliebig skalieren lassen, lokal und auch zeitlich. Wir suchen nicht nach dem Hype, der vielleicht kurzfristig profitabel ist. Entsprechend haben wir unser Motto formuliert: Wir brauchen ein Team mit einer Idee! Wir nehmen keine Idee ohne ihr Team und wir nehmen auch kein Team ohne Idee.