Recycling von A bis Z
Interview mit Christophe Gence, CEO und VR-Delegierter der Paprec Schweiz AG
Wirtschaftsforum: Herr Gence, was ist heute das Kerngeschäft von Paprec Schweiz und wo sehen Sie sich damit am Markt?
Christophe Gence: Unser Geschäft fußt auf drei Säulen: Recycling, Akten- und Datenträgervernichtung sowie Rohstoffhandel. Im Bereich Recycling sind wir landesweit bereits eine Referenz für Papier und Karton. Die Produkte haben unterschiedliche technische Eigenschaften und wirtschaftliche Werte. Wir möchten uns über Papier und Karton hinaus zu einem One-Stop-Shop weiterentwickeln und alle Stoffe bearbeiten, die recycelbar sind. Recycling bedeutet immer gleichzeitig Rohstofferzeugung. Wir bringen hier Expertisen entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit. Anfang dieses Jahres haben wir innerhalb der Paprec-Gruppe eine neue Sparte für die thermische Wiederverwertung gegründet. In Frankreich, Polen, UK und Aserbaidschan betreiben wir dafür bereits rund 40 Anlagen.
Wirtschaftsforum: Sie recyceln also, um Ressourcen zu schonen und schaffen gleichzeitig damit neue, wiederverwertbare Rohstoffe?
Christophe Gence: Genau. Wir trennen sicher und sauber, sodass die Rohstoffe auch wirklich verwertet werden können. Hier sehen wir aktuell zwei Trends am Markt. Zum einen werden durch Homeoffice und das Wachstum des E-Commerce in Europa deutlich mehr Kartonprodukte nachgefragt. Zum anderen hatte China bereits 2018 einen Importstopp von Sekundärrohstoffen eingeleitet. Bedingt durch die COVID-19-Krise erfahren wir jetzt eine Volumenerhöhung. Überall fehlt Material und die Preise steigen auf ein Niveau, wie wir es das letzte Mal vor zehn Jahren hatten.
Wirtschaftsforum: Welche Trends und neuen Entwicklungen sehen Sie im Bereich der Datenträgervernichtung?
Christophe Gence: Wir haben vor Kurzem elektronische Schließsysteme bei unseren Tochtergesellschaften DataEX 4000 AG und Reisswolf Aktenvernichtungs-AG eingeführt, eine Toptechnologie, mit der man Behälter mit einer elektronischen Zugangskarte öffnen und die Rückverfolgbarkeit sichern kann. Durch die DSGVO ist das Volumen im Bereich der Datenvernichtung deutlich gestiegen, nicht nur bei großen Unternehmen, sondern auch bei den KMUs, bei Anwälten und Ärzten. Wir haben hier ein Internet-Tool entwickelt, über das die Kunden online ihre Anfragen platzieren können, auf die dann automatisch Angebote und Dienstleistungsverträge abgestimmt werden. So können wir die Prozesse vereinfachen und beschleunigen. Spätestens Anfang 2022 möchten wir auch unsere operativen Prozesse weiter digitalisieren, zum Beispiel, wenn wir Behälter zu Kunden liefern oder dort abholen, ebenso wie die Verschickung der Vernichtungsprotokolle.
Wirtschaftsforum: Sie sind ein Tochterunternehmen der Paprec Group, die vor allem als Produzent von Sekundärrohstoffen bekannt ist. Welche Vorteile ergeben sich durch die Zugehörigkeit zu der Gruppe?
Christophe Gence: Die Paprec Group ist ein französisches Familienunternehmen mit über 12.000 Mitarbeitern weltweit und einem Jahresumsatz von rund zwei Milliarden EUR. Die Gruppe denkt global und wir profitieren von dem weltweiten Netzwerk der Gruppe. Auch wenn wir Spezialisten sind, ist die Dienstleistung im Bereich der Entsorgung und Recycling inzwischen global.
Wirtschaftsforum: Wer sind Ihre wichtigsten Zielgruppen?
Christophe Gence: Im Recycling sind wir sowohl als Dienstleister tätig, zum Beispiel für Kommunen, Städte, Industrie und Gewerbe. Darüber hinaus zählen Papier-, Karton-, Kunststoff- und Schrott- und Metallwerke zu unseren Kunden, an die wir unsere Rohstoffe verkaufen. Im Bereich der Datenvernichtung agieren wir für Unternehmen aller Größenordnungen sowie für Dienstleister, wie Ärzte und Anwälte. Durch die DSGVO sind einige neue Kundengruppen hinzugekommen.
Wirtschaftsforum: Welche Themen haben Sie für dieses Jahr noch auf der Agenda?
Christophe Gence: Wir werden weiter in unsere Entwicklung investieren. Die Branche wird sich zunehmend industrialisieren. Das bedeutet, dass wir unsere Sortieranlagen und Fahrzeuge modernisieren müssen. Auch im Bereich des Umweltschutzes müssen wir immer auf dem neuesten Stand der Technologie sein und uns an die Marktveränderungen anpassen. In der Schweiz werden wir eine Marktkonsolidierung erleben. Sie setzt nur später ein als in anderen EU-Ländern. Wir möchten in der Schweiz unsere Marktposition weiter stärken und auch im französischsprachigen Teil des Landes Fuß fassen.
Wirtschaftsforum: Welches langfristige Ziel verfolgen Sie mit mit Ihrem Unternehmen?
Christophe Gence: Wir sind heute einer der Top-Drei-Namen der Papier- und Kartonrecyclisten in der Schweiz. Diese Marktposition möchten wir auch auf die Bereiche Schrott, Metall, Kunststoff und Holz ausweiten und zu den Marktführern in den verschiedenen Rohstoffen gehören. Darüber hinaus soll Paprec Schweiz national als Arbeitgeber eine Referenz werden. Die Unternehmen und Menschen, die in unserer Branche tätig sind, sollen uns als Firma mit einer Kultur wahrnehmen, in der jeder einzelne Mitarbeiter wichtig ist.