„Tischler-Handwerk in neues Zeitalter führen“
Interview mit Josef Göbel, Geschäftsführer der Josef Göbel GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Göbel, mit mehr als 300 Mitarbeitern und einem Umsatz von 40 Millionen EUR hat Ihr Unternehmen eine beachtliche Größe erreicht. Wie ist aus einer kleinen Manufaktur ein international anerkanntes Unternehmen geworden?
Josef Göbel: Der Betrieb wurde 1874 gegründet und bestand lange aus nur ein paar Mitarbeitern. Erst unter meinem Vater, der vierten Generation, wuchs er auf die heutige Größe heran – immer aus eigener Kraft. In den 1980er-Jahren begann auch die Internationalisierung. Heute liefern wir in 18 Länder Europas. Auch in Amerika haben wir schon gearbeitet. Unser Exportanteil beträgt 50 bis 70%. In Europa werden wir für unsere Qualität und unsere Mitarbeiter geschätzt. Das ist ein wesentlicher Grund für unser Wachstum.
Wirtschaftsforum: Wie sind Sie heute aufgestellt?
Josef Göbel: Als Unternehmensgruppe sind wir mit vier Standorten in Österreich vertreten. Produziert wird ausschließlich in Fladnitz an der Teichalm. Wir haben uns breit und sehr differenziert aufgestellt. So richten wir sowohl Privatwohnungen als auch öffentliche Einrichtungen, Hotels, Restaurants, Museen, Apotheken und historische Bauten ein. Zu unseren Kunden und Projekten zählen zum Beispiel die Hotels Imperial und Sacher sowie Schloss Schönbrunn in Wien, das Kempinski in Moskau und die japanische Botschaft in Berlin. Überall dort, wo Menschen etwas Besonderes gestalten und ihre Umgebung verschönern wollen, sehen wir Marktpotenzial, ihnen den Raum dafür zu schaffen.
Wirtschaftsforum: Hilft Ihnen diese breite Aufstellung auch in der Corona-Krise?
Josef Göbel: Leider sind alle Märkte gleichermaßen von der Krise betroffen. Das haben wir noch nie erlebt. Derzeit arbeiten wir alte Aufträge ab. Was der Herbst bringen wird, steht in den Sternen. Das führt zu einer großen Unsicherheit. Es ist aber ein Domino-Effekt zu erwarten, wenn Investitionen wieder freigegeben werden.
Wirtschaftsforum: Auf welche Stärken können Sie sich auch in schwierigeren Zeiten verlassen?
Josef Göbel: Zu 100% auf meine Familie. Alle strategischen Positionen sind mit Familienmitgliedern besetzt und wir haben klare Strukturen, sodass eindeutig geklärt ist, wer das Sagen hat. Für ein Familienunternehmen ist es das größte Glück, wenn die Familie funktioniert. Da-rauf wird bei uns seit Generationen viel Wert gelegt. Mit meinen Kindern und denen meiner Schwester steht auch die sechste Generation schon in den Startlöchern.
Wirtschaftsforum: Welche Themen beschäftigen Sie in Ihrer Position besonders?
Josef Göbel: Als Geschäftsführer ist es meine Aufgabe, das Unternehmen in die nächste Generation zu führen. Das erfordert nachhaltiges, vorsichtiges und zukunftsorientiertes Denken. Ich bin davon überzeugt, dass Unternehmen, die in Zukunft überlebensfähig sein wollen, sehr gut organisiert sein müssen. Bei unserer Größe – die meisten Tischlereien in Österreich haben weniger als zehn Mitarbeiter –, unserem breit gefächerten Produktionsspektrum und der Tatsache, dass jedes Möbelstück ein Unikat ist, ist die Herausforderung, die Komplexität zu managen. Für uns ist es deshalb sehr wichtig, Handwerk mit neuen Organisationsformen wie ERP-Systemen, Robotern und Software zu verknüpfen. Es geht darum, Tradition mit zukunftsorientierten Lösungen zu verbinden und Prozesse im Handwerk neu zu überdenken. Meine Vision ist, in der Branche tonangebend zu sein und das Tischlerhandwerk in ein neues Zeitalter zu führen. Ein wichtiges Thema wird dabei allerdings der Fachkräftemangel sein.
Wirtschaftsforum: Wie begegnen Sie diesem?
Josef Göbel: Wir versuchen, unseren Mitarbeitern durch Zusatzangebote mehr als nur einen Arbeitsplatz zu bieten und das Handwerk als schönen Beruf zu etablieren. Unser Leitsatz lautet: ‘Unser Unternehmen dient den Menschen’. Familiäre Verhältnisse, ein angenehmes Betriebsklima und gute Mitarbeiter sind wichtiger als Wachstum. Viele Mitarbeiter sind schon sehr lange, teils 30 oder 40 Jahre, bei uns. In Zukunft wird es mehr gute Kunden als gute Handwerker geben. Das in Einklang zu bringen, ist die größte Herausforderung.