Titan für Europa – von Europäern

Interview mit Alexey Rasskazov, Geschäftsführer der Hermith GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Rasskazov, Sie sind einer der ganz wenigen in Europa ansässigen Produzenten von Titan. Was ist die Kernkompetenz von Hermith?

Alexey Rasskazov: Wir sind ursprünglich nur mit dem Vertrieb und Handel von Titan gestartet, mit Quellen in Russland und in den Vereinigten Staaten. Dann sind wir immer weiter in die Fertigungstiefe gegangen, haben zunächst mit technischer Unterstützung für unsere Kunden begonnen und dann immer mehr Methoden der Verarbeitung entwickelt und patentiert. In 2015 haben wir mit unserer eigenen Produktion begonnen, und seit 2016 beliefern wir Europa mit unseren eigenen Produkten. Inzwischen verfügen wir über eine ganze Palette von Titanhalbzeugen, mit Fokus auf den Flugzeugbau. Dafür gibt es in Deutschland und auch in Europa nur wenige Wettbewerber. In unserer Münchner Zentrale bündeln wir alle technologischen Lösungen und Patente, sodass wir flexibel reagieren können. Wir beliefern alle renommierten Namen der Branche, wie zum Beispiel Bombardier, Airbus, Leonardo, Pilatus, Embraer, Golfstream, General Electric und Pratt & Whitney.

Wirtschaftsforum: Sind Sie auf bestimmte Produkte spezialisiert?

Alexey Rasskazov: Spezialisiert sind wir auf Rohre. Wir sind in der Lage, größte Abmessungen zu liefern, genauso wie kleinste Durchmesser. Das können nur wenige Anbieter weltweit. Darüber hinaus haben wir noch Stangen und Latten, Platten, Scheiben und Blocks im Portfolio. Wir schneiden die Produkte individuell nach Kundenwunsch und liefern ihnen genau das, was sie brauchen. Wir sind flexibel, schneller als die großen Namen und können auch mit kleinsten Mengen arbeiten.

Wirtschaftsforum: Titan ist ein wichtiges Rohmaterial mit begrenzten Quellen. Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit in Ihrem Geschäft?

Alexey Rasskazov: Allein in Deutschland gibt es schon 700 Unternehmen, die das Material verarbeiten. Die Versorgung mit Titan muss langfristig sichergestellt werden, denn sie ist elementar für systemkritische Bereiche. Wir stehen in engem Kontakt mit dem Wirtschaftsministerium in Berlin und in München, auch mit der Europäischen Kommission. 2020 hat die Europäische Kommission Titan in die Liste der kritischen Rohstoffe aufgenommen, da es in der EU keine eigene Titanquelle gibt und die Nachfrage nach diesem Material sehr hoch ist. Für die Luft- und Raumfahrtindustrie ist es erlaubt, maximal 20% von umgeschmolzenem Titan zu verwenden. Wir sind einer der Leader in der Welt, die die Entwicklung von additiver Herstellung unterstützen. Traditionell wird Titan geschmiedet, dann in die nötige Form gefräst. Man kann Titan nicht gießen, es verliert dann seine Struktur. Seit 2017 haben wir eine Kooperation mit einem führenden Unternehmen für die Herstellung additiver Teile. Wir generieren aus Draht Schicht für Schicht Teile. Bei der herkömmlichen Methode hat man einen Materialverlust von bis zu 86%. Bei der additiven Herstellung liegt er gerade einmal bei 8%. Dies ist die Methode der Zukunft. Wir möchten die erste Fabrik in Europa dafür eröffnen. Aktuell dominieren die US-Unternehmen den Markt und die Flugzeugbauer sind auf diese angewiesen. Die Preise sind hoch.

Wirtschaftsforum: Sie sind in einem sehr schwierigen Markt sehr erfolgreich geworden. Wie ist Ihnen das gelungen?

Alexey Rasskazov: Wir beobachten sehr genau die Märkte, Trends und auch die Konkurrenz. Der Bedarf an Titan ist groß. Wir sind schnell und flexibel und ein internationales Team, das offen für Innovationen ist.

Wirtschaftsforum: Was erwarten Sie vom Jahr 2022?

Alexey Rasskazov: Der Krieg war ein menschlicher Schock für uns. Die Situation ist instabil, die Dynamik negativ. Beides ist schlecht für das Geschäft. Wir bekommen gute Unterstützung von den Wirtschaftsinstanzen, wie zum Beispiel dem Ostausschuss, den Handelskammern und dem Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie. Die Hermith GmbH steht nicht auf Sanktionslisten, wir dürfen weiter in Russland produzieren, die Produktion dort ist vollständig unter unserer Kontrolle. Obwohl die politische Situation instabil ist, gehen die Lieferungen kontinuierlich weiter.

Wirtschaftsforum: Haben Sie vor diesem Hintergrund als Unternehmer einen Appell an die Politik?

Alexey Rasskazov: Unsere Firma ist ein internationales Team, mit Mitarbeitern aus Russland, aus der Ukraine, aus Deutschland, Indien und vielen anderen Ländern. Heute setzen wir Projekte in vielen Ländern der Welt um. Wir hatten große Pläne in der Ukraine, die wir jetzt erst einmal alle auf Eis gelegt haben. Wir brauchen Frieden – so bald wie möglich.

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