Neu denken, neu erfinden

Interview mit Dr. Andreas Stumpe, Geschäftsführer der Haug Chemie GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Dr. Stumpe, Sie sind Geschäftsführer der Haug Chemie GmbH und seit2019 im Zuge einer Altersnachfolge für diese tätig. Was hat Sie an der Aufgabe und dem Unternehmen gereizt?

Dr. Andreas Stumpe: Zur damaligen Zeit war ich unzufrieden mit meiner beruflichen Situation, war für ein Unternehmen tätig, das mehr und mehr in Konzernstrukturen verankert wurde. Haug hat einen sehr guten Namen, zudem ist es ein mittelständisches Unternehmen in Familienbesitz. Nur dank dieser Struktur und dem Idealismus der Gesellschafter konnten und können wir weiterhin viele Veränderungen umsetzen.

Wirtschaftsforum: Welche Herausforderungen stellten sich damals?

Dr. Andreas Stumpe: Das Unternehmen hat viel Potenzial, musste allerdings auf neue Beine gestellt werden, um zukunftsfähig zu sein. Dazu zählte zum Beispiel eine neue Marktausrichtung: weg von den zwei Produktgruppen Reinigung/ Oberfläche und Lösungsmittel hin zu Produkten entlang der gesamten Prozesskette der Kunden. Wir führen eine technische Beratung durch, schauen uns Prozesse an, analysieren und unterstützen Kunden dabei, mit aufeinander abgestimmten Produkten Prozesse zu optimieren und wirtschaftliche Vorteile zu generieren. Wir haben neue Produktgruppen erarbeitet und alte reaktiviert; beispielhaft sind Schmierstoffe, wassermischbare und nicht-wassermischbare, Entschäumer, Wasserbehandlungsprodukte oder Korrosionsschutzprodukte. Damit erfinden wir uns produktseitig momentan neu mit einem starken Fokus auf Nachhaltigkeit.

Wirtschaftsforum: Kann man angesichts dieser Neuerungen von einem Transformationsprozess sprechen?

Dr. Andreas Stumpe: Ja. Wir befinden uns inmitten eines innovativen Transformationsprozesses mit sehr großer Dynamik. Ich umschreibe Haug gerne als ‘Start-up mit einer Basis von 26 Millionen EUR Umsatz’. Wir erfinden alles neu, Produkte und Strukturen, haben den Personalbestand um 10% aufgestockt und altersbedingtes Ausscheiden kompensiert. Viele Schlüsselpositionen wurden neu besetzt. Wir investieren 30 Millionen EUR, um weiter am Standort Deutschland festhalten zu können.

Wirtschaftsforum: Inwieweit betreffen die Veränderungen die Unternehmensphilosophie?

Dr. Andreas Stumpe: Es gibt ein neues Mindset, der Mensch steht heute im Mittelpunkt. Mit den Gehaltsstrukturen großer Konzerne können wir nicht mithalten, dafür schaffen wir ein Arbeitsklima, das anders und attraktiv ist, gerade in Zeiten des Arbeitskräftemangels. Wir räumen unseren Mitarbeitern große Freiheiten ein, sie bringen ihre Ideen ein und gestalten Prozesse mit.

Wirtschaftsforum: Wie sieht aktuell das Portfolio aus und an wen richtet es sich?

Dr. Andreas Stumpe: Das Angebot ruht auf vier Säulen. Traditionelle Lösungsmittel machen 40% aus, der Bereich industrielle Reinigung weitere 40%. Eine stetig steigende Nachfrage gibt es bei den noch jungen Produktgruppen Wasserbehandlung und Schmierstoffe. Mit 3.500 Kunden vor allem in Deutschland, aber auch in der DACH-Region, haben wir eine sehr breite Aufstellung; wir arbeiten genauso für kleine Werkstätten wie für Konzerne, viele aus dem Bereich Automotive. Weil wir mit den Kunden vor Ort und auf Augenhöhe diskutieren wollen, halten wir bewusst am Außendienst fest.

Wirtschaftsforum: Wie setzt sich Haug vom Markt ab?

Dr. Andreas Stumpe: Im Bereich Entlackung sind wir dem Markt voraus. Hervorragende, nachhaltige Produkte, die bei sehr niedrigen Temperaturen arbeiten, bieten wir im Bereich Reinigung und dort speziell auf dem Gebiet Power Wasch an. Nachhaltigkeit ist ein großes Thema; um hier innovativ zu sein, kooperieren wir mit verschiedenen Start-ups. 2020 haben wir den Lieferanten-Award für die Oberflächenreinigung bekommen. All das spricht für Haug. Nicht zuletzt sind wir als Mittelständler klein und flexibel. Wir können Kundenanforderungen auch in kleinen Volumina sehr schnell realisieren und bieten zudem auch für kleinere Kunden speziell zugeschnittene Lösungen an. Wir liefern Gesamtpakete und sind auch dann zur Stelle, wenn es kritisch wird. In einer Welt, in der es eigentlich alles gibt, möchten wir Kunden etwas Einzigartiges bieten: etwas, das schwer kopierbar ist.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Chemie

„Wir sind stark genug, uns in der Welt zu behaupten“

Interview mit Jens Hummes, COO und Nadine Girschewski, Chief Communication & Marketing Officer sowie Vincent Bossert, CEO der Koch-Chemie GmbH

„Wir sind stark genug, uns in der Welt zu behaupten“

Mit viel Liebe zum Detail und dem richtigen Gespür für den Kunden ist die Koch-Chemie GmbH mit Sitz in Unna mit ihren Reinigungs- und Pflegeprodukten seit 1968 erfolgreich am Markt.…

Ein Nischenkönig in Familienhand

Interview mit Ann-Dorothée Büsche, Geschäftsführerin der semiQuarz GmbH

Ein Nischenkönig in Familienhand

Vielfach verbaut und für etliche Branchen unerlässlich: Das ist Quarzglas. Dank seiner chemischen Festigkeit und hohen Umwandlungstemperatur findet Quarzglas in der ein oder anderen Form integriert den Weg in wichtige…

Mit Pulverleimen Papier und Pappe nachhaltig kleben

Interview mit Rob Broere, Interim-CEO, Gesellschafter der Cordial Adhesives B.V.

Mit Pulverleimen Papier und Pappe nachhaltig kleben

Mit Leimen für die Papier- und Kartonindustrie hat sich die niederländische Cordial Adhesives B.V. einen Namen gemacht. Das international tätige Unternehmen mit Sitz in Winschoten sowie einer weiteren Produktion in…

Spannendes aus der Region Rhein-Neckar-Kreis

Kreativ verpackt: Wie Design und Technik Hand in Hand gehen

Interview mit Markus Feurer, Geschäftsführender Gesellschafter der FEURER Group GmbH

Kreativ verpackt: Wie Design und Technik Hand in Hand gehen

In Anbetracht der neuen EU-Verpackungsverordnung, die darauf abzielt, die Umweltauswirkungen von Verpackungen zu reduzieren und die Recyclingquoten zu erhöhen, stehen viele Unternehmen vor der Herausforderung, ihre Strategien anzupassen. Die FEURER…

Auf Vorwärtskurs durch die Fördertechnik

Interview mit Janina Spieler, Personal & Controlling der CCI Fördertechnik GmbH

Auf Vorwärtskurs durch die Fördertechnik

Was haben die Luft- und Raumfahrt, die Lebensmittelindustrie, die Automobilbranche und die Pharmaindustrie gemeinsam? Diese auf den ersten Blick bunt gemischte Gruppe teilt sich doch eine Eigenschaft: Unternehmen aus diesen…

Zwischen Tradition und Innovation

Interview mit Andreas Becker, Geschäftsführer der Weroform GmbH

Zwischen Tradition und Innovation

Kunststoffprofile spielen eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung und Konstruktion von Gebäuden, insbesondere im Bereich der Bedachung und Verkleidung. Sie vereinen ästhetische Gestaltungsmöglichkeiten mit hervorragenden technischen Eigenschaften, wodurch sie sich…

Das könnte Sie auch interessieren

Wie Schallschutz zur Schlüsseltechnologie wird

Interview mit Wilfried Thies, Geschäftsführer der FAIST Anlagenbau GmbH

Wie Schallschutz zur Schlüsseltechnologie wird

Schallisolierung, die Maßstäbe setzt: Die FAIST Anlagenbau GmbH ist ein führender Anbieter innovativer Schallschutzlösungen für Industrie und Energieerzeugung. Mit über 100 Jahren Erfahrung und einer Marktführerschaft im Bereich Luftansaugsysteme und…

Gemüsezüchtung im Wandel der Zeit

Interview mit Kerstin Sobottka, Geschäftsführerin der Rijk Zwaan Welver GmbH

Gemüsezüchtung im Wandel der Zeit

In Zeiten von Klimawandel, Schädlingen und Krankheiten steht die Saatgutbranche vor großen Herausforderungen. Die Rijk Zwaan Welver GmbH, die deutsche Niederlassung der weltweit tätigen Rijk Zwaan Zaadteelt en Zaadhandel B.V.…

Patientenorientierte Versorgung im ländlichen Raum

Interview mit Michael Hanke, Geschäftsführer der Krankenhaus Stockach GmbH

Patientenorientierte Versorgung im ländlichen Raum

Im ländlichen Raum Deutschlands hat die Krankenhaus Stockach GmbH eine besondere Stellung. Als eines der kleinsten Krankenhäuser des Landes hat es sich nicht nur durch seine patientenorientierte Versorgung einen Namen…

TOP