Kann man zu mutig sein!?
Interview mit Dirk Müller, Finanzexperte, Fondsmanager und Buchautor

Wirtschaftsforum: Herr Müller, Sie gelten als „Dolmetscher zwischen den Finanzmärkten und den Menschen außerhalb der Börse“. Inwiefern gibt es aktuell besonders viele Themen, bei denen Sie „dolmetschen“ müssen?
Dirk Müller: Die Finanzmärkte werden immer komplexer und längst haben die politischen und geostrategischen Entwicklungen rund um den Globus mehr Einfluss auf die Finanzmärkte als reine Unternehmensentwicklungen. Diese Zusammenhänge in ihrer großen Komplexität, ihren auf den ersten Blick kaum ersichtlichen Wechselwirkungen, zu erkennen, ist selbst für Profis eine schwere Aufgabe. Für denjenigen, der sich nicht rund um die Uhr damit beschäftigen kann, da er andere Aufgaben zu bewältigen hat, ist es nahezu unmöglich.
Mein Job besteht darin, möglichst vieles zu recherchieren, zu verstehen und in Zusammenhang zu setzen und dann dem interessierten Anleger als möglichst schnell verständliche Zusammenfassung aufzubereiten. Die absolute Wahrheit hat niemand, auch ich nicht. Niemand hat alle Informationen der Welt. Jeder kann nur über diese Zusammenhänge berichten, die er gesehen hat. Das tue ich unabhängig und ehrlich.

„Die absolute Wahrheit hat niemand, auch ich nicht.“ Dirk MüllerFinanzexperte, Fondsmanager und Buchautor
Wirtschaftsforum: Automobilaktien zählen eigentlich als sichere Bank für Anleger. Mit dieser Sicherheit scheint es vorbei zu sein. Sollten Anleger trotzdem auf Aktien der großen Automarken zur Geldanlage setzen?
Dirk Müller: Damit wäre ich derzeit absolut zurückhaltend. Die ganze Branche ist im Umbruch und es ist nicht ausgeschlossen, dass heute noch große Namen in Zukunft keine Rolle mehr spielen, auch wenn wir uns das heute kaum vorstellen können. Denken Sie an Agfa, die einst den Fotomarkt beherrschten und heute verschwunden sind, obwohl heute mehr fotografiert wird als je zuvor, nur weil die grundlegende Technologie sich verändert hat. Der Ausgang im Automobilsegment ist völlig offen und die Angriffe gegen den seit hundert Jahren dominierenden deutschen Automobilsektor laufen derzeit sehr konzertiert und aggressiv.

„Die Börse ist der Schmelztiegel all dessen, was auf der Welt geschieht, deshalb beschäftigen wir uns auch mit einem breiten Themenspektrum.“ Dirk MüllerFinanzexperte, Fondsmanager und Buchautor
Wirtschaftsforum: Mit cashkurs.com betreiben Sie eine Website für unabhängige News aus der Wirtschaft. Was möchten Sie mit diesem Angebot erreichen?
Dirk Müller: Ich möchte den Menschen unabhängige und gut recherchierte Informationen zur Verfügung stellen, die sich nicht einer Political Correctness oder Mainstreammeinung unterwerfen. Wir erlauben uns hier mit namhaften Experten querzudenken und Fragen zu stellen: immer gut recherchiert, leicht verständlich aufbereitet, aber auch nicht jeder Hysterie hinterherjagend. Die Börse ist der Schmelztiegel all dessen, was auf der Welt geschieht, deshalb beschäftigen wir uns auch mit einem breiten Themenspektrum. Immer auch unter dem Aspekt „Was heißt das für mich als Bürger oder Anleger?“. Das tun wir frei von Werbung Dritter oder sonst irgendeiner Beeinflussung.

„Ich bin mein eigener Chef und bin niemandem Rechenschaft schuldig über das was ich sage oder tue.“ Dirk MüllerFinanzexperte, Fondsmanager und Buchautor
Wirtschaftsforum: Als einer der profiliertesten Finanzexperten Deutschlands beziehen Sie zu kontroversen Themen klar und deutlich Position. Politiker und Unternehmer sind oft zurückhaltender. Sind Sie zu mutig in Ihrem Auftreten?
Dirk Müller: Kann man zu mutig sein!? Ich habe das große Glück frei denken und vor allem frei reden zu können. Ich bin mein eigener Chef und bin niemandem Rechenschaft schuldig über das, was ich sage oder tue. Diese Freiheit ist ein großes Glück und davon mache ich Gebrauch. Ich sage es immer genau so, wie ich es sehe und verstehe. Zugleich habe ich stets Respekt vor anderen Menschen und deren Meinung. Ich bin weit davon entfernt, die Wahrheit für mich zu beanspruchen.
Ich erkläre meine Sicht auf die Dinge auf Grundlage meiner Informationen und höre immer offen und aufmerksam anderen zu, besonders wenn sie andere Meinungen haben. Vielleicht haben sie Informationen, die ich noch nicht hatte. Gelegentlich muss man seine Sichtweise korrigieren, um mit der Zeit der Wahrheit immer näherzukommen. Erreichen wird sie wohl nie jemand. Ein weiser Mann sagte einst: „Wir haben eine Zunge, aber zwei Ohren. Daher sollten wir immer doppelt so viel Zuhören wie wir reden“. Ich liebe es anderen Zuzuhören und zu lernen.

„Die Bundestagswahl ist ein mediales Ereignis, aber keines von größerer Tragweite.“ Finanzexperte, Fondsmanager und BuchautorDirk Müller
Wirtschaftsforum: Bei Ihren Büchern fallen Schlagworte wie Crashkurs oder Showdown. Werden wir letzteren am 24. September bei der Bundestagswahl erleben? Haben Sie ein Wunschergebnis?
Dirk Müller: Nein, die Bundestagswahl ist ein mediales Ereignis, aber keines von größerer Tragweite. Egal wie die Wahl ausgeht ist der weitere Verlauf der Dinge nahezu ausgemachte Sache. Ich habe viele Illusionen bezüglich unserer vermeintlich demokratischen Systeme abgelegt. Die Entscheidungen fallen längst nicht im Auftrag oder Einvernehmen mit den Bürgern oder ihrer Interessen, sondern im Interesse derer, die bereits heute über Macht und Geld verfügen. Deren Interessen sind leider oft gegensätzlich zum eigentlichen Gesellschaftsinteresse.
Daher sind auch Bundestagswahlen für mich eher unter dem Begriff „Demokratietheater“ einzuordnen. Eine schön inszenierte Aufführung für jene, die noch daran glauben wie an das Kasperle und seine Großmutter.
Interview: Markus Büssecker