CO2-Bilanz: besser als nur neutral
Interview mit Marcus Vogeler, Betriebsleiter der Ilmenauer Wärmeversorgung GmbH
Wirtschaftsforum: Herr Vogeler, welche Ereignisse in der Geschichte Ihres Unternehmens waren besonders wichtig?
Marcus Vogeler: Die Ilmenauer Wärmeversorgung wurde 1991gegründet. 2003 hat man sich entschieden, hier am Standort ein Biomasse-Heizkraftwerk zu bauen, das 2005 in Betrieb gegangen ist. Das war ein wichtiger Schritt, weil er uns ermöglicht hat, aus Altholz, das bereits im Wirtschaftskreislauf war, Strom und Wärme zu produzieren. Wir verbrennen 7 t Altholz pro Stunde und erzeugen dadurch rund 65% unseres Wärmebedarfs. 2013 haben wir ein Biomethan-Blockheizkraftwerk in Betrieb genommen. So sind wir heute in der Lage, eine sehr große Menge Wärme aus erneuerbaren Energien herzustellen. 30 bis 35% gewinnen wir noch mit Erdgas. Da wir aber Kraft-Wärme-Kopplung betreiben, also Wärme und gleichzeitig elektrischen Strom erzeugen, werden wir mit einem CO2-Emissionsfaktor von null bewertet. Rechnerisch sind wir, was das CO2-Äquivalent angeht, sogar im Minusbereich, da die Gutschrift, die wir für den aus Biomasse erzeugten Strom erhalten, die Emissionen durch die konventionellen Brennstoffe übersteigt.
Wirtschaftsforum: Was bedeutet das für Ihre Kunden?
Marcus Vogeler: Die Bewohner von Ilmenau, die ans Fernwärmenetz angeschlossen sind, haben dadurch klimaneutrale Heizenergie. In der Kernstadt werden die meisten Einwohner mit Fernwärme versorgt. Im Jahr verkaufen wir 80.000 MWh aus Holz, also CO2-frei. Damit vermeiden wir eine Menge von 14,4 Millionen kg CO2, die durch Erdgas entstehen würde.
Wirtschaftsforum: Wie ist die Ilmenauer Wärmeversorgung heute aufgestellt?
Marcus Vogeler: Wir sind ein kommunaler Betrieb und zu 51% Eigentum der Stadt Ilmenau. 49% hält die STEAG New Energies GmbH. 20 Mitarbeiter sind bei uns beschäftigt, und wir generieren einen Jahresumsatz von rund zehn Millionen EUR.
Wirtschaftsforum: Was hat Sie zu diesem Unternehmen verschlagen, und welche Impulse können Sie ihm geben?
Marcus Vogeler: Ich habe Energietechnik studiert und bin 2012 als Betriebsleiter ins Unternehmen gekommen. Derzeit sind wir bestrebt, die Auskopplung aus dem Biomasse-Heizkraftwerk zu vergrößern. Wir wollen noch mehr Fernwärme aus Altholz produzieren, indem wir die Anlage erweitern. Für uns und letztlich auch unsere Kunden bedeutet das geringere Kosten im Hinblick auf die CO2-Bepreisung. CO2-Freiheit und Klimaneutralität sind heute unschlagbare Verkaufsargumente. Bis 2025 wollen wir 75 bis 80% unserer Fernwärme aus erneuerbaren Brennstoffen generieren.
Wirtschaftsforum: Welche Leistungen bieten Sie im Einzelnen?
Marcus Vogeler: 85% unseres Umsatzes erzielen wir mit dem Vertrieb von Fernwärme, 15% mit Strom. Unsere Fernwärmekunden bekommen ein Rundum-sorglos-Paket, da wir die Anlagentechnik stellen, sie reparieren und instandsetzen. Wir liefern die Wärme direkt in die Wohnung. Unsere Störungsnummer ist 24/7 erreichbar und Störungen werden schnell und kostenfrei behoben. Wir beliefern private und gewerbliche Kunden sowie öffentliche Einrichtungen wie die Technische Universität. Auf dem Uni-Campus betreiben wir auch eine Kälteanlage, die durch Umwandlung der Abwärme Kälte produziert.
Wirtschaftsforum: Was macht das Unternehmen Ihrer Meinung nach so erfolgreich?
Marcus Vogeler: Wir sind innovativ und in der Lage, schnelle Entscheidungen zu treffen. Unser Biomasse-Heizkraftwerk ist ein ganz wesentlicher Erfolgsfaktor. Außerdem haben wir ein hoch motiviertes Team.
Wirtschaftsforum: Wie wird sich das Geschäft mit Wärme und Strom in Zukunft entwickeln?
Marcus Vogeler: Fernwärme wird nur zukunftsfähig sein, wenn es gelingt, eine gute CO2-Bilanz zu schaffen. Nur das wird Kunden überzeugen und preislich attraktiv sein. Dazu muss Fernwärme in Form von Kraft-Wärme-Kopplung produziert werden. Unser Ansatz ist, nicht auf Kleinanlagen zu setzen, sondern unser großes Fernwärmenetz zu nutzen, um die Wärme zentral in die Stadtteile zu verteilen. Dieses Netz stammt noch aus der DDR-Zeit, ist aber umfassend restauriert und erneuert worden. Das System funktioniert aber nur, weil wir zu einem hohen Anteil mit erneuerbaren Energien arbeiten. Beim Strom wird durch die Elektromobilität und kleine dezentrale Anlagen ein enormer Mehrbedarf entstehen. Gleichzeitig sind Kohleausstieg und die Abschaltung der Atomkraftwerke beschlossen worden. Das wird die Diskussion um Atomstrom neu entfachen.
Wirtschaftsforum: Die Ilmenauer Wärmeversorgung tut zweifellos viel für die Umwelt. Ist das auch Ihr persönlicher Antrieb?
Marcus Vogeler: Mein Antrieb ist, ein zukunftsfähiges Unternehmen zu entwickeln, das auch in zehn Jahren noch gesund, aber dabei noch grüner und interessanter sein wird.