Seit 130 Jahren: Ein aus Erfahrung gewachsenes Gefühl für Spielspaß

Interview mit Dr. Bernd Fakesch, General Manager DACH

Wirtschaftsforum: Herr Dr. Fakesch, Nintendo ist einer der Begründer der Spielkonsole und hat nach einigen Höhen und Tiefen mit der Wii den Konsolenspielemarkt revolutioniert. Nun hat Ihr neuestes Produkt, die Nintendo Switch, den Markt erobert. Wie erklären Sie die Magie von Nintendo?

Dr. Bernd Fakesch: Ich denke, diese Magie entsteht aus der Kombination von Erfahrung und Firmenphilosophie: Nintendo stellt seit nahezu 130 Jahren Spielwaren her und hat auch die Welt der Videospiele von Anfang an entscheidend mitgeprägt. Lange vor Nintendo Switch und Wii haben wir mit dem Nintendo Entertainment System, dem Game Boy und den zugehörigen Spielen Industriestandards gesetzt – und damals schon Herzen höher schlagen lassen. Ein aus Erfahrung gewachsenes Gefühl für Spielspaß steckt unseren Hard- und Software-Entwicklern praktisch in den Genen.

Verstärkt wird das durch eine Unternehmensphilosophie, die ganz vom Spieler her denkt. Unsere Entwickler gehen immer zuerst von der Spielidee aus. Sie fragen sich was ein neuer Titel oder eine neue Konsole können sollte, um ein Höchstmaß an Spielspaß zu erzeugen, um dem Spieler ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Erst danach geht es darum, wie sich diese Ideen technisch realisieren lassen – und zu welcher unserer Charaktere sie passt. Dabei kommen immer wieder ganz unkonventionelle, überraschende Ergebnisse heraus.

So ist auch Nintendo Switch entwickelt worden, die erste TV-Konsole, mit der man auch mobil spielen kann – dank des integrierten Displays überall und jederzeit, ganz gleich, ob ein Fernsehgerät in der Nähe ist oder nicht. Aber das beste Beispiel für das unkonventionelle Denken bei Nintendo ist vielleicht Super Mario. Er ist ja im Grunde ein Anti-Held, ein Handwerker, der zwar pfiffig ist, aber dem Klischeebild des üblichen Superhelden völlig widerspricht – und damit seit über 30 Jahren unter anderem als Rennfahrer, Sportler und natürlich Prinzessinnen-Retter Erfolg hat. So gibt es noch eine ganze Reihe einzigartiger Charaktere und Spielserien wie etwa The Legend of Zelda, Animal Crossing, Yoshi und Splatoon, die für anhaltenden Spielspaß stehen – und eben für diese gewisse Nintendo-Magie.

Dr. Bernd Fakesch
„Das beste Beispiel für das unkonventionelle Denken bei Nintendo ist vielleicht Super Mario.“ Dr. Bernd Fakesch

Wirtschaftsforum: Ihre Branche lebt von Innovationen. Wie schafft es Nintendo dauerhaft kreative Spielideen zu entwickeln und wie schnell werden neue Projekte umgesetzt?

Dr. Bernd Fakesch: Sobald eine neue Konsole auf dem Markt ist, beginnt schon die Entwicklung der folgenden Generation. Das gleiche gilt auch für die Spiele selbst. In beiden Fällen kann das mehrere Jahre dauern, denn Nintendo legt Wert auf anspruchsvolle, abwechslungsreiche Spiele – möglichst Multiplayer-Titel – an denen unsere Fans sehr lange ihren Spaß haben sollen.

Vielleicht hat Nintendo auch einen gewissen Vorteil, der sich aus einer Besonderheit der japanischen Kultur ergibt. Denn im Shinto-Glauben können auch unbelebte Gegenstände eine Seele besitzen. Deshalb müssen sie mit Sorgfalt gefertigt und behandelt werden. Das schlägt sich im traditionellen japanischen Kunsthandwerk nieder, aber eben auch in der Herstellung technischer Geräte wie unserer Konsolen. Der Perfektionismus der Japaner ist sicher ein Grund dafür, warum Nintendo-Spiele so einfach handhabbar und intuitiv verständlich sind.

Wirtschaftsforum: Die Digitalisierung schreitet mit großen Schritten voran. Wird man in der Zukunft auch noch andere Dinge mit Spielekonsolen tun können als spielen?

Dr. Bernd Fakesch: Mit Nintendo-Konsolen konnte man schon immer mehr tun als nur spielen. Der Game Boy etwa ließ sich mit einem Drucker verbinden und schon der GameCube war online-fähig. Seit Wii und Nintendo 3DS, kann man mit unseren Konsolen auch online surfen, Videos anschauen, einkaufen, kommunizieren und vieles mehr. Zudem gibt es Software, mit der man zum Beispiel Kochen lernen, malen oder klassische Literatur über den Bildschirm des Nintendo DSi lesen konnte.

Aber unser Fokus liegt nach wie vor ganz eindeutig auf Spielspaß. Nintendo-Konsolen und –Spiele werden vor allem zu einem Zweck entwickelt: Sie sollen den Spielern ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Wir sind überzeugt, dass reine Spielkonsolen dazu besser in der Lage sind als andere Geräte, für die die Spielfunktion nur eine unter vielen ist. Das dürfte auf absehbare Zeit auch so bleiben. Was Spielkonsolen in Zukunft alles leisten können? Da sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt, wenn man nur an die Möglichkeiten von Virtual und Augmented Reality denkt. Lassen wir uns also überraschen.

Dr. Bernd Fakesch
„Der Perfektionismus der Japaner ist sicher ein Grund dafür, warum Nintendo-Spiele so einfach handhabbar und intuitiv verständlich sind.“ Dr. Bernd Fakesch

Wirtschaftsforum: Sie sind Autor eines Buches über Führung durch Mitarbeiterbeteiligung. Wie genau setzen Sie diese Methode in Ihrer Position als General Manager von Nintendo um?

Dr. Bernd Fakesch: Ja „Führung durch Mitarbeiterbeteiligung“ ist der Titel meiner 1991 erschienenen Doktorarbeit. Die Art von Unternehmensführung, die ich darin befürworte und die ich auch hier bei Nintendo Deutschland praktiziere, zeichnet sich vor allem durch kooperative Führung und flache Hierarchien aus. Ich setze ganz einfach auf die Kompetenz und das eigenverantwortliche Handeln unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Denn das macht die Abläufe deutlich schneller, flexibler und letztlich produktiver, als wenn eine Person an der Spitze jede Entscheidung selbst fällen müsste. Gerade in unserer Branche sind Schnelligkeit und Flexibilität ein großes Plus.

Umsetzen lässt sich das nur in einem guten, vertrauensvollen Betriebsklima. Beispielsweise braucht man auch eine gewisse Fehlerkultur. Motivation und Eigeninitiative zeigen Menschen nur, wenn die Freude am Gelingen größer ist als die Angst davor, auch einmal zu scheitern. Im Großen und Ganzen sind Unternehmen, die auf Einbeziehung ihrer Mitarbeiter setzen, erfolgreicher als solche mit starren Hierarchien.

Wirtschaftsforum: Zum Abschluss eine persönliche Frage: Welches Spiel spielen Sie am liebsten in Ihrer Freizeit?

Dr. Bernd Fakesch
„Motivation und Eigeninitiative zeigen Menschen nur, wenn die Freude am Gelingen größer ist als die Angst davor, auch einmal zu scheitern.“ Dr. Bernd Fakesch

Dr. Bernd Fakesch: Das ist im Moment ganz klar Mario Kart 8 Deluxe für Nintendo Switch. Bei dem turbulenten Kartrennen können bis zu acht Spieler gleichzeitig auf die Piste gehen. Unterschiedliche Rennerfahrungen können mittels Fahr-Assistenten, wie der Schlau-Steuerung und dem Auto-Gas, ausgeglichen werden. Das macht Mario Kart zum idealen Spiel, um es mit der Familie oder im Kreise von Freunden zu spielen.

Bei meiner Frau und meinen Kindern ist derzeit eine andere Neuheit für Nintendo Switch angesagt: ARMS, ein sehr strategisches, bewegungsgesteuertes Boxspiel. Man steuert seinen Avatar auf dem Bildschirm, indem man in jede Hand einen Controller, einen Joy-Con, nimmt und beide wie Boxhandschuhe schwingt. Das Besondere an dem Spiel ist, das sie jeder Figur einen Satz neuer Arme verpassen können, die jeweils ihre eigenen Stärken und Schwächen haben. Es kommt also nicht nur auf schnelle Reaktionen und Treffsicherheit, sondern auch auf strategisches Geschick an. ARMS ist, finde ich, ein gutes Beispiel dafür, wie Nintendo einer bekannten Spielidee noch einen zusätzlichen, unerwarteten Dreh gibt. Da entfaltet sich die Magie auch im Boxring.

Interview: Sarah Urquhart

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