Je mehr man übereinander weiß, desto besser wird es
Interview mit Julia Bösch, Gründerin und CEO der Outfittery GmbH
Wirtschaftsforum: Frau Bösch, Outfittery bietet Männern persönliche Beratung in Sachen Mode. Warum haben Sie sich für Männer als Zielgruppe entschieden? Benötigen Frauen keine Beratung in Modefragen?
Julia Bösch: Wir sehen einfach ein sehr großes Potenzial im Menswear-Bereich. Männer haben einfach ein anderes Einkaufsverhalten als Frauen. Männer sind größtenteils ‚Bulk-Käufer‘ – das heißt, sie kaufen gern alles auf einmal und haben das Thema dann erstmal ‚vom Tisch‘. Dieses Verhalten passt gut zu unserem Konzept. Frauen sind etwas komplizierter, was Mode angeht. Sie haben oft mehr Freude am Einkaufen und kaufen öfters einzelne Sachen, wie einen Pulli, anstatt alles auf einmal. Frauen sind auch komplizierter bei den Passformen.
„Männer sind größtenteils ‚Bulk-Käufer‘- das heißt, sie kaufen gern alles auf einmal und haben das Thema dann erstmal ‚vom Tisch‘.“ Julia Bösch
Wirtschaftsforum: Zalando hat es vorgemacht und bietet seinen Kunden einen kostenlosen Liefer- und Retourenservice an. Diese Entscheidung entpuppte sich allerdings aus wirtschaftlicher Sicht als schwierig. Wie gehen Sie mit diesem Thema bei Ihrem Unternehmen um?
Julia Bösch: Retouren sind bei uns schon immer fester Teil des Geschäftsmodells: Wir schicken dem Kunden eine Auswahl an verschiedenen Kleidungsstücken zur Anprobe nach Hause, aus denen er dann seine Lieblingsteile wählt. Ein wenig wie in einer Umkleide im Laden: Man nimmt erstmal vieles mit rein zum Anprobieren, kauft am Ende aber nicht alles. Zudem lernen wir aus jeder Retoure etwas – das System empfiehlt dem Stylisten bei der nächsten Bestellung des Kunden dann entsprechende Artikel, oder eben nicht, basierend auf der Kauf- und Retourenhistorie. Somit werden wir über die Zeit immer besser darin, nicht nur Passformen oder Farbvorlieben, sondern auch den Bedarf des Kunden zu kennen.
Wirtschaftsforum: Eines Ihrer Assets ist die persönliche Beratung: Wie gut funktioniert diese, wenn man sich dabei nicht in die Augen schauen kann?
Julia Bösch: Das ist ein bisschen wie in einer Beziehung: Man muss sich erst kennenlernen und je mehr man übereinander weiß, desto besser wird es. Zu Beginn weiß der Stylist noch verhältnismäßig wenig über jemanden, je mehr er aber aus Telefonaten, Emails aber auch Retouren und behaltenen Teilen lernt, desto passgenauer kann er die Auswahl für den Kunden zusammenstellen.
„Das ist ein bisschen wie in einer Beziehung: Man muss sich erst kennenlernen und je mehr man übereinander weiß, desto besser wird es.“ Julia Bösch
Wirtschaftsforum: Sie haben Kunden in vielen europäischen Ländern. Wie schaffen Sie es, in Ihrer Beratung die länderspezifischen Vorlieben zu treffen?
Julia Bösch: Wir beschäftigen Stylisten aus allen Ländern, in denen wir tätig sind. In der Schweiz werden Kunden von Schweizer Stylisten bedient, in Schweden von schwedischen Stylisten, et cetera. So stellen wir sicher, dass das Know-how über Markt und Vorlieben gegeben ist. Außerdem haben wir ganz verschiedene Marken – rund 100 insgesamt – im Sortiment. Unser Einkaufsteam achtet jede Saison darauf, für jedem Geschmack das Richtige parat zu haben.
Wirtschaftsforum: Eine persönliche Frage zum Abschluss: Bevorzugen Sie selbst beim Einkaufen den persönlichen Kontakt oder shoppen Sie alles online?
Julia Bösch: Das ist einfach zu beantworten: Online! Ich habe einfach viel zu wenig Zeit, um offline in den Läden zu stöbern, und empfinde das auch eher als stressig. Ich verrate Ihnen auch noch ein Geheimnis: Ab und zu habe ich auch mal das Glück, dass unsere Stylisten für mich shoppen. (lacht)
Interview: Aurelia Leppen | Fotos: Outfittery GmbH