Das Auge im System

Interview mit Sven Schönfelder, Geschäftsführer der INSION GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Schönfelder, schon in den 1990er-Jahren haben Sie sich mit dem Themenspektrum Mikrooptik beschäftigt – was gab schließlich den Anstoß zur Gründung von INSION?

Sven Schönfelder: Die am KIT entwickelten Prozesse und Produktkonzepte in der Mikrooptik boten eine wertvolle Grundlage für industrielle Anwendungen. Diese führten in den frühen 2000er-Jahren im Mikrotechnologie-Unternehmen microParts in Dortmund zu ersten Produkten und Anwendungen in der Prozesstechnik und der medizinischen Diagnostik.  Unter dem Dach des Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim wurden in den Folgejahren die Potenziale der Mikrospektrometer als Detektionsplattform für die personalisierte Medizin deutlich. 2011 hat sich mir dann die Möglichkeit geboten, diesen Geschäftsbereich aus dem Konzern herauszukaufen und eigenständig fortzuführen. Eine Gelegenheit, die ich gern ergriffen habe, denn im Marktumfeld gab es keine vergleichbaren Spektrophotometer und Spektralsensoren mit unserer Genauigkeit, Robustheit und Skalierfähigkeit. 2020 konnten wir in einem unserer Hauptprojekte schließlich so gute Ergebnisse erzielen, dass INSION im Zuge eines massiven Produktionsanlaufs auch personell und räumlich stark wuchs.

Wirtschaftsforum: Welche Lösungen bieten Sie Ihren Kunden genau an und wodurch unterscheiden Sie sich dabei von Ihren Wettbewerbern?

Sven Schönfelder: Mit unseren Spektralsensoren entwickeln wir grundsätzlich die Sensorik für OEMs, die dann als das ‘Auge’ im jeweiligen Analysesystem einge-setzt wird. Da unseren Komponenten somit die komplette stoffliche Erkennung und Quantifizierung zufällt, leisten wir einen wesentlichen Beitrag zur Qualität und Funktionalität der Endgeräte. Ein zentrales Alleinstellungsmerkmal von INSION liegt in unserer Technologie, mit der wir das komplette Spektrometer in einem einzigen Spritzgussschritt auf einem Chip herstellen können. Dazu mussten wir im Rahmen unserer Entwicklungsarbeit mehrere physikalische Grenzen überwinden. Die Spiegel auf unseren Spek-trometern werden derzeit mittels Ultrahochvakuum-Bedampfungstechnik hergestellt. Der so entstehende Sensor weist damit eine Robustheit und Stabilität auf, durch die er hervorragend in kritischen Umgebungen oder als Handgerät eingesetzt werden kann.

Wirtschaftsforum: Welche Anwendungsfelder stehen dabei im Fokus Ihrer Aufmerksamkeit?

Sven Schönfelder: Unser Fokus liegt bis heute auf der medizinischen Diagnostik. Insbesondere sammelten wir Erfahrungen mit der transkutanen Messung von Blutparametern, wie beispielsweise mit einem FDA-zugelassenen Bilirubin-Messgerät zur Gelbsucht-Frühbestimmung an Neugeborenen ohne Blutabnahme.  Auch Blutgasmessungen oder die klassische In-Vitro-Diagnostik (IVD) stellen zentrale Anwendungsfelder unserer Technologie dar. Einige unserer Kunden realisieren beispielsweise Lab-on-a-Chip-Systeme auf briefmarkengroßen Chips, bei denen unsere Produkte die optische Sensorik darstellen. Diese Produkte sind in der Lage, äußerst schwer detektierbare Biomarker nachzuweisen und zu quantifizieren. Sie kamen beispielsweise in der Coronapandemie zur Anwendung. 

Wirtschaftsforum: Gibt es auch Einsatzmöglichkeiten jenseits des medizinischen Bereichs? 

Sven Schönfelder: Wir wachsen schon seit einiger Zeit über das typische Laborumfeld hinaus und engagieren uns beispielsweise im Lebensmittel- und Landtechnik-Bereich, wo unsere Spektrometer etwa auf Mähdreschern eingesetzt werden. Dort sitzen sie an dem Rohr, durch das das gedroschene Erntegut in den Tank geblasen wird, und bestimmen gleichsam ‘on the fly’ unter anderem den Feuchtigkeits-, Eiweiß- und Stärkegehalt. Neben dem wirtschaftlichen Wert ihres Produkts ergibt sich daraus für die Landwirte in Kombination mit GPS-Daten ein übersichtliches Bild über die ertragreichsten Bereiche auf ihren Feldern. Gerade an diesem Anwendungssegment wird die Robustheit unserer Spektrometer deutlich. Sie können tagein, tagaus Stresssituationen ausgesetzt werden und liefern stets zuverlässige Messdaten. Aber auch in der fleisch- und wurstverarbeitenden Industrie und im Restaurantumfeld liegen wichtige Anwendungsfelder, etwa um die Reifezeitpunkte von Obst und Gemüse zu bestimmen oder um am Sushi-Tresen festzustellen, wie lange der Fang des jeweiligen Fisches schon zurückliegt.

Wirtschaftsforum: Worin sehen Sie die nächsten zentralen Entwicklungsschritte für INSION?

Sven Schönfelder: Die technologische Entwicklung, die wir in unserem Segment in den letzten 30 Jahren erlebt haben, war sicherlich atemberaubend. In den 1990er-Jahren gingen erste hochwertige VGA-Kameras mit Stückpreisen von 20.000 USD einher; heute sind Module mit dieser Qualität schon für 2 USD erhältlich. Gleiches gilt für die stoffliche Analytik: Wo in der Vergangenheit Systempreise von 100.000 EUR standen, können wir heute mit Kostenblöcken von wenigen Hundert Euro fertigen – bei noch größeren Stückzahlen als bei unserer aktuellen Fertigungskapazität von circa 100.000 Stück pro Jahr vielleicht in Zukunft sogar noch günstiger. 
Einen wichtigen technologischen Entwicklungsschritt für die nächsten Jahre sehen wir darin, unsere Produkte intelligenter zu machen: Heute liefern wir noch primär physikalisch rückführbare Spektralsensoren, deren Ausgaben von unseren OEM-Kunden in analytische Ergebnisse umgesetzt werden. In Zukunft möchten wir jedoch mit intelligenten Systemen die Schnittstelle zum Kunden weiter auf unsere Seite verlagern und ‘handheld’ Anwendungen erschließen, die heute noch auf die Laboranalytik angewiesen sind. Durch den Einsatz von MultiplexDetektion und Lab-on-a-Chip-Technologien wollen wir die Spektroskopie als analytische Technik noch breiteren Anwenderkreisen zugänglich machen. Idealerweise würde es dann ausreichen, wenn die Mitarbeiter unseres Kunden den jeweiligen Sensor mit einigen Proben anlernen; im Anschluss erledigt dieser die Zuordnung und Quantifizierung dann automatisch. Perspektivisch wird sich die Spektroskopie aus unserer Sicht außerdem eng mit der Imaging Technology verzahnen. Nicht zuletzt deshalb ist INSION vor einigen Jahren auf den Campus des Kameraherstellers IDS gezogen. Derzeit arbeiten wir an vielversprechenden Vorprojekten, um Bild- und stoffliche Informationen in einem Produkt zusammenzuführen. Davon versprechen wir uns weiteres Wachstumspotenzial. 

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