Auf neuem Kurs
Interview mit Robert Jung, Geschäftsführer der NORDSEE GmbH
Die Geschichte von NORDSEE reicht noch viel weiter zurück, als man vermuten würde. Am 23. April 1896 wurde die Firma von einer Gruppe Bremer Reeder und Kaufleute auf die Initiative von Adolf Vinnen als Deutsche Dampffischerei- Gesellschaft NORDSEE gegründet und bereits 1999 wurde die erste Niederlassung in Österreich eröffnet.
„Bis 1965 war es ein reines Handelsunternehmen“, erläutert Geschäftsführer Robert Jung. „Dann aber wurde das Konzept der Quick-Restaurants gestartet. Das war damals völlig neuartig. Wir waren somit einer der Pioniere des Systemgastronomie.“ Heute ist die Gastronomie der absolute Schwerpunkt und macht 89% des 350 Millionen EUR Umsatzes aus.
Allein an der Spitze
Die Geschäftsleitung der NORDSEE GmbH setzt sich aus CEO Hiltrud Seggewiß, COO/CMO Robert Jung und CFO Claus Schlüter zusammen. Robert Jung ist seit 2009 für NORDSEE tätig, zunächst als Country-Manager für Österreich.
2014 wechselte er in die deutsche Geschäftsführung, es steht aber schon fest, dass er ab Januar 2016, wenn der jetzige CEO in den Aufsichtsrat wechselt, das Gesamtunternehmen leiten wird.
Eine große Aufgabe, denn NORDSEE ist der internationale Marktführer in der Fisch-Systemgastronomie. „Einen direkten Mitbewerber in diesem Bereich haben wir nicht“, stellt Robert Jung fest. „Was für uns wichtig und entscheidend ist, ist der indirekte Wettbewerb, da es ja letztendlich um den Share of Stomach geht. Natürlich messen wir uns da mit allen anderen Anbietern, angefangen bei der klassischen Fast-Food- oder Systemgastronomie bis hin zum Snackgeschäft, welches auch Bäckereiketten in den letzten Jahren immer stärker anbieten.“
NORDSEE kann sich aber gewiss nicht über mangelnde Kundschaft beklagen. Im Jahr 2014 wurden 19 Millionen Kunden bedient.
Auf allen Kanälen
NORDSEE nutzt die Möglichkeiten von drei verschiedenen Verkaufskanälen: Restaurants, Snacks zum Mitnehmen und nun auch verstärkt den Lebensmitteleinzelhandel.
„Wir sind Europas Kompetenz- und Qualitätsführer in der Fisch-Systemgastronomie.“ Robert JungGeschäftsführer
„Wir unternehmen gerade einen strategischen Schritt mit dem Eintritt der Marke NORDSEE in den Lebensmitteleinzelhandel“, offenbart Robert Jung. „Wir starten mit 13 Produkten, unter anderem Fischfeinkostsalate, Aufstriche, Räucherfisch und Backfisch als Snack. Ab Dezember wird es auch TV-Spots dazu geben mit dem Slogan ‚Wir sind Fisch.‘ Wir wollen überall präsent sein, wo der Kunde mit dem Thema Fisch in Berührung kommt. Und dazu gehört natürlich auch der Lebensmitteleinzelhandel.“
Eine neue Ausrichtung
Zudem bedeutet die Kombination dreier Verkaufskanäle eine breite Aufstellung, Flexibilität und Stabilität. „Das macht unser Business zwar komplex, aber auch schwer kopierbar“, meint Robert Jung. „Die Markteintrittshürden für potenzielle Mitbewerber sind entsprechend hoch. Das ist wohl auch der Grund warum NORDSEE in der Fisch-Systemgastronomie bis heute faktisch allein unterwegs ist.“
Zudem verfügt die Firma über eine über Jahre hinweg sorgfältig aufgebaute Versorgungskette. „Wir haben über 120 Jahre Erfahrung“, betont Robert Jung. „Wir sind in der Branche groß geworden.“
Wie groß genau, das zeigt die Zahl der Niederlassungen. NORDSEE verfügt über 270 eigene und 111 Franchisebetriebe. 324 der Filialen befinden sich in Deutschland, 34 in Österreich. Zudem gibt es noch jeweils vier in der Slowakei, Rumänien, Ungarn und Tschechien, zwei in Bulgarien, drei in der Schweiz, sowie je einen Standort in Belgien und in Dubai.
„Die Ostexpansion war vor einigen Jahren ein strategisches Thema“, erklärt Robert Jung. „Auch wenn das Geschäft dort gut läuft, nach dem Wechsel in der Eigentümerstruktur von NORDSEE konzentriert sich unsere neue Strategie auf Deutschland und Österreich, und zwar ganz massiv. Mit Ausblick auf 2017 wird auch die internationale Expansion auf der Agenda stehen.“
Hand in Hand
NORDSEE ist Teil einer Holding-Struktur, die sich im Besitz der Müller-Gruppe und Heiner Kamps befindet. Die NORDSEE GmbH, dessen Zentrale nächstes Jahr in ein neues Hauptgebäude in Bremerhaven umziehen wird, ist für die operative Seite zuständig.
Eine Besonderheit ist der hohe Frauenanteil bei den 5.200 Beschäftigten. „Wir haben vergleichsweise flache Hierarchien“, meint Robert Jung. „Bei solch überschaubaren Strukturen fällt es uns nicht schwer, auch Führungspositionen mit geeigneten Kandidatinnen zu besetzen. Ich könnte mir überhaupt nicht vorstellen, im Führungskreis nur mit Männern zusammen zu arbeiten. Es muss ein ausgewogenes Verhältnis sein um eine effektive Führungskultur zu gewährleisten.“
Er räumt aber auch ein, dass die in den letzten Jahren eher zurückhaltende Kommunikation des Unternehmens sowohl die Mitarbeitersuche als auch die Kundengewinnung erschwert habe.
„Es reicht nicht, Veränderungen vorzunehmen“, stellt er fest. „Es muss auch kommuniziert werden. Das ist ganz wichtig um neue Kunden zu gewinnen. Und das ist der Weg, den wir jetzt intensiv gehen.“