Roboter auf Achse
Interview mit Hans Gut, CEO Güdel Group AG und Dennis Nohr, Managing Director der Güdel Germany GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Gut, Herr Nohr, seit wann existiert das Unternehmen Güdel und wie wurde es zu dem, was es heute ist?
Hans Gut: Der Ursprung von Güdel liegt in der Schweiz, wo das Unternehmen 1954 von Alfred Güdel als mechanische Werkstatt gegründet wurde. Er hat mit einer Schlagzahnmaschine sehr präzise Zahnräder hergestellt. Damit stieß er in eine Marktlücke. Da auch Zahnstangen benötigt wurden, stieg man in die Herstellung von Linearführungen ein. Rudolf Güdel, der Sohn des Gründers, übernahm 1978 die Führung des Unternehmens. Zusammen mit seinem Team erweiterte er das bestehende Produktportfolio von linearen Verfahrachsen, Portalrobotern bis hin zu kompletten Automatisierungslösungen. Mit diesem Know-how gelang es Güdel, ins Pressen-Handling-Geschäft einzusteigen. So verarbeitete man für die Automobilindustrie Bleche zu Türen, Side Panels und Kotflügeln und war damit sehr erfolgreich. Vor 20 Jahren kam es zu einem Joint Venture mit einem chinesischen Pressenhersteller. Als Rudolf Güdel vor sieben Jahren verstarb, bekam das Unternehmen eine klassische Management-Struktur. Seitdem haben wir stark investiert, unter anderem in die Bereiche Powertrain und Reifen-Handling. Güdel hatte immer eine epische Wertschöpfungstiefe – wir produzieren selbst Späne, bieten aber auch Turnkey-Lösungen. Das hat uns geprägt und hilft uns auch durch die aktuelle Krise.
Wirtschaftsforum: Wie ist Güdel heute aufgestellt?
Hans Gut: Auch geografisch haben wir einen Footprint aufgebaut. Wir haben weltweit rund 20 Standorte und betreiben, neben dem Hauptsitz in der Schweiz, fünf größere Werke in den USA, Deutschland, Indien, China und Korea.
Dennis Nohr: In Deutschland ist Güdel seit den 1990er-Jahren vertreten. Güdel Germany existiert in der jetzigen Form seit 2016. Die Güdel Germany GmbH in Osterburken ist für das Solutions-, Robotics- und Prime Care-Geschäft, die Güdel Components GmbH in Altenstadt für den Komponentenvertrieb in Deutschland zuständig. Auch Güdel Germany ist sehr breit aufgestellt. Neben Automotive sind wir in den Bereichen General Industry und Railway tätig. Durch die Konzentration der Geschäfte auf den Standort Osterburken im Jahre 2020 haben wir schon vor der Krise unsere Hausaufgaben gemacht.
Wirtschaftsforum: Wie haben Sie dann die Krisenzeit erlebt?
Hans Gut: Die Krise in der Maschinenindustrie hat schon im letzten Quartal 2019 begonnen. Da hatten wir einen Einbruch, und auch 2020 war schwach. Wir haben dennoch ein positives EBIT erreicht, weil wir noch hohe Auftragsbestände aus 2018 und 2019 hatten. In Deutschland und der Schweiz hat uns die Kurzarbeit geholfen. 2021 war sehr gut, und auch in diesem Jahr scheinen wir wieder zu wachsen, etwa um 15%. In den USA, China und Indien merken wir nichts von der Rohstoffkrise, anders als in Europa. Global sehen wir einen sehr angespannten Markt für alle elektronischen Komponenten.
Dennis Nohr: Die Auswirkungen sind bisher noch nicht sehr groß, aber die Durchlaufzeiten haben sich extrem verlängert. Bei uns helfen sich die Landesgesellschaften untereinander und wir sind im ständigen Dialog mit unseren Kunden.
Wirtschaftsforum: Wo steht Ihr Unternehmen im Wettbewerb?
Dennis Nohr: Ich nenne uns immer den Hidden Champion. In Deutschland stehen wir mit unseren Produkten im oberen Drittel, in manchen Bereichen sind wir ganz weit vorn, an zweiter oder dritter Stelle. Wir überzeugen mit Qualität und Ehrlichkeit.
Wirtschaftsforum: Welche Produkte und Leistungen bieten Sie an?
Hans Gut: Unsere Produktbereiche sind Verfahrachsen für Roboter, Linearachsen und Portale, Smart Products, Linearführungen sowie der komplette Antriebsstrang, bestehend aus Zahnstange, Ritzel und Getriebe. Wir fertigen Einzelanlagen, die engineered sind, keine Serien. Ein wichtiger Bereich sind die Verfahrachsen. 10% aller Roboter müssen sich von links nach rechts bewegen. Ihnen fehlt eigentlich die siebte Achse. Die liefern wir. Pro Jahr fertigen wir davon über 1.000 Stück. Zu unserem Angebot gehört auch die Veredelung. Wir gehen in Richtung Turnkey, zum Beispiel mit Powertrains und kompletten Kurbelwellenbearbeitungsanlagen. Stark sind wir im Pressen von Karosserieblechen; in dem Bereich sind wir Weltmarktführer.
Dennis Nohr: Wir bieten zum einen die Produkte an und sind gleichzeitig Lösungspartner. Unser starkes Robotics-Geschäft hat uns durch die Krise geholfen. Aktuell bauen wir den Service Prime Care aus und wollen die Kunden noch besser im Lebenszyklus der Anlage unterstützen, zum Beispiel durch Condition Monitoring und später mit Predictive Maintenance.
Wirtschaftsforum: Wie sieht Ihre weitere Strategie in Bezug auf Ihr Produkt- und Leistungsportfolio aus?
Hans Gut: Die nächste Stufe wird sein, den Betrieb beim Kunden noch besser zu verstehen, um noch mehr auf ihn eingehen und ihm das richtige Wartungspaket mit anbieten zu können. Dazu müssen wir genau wissen, wie der Kunde seine Anlagen betreibt.
Wirtschaftsforum: Womit hebt sich Güdel im Wettbewerb ab?
Hans Gut: Mit Zuverlässigkeit und unserer Erfahrung. Global haben wir schon über 170 Pressenlinien installiert.
Dennis Nohr: Unsere Produkte tragen das Swiss-made-Gütesiegel. Güdel steht für zuverlässige Anlagen. Wir haben starke Engineering-Abteilungen, gehen individuell auf den Kunden ein und sind in der Lage, global zu installieren. Zudem reagieren wir schnell auf Veränderungen am Markt und sind flexibel. Selbst in der Coronazeit mussten wir keine Baustelle stoppen.
Wirtschaftsforum: Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für den Erfolg von Güdel?
Hans Gut: Die Schweiz ist ein idealer Standort für dieses Geschäft, dort finden wir topmotivierte und gut ausgebildete Leute. Durch unsere Auslandsgesellschaften sind wir global am Puls des Marktes. Das Zusammenspiel des Schweizer Standorts und der Gesellschaften im Ausland funktioniert sehr gut, nach dem Motto ‘think global, act local’. Wir waren immer nah an den Kunden, nicht zuletzt, weil unser Front-Sales-Team ihre Sprache spricht.
Wirtschaftsforum: Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft von Güdel aus?
Hans Gut: Wir wollen unseren globalen Wachstumskurs fortsetzen, aber nachhaltig wachsen. Dabei werden wir uns neben Automotive weiter in andere Gebiete entwickeln, zum Beispiel den modularen Elementbau für Häuser.
Dennis Nohr: Auch im Bereich Automotive wollen wir uns breiter aufstellen. Der Kunde wird auch in Zukunft im Vordergrund stehen. Wir halten außerdem an der hohen Qualität bei Produkt und Mitarbeitern fest.