Aufbruch in ein neues Zeitalter für Autos

Interview mit Thomas Witte, Geschäftsführer der Klingel GmbH

Der Aluguss hat im schwäbischen Waiblingen eine jahrzehntelange Tradition. In diesem Jahr feiert Klingel sein 40-jähriges Firmenjubiläum im Rahmen eines großen Weihnachtsfests. Wenn die Mitarbeiter an diesem Tag die Firmenzentrale betreten, werden sie im Empfangsbereich als Erstes sich selbst begegnen – auf einem Bild mit allen 300 Beschäftigten des Unternehmens.

„Sie sollen sehen, dass sie Teil der Firma sind“, sagt Geschäftsführer Thomas Witte und erklärt damit gleich die Firmenphilosophie: „Das Zugehörigkeitsgefühl und die persönliche Bindung sind uns extrem wichtig.“ Mit ‘uns’ meint er auch seinen Geschäftsführer-Kollegen Ulrich Klingel, der als Mitglied der Gründungsfamilie zu 50% am Unternehmen beteiligt ist.

Den schwäbischen Unternehmergeist brachten bereits Dieter und Volker Klingel in ihre 1978 gegründete Firma ein. Schritt für Schritt vergrößerte man sich, baute immer mehr persönliche Beziehungen zu den Kunden auf und wurde so im Bereich großer Automobil-Zulieferer im Stuttgarter Raum zu einem großen Namen.

„Das Geschäft war von Beginn an geprägt durch Vertrauen und gegenseitige Hilfestellung. Wir haben immer ein persönliches Bild von uns nach außen getragen und Anonymität vermieden“, betont Thomas Witte.

Deutsche Qualitätsarbeit

Im Automotive-Bereich bietet Klingel neben der Serienfertigung von Alu-Gussteilen auch die Bearbeitung von Magnesiumteilen an. „Damit heben wir uns vom Markt ab. In diesem Bereich haben wir – neben den bestehenden Automotive-Produkten – tolle Projekte für E-Bikes initiiert.“

Thomas Witte, Geschäftsführer der Klingel GmbH
„Die Menschen sollen nicht einfach einen Job suchen, sondern zu Klingel wollen!“ Thomas WitteGeschäftsführer

Aktuelle Entwicklungen machen jedoch auch in seinem Geschäft Veränderungen notwendig. „Der Trend geht zu antriebsunabhängigen Teilen. Wir wollen weg von der Abhängigkeit vom Verbrennungsmotor.“ Doch nicht nur im Fahrzeug werden Produkte von Klingel verbaut.

Das Unternehmen fertigt auch Hydraulikzylinder in Kleinserien, die in der Investitionsgüterindustrie Anwendung finden. Mit der Kompetenz aus 40 Jahren Zylinderbau überzeugt Klingel auch hier mit deutscher Qualitätsarbeit. Die Flexibilität eines mittelständischen und dabei nach wie vor inhabergeführten Unternehmens sieht Thomas Witte als großen Wettbewerbsvorteil. „Wir sind dadurch in der Lage, schnell Entscheidungen zu treffen, sind zum Beispiel nicht an einen Aufsichtsrat gebunden und können unsere Produktion anpassen.“

Er lobt zudem die flexible Mitarbeiterschaft und deren Bereitschaft, mehr zu arbeiten, um die angestiegenen Arbeitsvolumina zu bewältigen. Die Geschäftspolitik bezeichnet er als ‘kontrolliert risikobereit’. Man ist durchaus bereit und gewillt, Neues auszuprobieren – und zu investieren: „Wir sind in der glücklichen Lage, auch in schwierigen Zeiten der Branche weiterhin Investitionen zu tätigen“, erläutert er.

Kritik erwünscht

Die Automobilbranche war für Thomas Witte kein Neuland, als er im Mai 2017 zu Klingel kam. Hier übernahm er ein Jahr später den Posten des Kaufmännischen Geschäftsführers. Bereits seit 2009 war er im Automotive-Bereich tätig und brachte zudem große Expertise im Rechnungswesen und Controlling mit – wichtige Voraussetzungen, um Digitalisierung und Industrie 4.0 auch in den Verwaltungsprozessen voranzutreiben.

„Wir arbeiten derzeit vor allem an der Digitalisierung des Workflows in der Verwaltung, um die die Produktion unterstützenden Prozesse so schlank und effizient wie möglich zu gestalten“, erklärt er.

Die Buchhaltung wieder ‘inzusourcen’ sei notwendig gewesen, um schneller zu werden. „Wir haben eine Größe erreicht, wo das notwendig ist.“ Ein Thema ist ihm besonders wichtig: die Mitarbeiter. „Mitarbeiter zu gewinnen, ist nicht einfach hier im Speckgürtel von Stuttgart neben vielen namhaften Unternehmen. Wir bieten sichere Arbeitsplätze und ein angenehmes Umfeld. Die Menschen sollen nicht einfach einen Job suchen, sondern zu Klingel wollen!“

Dazu soll die neue Firmenkultur beitragen mit flexiblen Arbeitszeiten, stärkerer Einbindung der Mitarbeiter und ihrer Ideen sowie Umgestaltungen, etwa durch die Einrichtung von Sozialräumen, oder die Installation einer neuen Beleuchtungsanlage. „All solche Dinge, um das Wohlbefinden bei der Arbeit zu maximieren“, ergänzt Thomas Witte.

Ihm geht es aber auch darum, die Qualität der Mitarbeiter und damit Wettbewerbsvorteile zu sichern. „Für mich ist es eine faszinierende Aufgabe, Mitarbeiter abzuholen und zu Leistungen zu befähigen, die uns alle nach vorn bringen.“ Am liebsten sind ihm diejenigen, die eine große Loyalität zum Unternehmen entwickeln und in der Lage sind, Dinge kritisch zu hinterfragen, um Verbesserungen anzustoßen.

Mittelstand erhalten

An die Politik gerichtet äußert Thomas Witte den Wunsch, im Umgang mit mittelständischen Unternehmen mehr Fingerspitzengefühl zu zeigen. „Die Diesel-Krise hat uns zwar nicht getroffen. Ich weiß aber von anderen Unternehmen unserer Größenordnung, die durch die getroffenen Maßnahmen und die mit dem Thema verbundenen Unsicherheiten in große Schwierigkeiten geraten sind. Der Mittelstand in Baden-Württemberg ist eine wichtige Stütze für den Arbeitsmarkt. Die Politik sollte alles dafür tun, um ihn zu erhalten.“

Für das Unternehmen, das bisher stark vom Unternehmergeist geprägt und immer nah am Markt war, brechen neue Zeiten an. „Wir haben den Generationswechsel vollzogen. Jetzt werden wichtige Themen wie Digitalisierung, Mitarbeiter-Branding und neue Produktionstechnologien im Vordergrund stehen. Wie befinden uns heute in einem ganz anders agierenden Markt.“

So stehen für Klingel der Ausbau des Portfolios und der Vorstoß in neue Geschäftsfelder auf der Agenda. Das Exportgeschäft, das sich bereits auf Europa und Übersee erstreckt, soll ausgebaut werden und auch über den Aufbau von Standorten im Ausland werde nachgedacht.

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