HEAT macht Neugier auf autonomes Busfahren
Interview mit Natalie Rodriguez, Gesamtprojektleiterin HEAT

Wirtschaftsforum: Dass die Zukunft autonom fährt, ist Konsens unter Experten – nicht aber, wie die genaue Ausgestaltung aussehen wird. Wieso soll man in der Zukunft in einen autonomen Bus steigen, wenn das autonome Auto dank Waymo oder Uber 24 Stunden am Tag bereitstehen wird?
Natalie Rodriguez: Das urbane Mobilitätsangebot in Hamburg ist mit ÖPNV sowie Car- und Ride-Sharing-Angeboten schon heute gut aufgestellt. Dennoch gibt es in jeder Großstadt immer auch Gebiete und Tageszeiten, die nicht so umfassend abgedeckt sind. Hierfür können wir uns autonome Fahrzeuge in Zukunft gut als Ergänzung vorstellen – beispielsweise als Zubringer zum nächsten Schnellbahnanschluss.

„Wir streben eine Integration in den regulären Straßenverkehr mit einer Geschwindigkeit von bis zu 50 Kilometern pro Stunde an.“ Natalie RodriguezGesamtprojektleiterin
Wirtschaftsforum: Damit Ihr autonomer Bus sicher am Straßenverkehr teilnehmen kann, muss auch die Fahrstrecke mit Sensoren und digitalen Kommunikationssystem aufgerüstet werden – ein beträchtlicher Aufwand. Muss nicht irgendwann die ganze Technik ins Fahrzeug verlagert werden, damit autonomer Personenverkehr rentabel werden kann?
Natalie Rodriguez: Wir haben uns gemeinsam mit den Projektpartnern IAV und Siemens ganz bewusst für die Kombination aus Fahrzeug und Infrastruktur entschieden. Hintergrund hierfür ist die Einzigartigkeit unseres Forschungsvorhabens: Wir streben eine Integration in den regulären Straßenverkehr mit einer Geschwindigkeit von bis zu 50 Kilometern pro Stunde an – dies kann unserer Einschätzung nach nur mit dem gewählten Technikeinsatz erreicht werden. Grundsätzlich handelt es sich bei HEAT um ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt. Faktoren wie Aufwand und Kosten werden hierbei genauso untersucht wie die Technik.
Wirtschaftsforum: Der Starttermin für den Fahrgastbetrieb von Projekt HEAT ist bereits einmal verschoben worden, von Anfang 2020 auf den Sommer des Jahres. Als Grund geben Sie mitunter einen längeren Zulassungsprozess an. Sind die regulatorischen Hürden beim autonomen Fahren größer als die technischen?
Natalie Rodriguez: Man muss sich vor Augen führen, dass wir bei HEAT von der Einrichtung und Integration einer eigenen Infrastruktur sowie der Entwicklung eines ganz neuen Fahrzeuges sprechen. Fakt ist dabei: Es gibt heute noch keinen Zulassungsprozess für automatisierte Fahrzeuge im regulären Straßenverkehr. Entsprechend müssen Genehmigungen und Zulassungen erst in enger Abstimmung mit den Behörden erarbeitet werden. Hier spielt unser Partner IKEM eine zentrale Rolle, da er alle Genehmigungs- und Zulassungsverfahren für das Projekt vorbereitet und begleitet.
„Anwohnerinnen und Anwohner hatten bei der Präsentation des Fahrzeuges natürlich viele Fragen, zeigten sich dabei aber heute schon interessiert an künftigen Mitfahrten.“ Natalie RodriguezGesamtprojektleiterin

Wirtschaftsforum: Viele Entwickler von autonomen Fahrzeugen sehen weder Technik noch Regulierungen als die größte Herausforderung an, sondern eine möglicherweise stockende Akzeptanz bei den Konsumenten. Wie ist die bisherige Resonanz auf das Projekt HEAT ausgefallen?
Natalie Rodriguez: Bisher wird dem Projekt HEAT vor allem mit Neugierde begegnet. Anwohnerinnen und Anwohner hatten bei der Präsentation des Fahrzeuges natürlich viele Fragen, zeigten sich dabei aber heute schon interessiert an künftigen Mitfahrten. Um den unbestritten wichtigen Aspekt der Akzeptanz genau zu untersuchen, haben wir als Partner das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt an Bord, das sich mit der entsprechenden Begleitforschung für HEAT befasst, deren Ergebnisse auch Eingang in die weitere Gestaltung des Forschungsprojektes finden werden.
Wirtschaftsforum: Blicken wir ein paar Jahrzehnte in die Zukunft: Wird der Hamburger Stadtverkehr irgendwann vollautomatisch ohne einen einzigen Fahrer auskommen?
Natalie Rodriguez: Welche Rolle automatisierte Fahrzeuge in der urbanen Mobilität der Zukunft spielen werden, lässt sich heute nicht vorhersagen. Wir stehen hier noch ganz am Anfang und wollen mit unserem Forschungs- und Entwicklungsprojekt HEAT zunächst herausfinden, ob und in welcher Form sich autonome Fahrzeuge in den regulären Straßenverkehr integrieren lassen. Mit diesem Ansatz betreten wir absolutes Neuland und es wird sich erst im Laufe des Projektes zeigen, welche Chancen und Möglichkeiten sich für die Zukunft tatsächlich ergeben.
Interview: Julian Miller | Fotos: Hamburger Hochbahn AG