Technikaffine Netzwerker

Interview mit Thomas Vetsch, CEO der Gramag AG

Wirtschaftsforum: Herr Vetsch, vor einem Jahr haben Sie die Gramag AG übernommen. Wie kam es dazu?

Thomas Vetsch: Die Gramag entstand ursprünglich im Rahmen eines Management-Buy-outs und konzentrierte sich zunächst auf die Druckweiterverarbeitung im grafischen Geschäft. Mit zunehmender Digitalisierung verlor die grafische Industrie an Bedeutung – ein schleichender Prozess, der zu einem Umdenken führte. Vor drei Jahren baute man mit dem Packaging einen neuen Geschäftsbereich auf. Partner des Unternehmens hatten den Schritt von der Papier- zur Verpackungsindustrie gemacht und Lösungen angeboten, die wir übernahmen. Einen signifikanten Wachstumsschub erhielten wir letztlich durch einen Großkunden, einen großen Schweizer Onlinehändler. Mit ihm als Kunden konnten wir uns relativ schnell einen Namen für Verpackungsservices machen. Gleichzeitig wurde aus Altersgründen die Frage nach einer Nachfolgeregelung immer dringlicher. Ich habe die Gramag dann 2020 übernommen und mit ihr das komplette Personal inklusive dem ehemaligen Geschäftsführer. Den Kunden konnten wir so einen nahtlosen Übergang garantieren.

Wirtschaftsforum: Wie stellt sich die Gramag AG heute, nach der Übernahme, dar?

Thomas Vetsch: Wir sind nach wie vor in Reiden ansässig und zudem mit einer Verkaufsagentur in der Westschweiz verbunden, in der fünf Mitarbeiter tätig sind. Insgesamt kommen wir so auf gut 20 Mitarbeiter. Das Portfolio ruht auf den drei Standbeinen Graphic, Packing und Automation, wurde also mit der Zeit diversifiziert. Heute betreiben wir die Gramag ganz bewusst als Plattform; wir sind ein Dienstleistungsunternehmen, das die Chancen der Digitalisierung nutzt und Services wie Beratung, Verkauf, Projektleitung, Dienstleistungen und Schulungen anbietet und dafür auf ein großes Netzwerk setzt.

Wirtschaftsforum: Wie würden Sie das heutige Portfolio beschreiben?

Thomas Vetsch: Wie bereits gesagt, haben wir heute die drei Bereiche Graphic, Packing und Automation. Nach wie vor ist der grafische Bereich, also die ursprüngliche Kernkompetenz, in der es um die Druckweiterverarbeitung geht, die größte Division. Im Segment Verpacken spielt der E-Commerce eine wesentliche Rolle. Hier geht der Trend zu umweltfreundlichen, nachhaltigen Verpackungen, weg vom Plastik, hin zu Papier oder Karton. Ganz wichtig ist, dass wir mit dem Prinzip des Packing-on-Demand arbeiten, bei dem jedes Produkt zunächst genau vermessen wird, bevor eine maßgenaue Verpackung realisiert wird. Die Anforderungen der Kunden ändern sich dabei stetig, zum Beispiel was das Kommissionieren angeht. Da sind Lösungen gefragt, die es heute zum Teil noch nicht gibt. Auch der Bereich Automatisierung bildet eine zentrale Säule. Wir finden Maschinenbauer auf der ganzen Welt, übernehmen für sie die Projektleitung, begleiten mit unserem Serviceteam die Produktion und schauen, dass diese in der Schweiz optimal läuft. In der Schweiz muss man aus Kostengründen früher an Automatisierungen denken als in anderen Ländern. Zudem herrscht ein eklatanter Mangel an Leuten. Was die Automatisierung betrifft, haben wir viele neue Ideen im Hinterkopf, bei denen es um manuelle Prozesse bei Logistikern geht.

Wirtschaftsforum: Wie beurteilen Sie aktuelle Trends und was bedeuten diese für die Gramag?

Thomas Vetsch: Wir sehen ganz klar, dass Kunden mehr technische Unterstützung brauchen, weil es nicht genug Techniker gibt. Zudem zeichnet sich ab, dass die Produktion zurückkommt; deshalb müssen wir entsprechende Kapazitäten in den Markt bringen. Ein weiterer Trend ist die Spezialisierung der Maschinenbauer. Braucht man heute eine allgemeine Lösung, wird es schwierig. Dank unseres Netzwerks können wir interessante Alternativen bieten. Letztlich ist dieses Angebot das Resultat eines Prozesses, der auf dem aufbaut, was wir schon immer gemacht haben und seit jeher können. Wir selbst können keine Maschinen bauen, designen oder entwickeln, aber wir können Verbindungen herstellen, und zwar weltweit. Wir bieten Projektmanagement und stehen mit einem Serviceteam dahinter, damit Maschinen tatsächlich lebenslang funktionieren. Genau das hat die Gramag schon immer gemacht, wir sind uns dessen nur bewusster geworden.

Wirtschaftsforum: Wo liegen für Sie die Stärken und Chancen für die Gramag AG?

Thomas Vetsch: Wir sehen in den Bereichen Verpackung und Automatisierung besonderes Potenzial und wollen Schritt für Schritt unsere Position festigen, mehr und mehr in den allgemeinen Maschinenbau gehen und weitere Applikationen suchen. Gramag war immer ein technikorientiertes, seriöses, bodenständiges Unternehmen, das ist eine besondere Stärke – heute und morgen. Wir haben Mitarbeiter, die zum Teil seit 25 Jahren dabei sind; hier im Team zählt jeder. Für mich ist es eine besondere Herausforderung, diesen Geist des Unternehmens zu erhalten und Mitarbeiter zu finden, die mit Spaß bei der Sache sind. Die enge, persönliche Beziehung zu Kunden und Mitarbeitern ist uns extrem wichtig. Ruft man bei Gramag an, landet man nicht in der Warteschleife, sondern spricht mit einem geschulten Mitarbeiter. Diese persönliche Nähe schätze ich sehr. Gramag ist eine Firma mit Historie und Zukunftspotenzial; genau das hat mich gereizt, sie zu übernehmen und meine Ideen einzubringen. Ich liebe es, zu bauen, zu kreieren und zu vernetzen. Genau das kann ich in einem mittelständischen Unternehmen wie Gramag.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Anlagen- und Maschinenbau

Maschinen ein zweites Leben schenken

Interview mit Christian Munzinger, Geschäftsführer und André Elz, Geschäftsführer der GSN Maschinen-Anlagen-Service GmbH

Maschinen ein zweites Leben schenken

Neu bedeutet nicht zwangsläufig besser – insbesondere, wenn man die Kosten berücksichtigt. Als führender, herstellerunabhängiger Anbieter von innovativen Engineering-Lösungen im Bereich der Sondermaschinen und Automatisierungstechnik hat sich die GSN Maschinen-Anlagen-Service…

Die unsichtbaren Helfer der Industrie

Interview mit Dr. Aaron Geenen, CEO der EFS Gesellschaft für Hebe- und Handhabungstechnik mbH

Die unsichtbaren Helfer der Industrie

Ob in der Automobilproduktion, in der Luft- und Raumfahrt oder im Gesundheitswesen: Überall dort, wo schwere Lasten bewegt, Bauteile präzise positioniert oder ergonomische Arbeitsplätze gestaltet werden müssen, kommt moderne Handhabungstechnik…

Digitale Impulse im Maschinenbau

Interview mit Jil Evertz, Mitgesellschafterin und Prokuristin der Egon Evertz GmbH & Co.KG

Digitale Impulse im Maschinenbau

Seit fast 70 Jahren steht der Name Evertz für Innovation, Qualität und Kontinuität im Maschinen- und Stahlanlagenbau. Was 1956 mit einer pfiffigen Idee zur Reparatur von Kokillen begann, ist heute…

Spannendes aus der Region Reiden

Mit Pumas und anderen Tieren: Anpassungsfähig wie die Natur

Interview mit Olivier Carnal, General Manager der Essemtec AG

Mit Pumas und anderen Tieren: Anpassungsfähig wie die Natur

Der Schweizer Maschinenbauer Essemtec AG mit Sitz in Aesch ist längst im Zeitalter der Industrie 4.0 angekommen. Das Unternehmen aus dem Kanton Luzern stellt Produktionsequipment unter anderem für die Elektronikfertigung…

Durch Zusammenschluss stark

Interview mit Ernst Frutiger, Geschäftsführer der Brun Marti Dytan AG

Durch Zusammenschluss stark

Durch den Zusammenschluss der beiden Kranhersteller Brun-Mech und Marti Dytan 2016 ist ein leistungsstarker Komplettanbieter entstanden, der seinen Kunden ein umfassendes Portfolio an Kränen anbieten kann. „Es war sinnvoll, die…

Wachsen gegen den Trend – und in Schweizer Qualität

Interview mit Benno Brinlinger, Geschäftsführer der REFCO Manufacturing Ltd.

Wachsen gegen den Trend – und in Schweizer Qualität

Positive Nachrichten aus der Wirtschaft sind rar geworden – aber es gibt sie. Zum Beispiel von der REFCO Manufacturing Ltd. aus Hitzkirch in der Schweiz. Der Premiumanbieter für Werkzeuge und…

Das könnte Sie auch interessieren

Der Käse, der aus der Kälte kommt

Interview mit Dennis van Huet, Geschäftsführer der ZZA B.V.

Der Käse, der aus der Kälte kommt

Die italienische Küche ist beliebt wie eh und je. Pizza, Pasta und Co. sind inzwischen auch die häufigsten Gerichte im Restaurant und auf dem privaten Speiseplan. Auf eine gute Pizza…

Rausgehen, um weiterzukommen

Interview mit Jakob Schöffel, CEO der Schöffel Gruppe und Stefan Ostertag, CMO/CDO von Schöffel SPORT

Rausgehen, um weiterzukommen

Wer heute rausgeht, geht nicht einfach nur spazieren. Er sucht Stille, Weite, Ausgleich. Und oft auch ein kleines Stück Selbstvergewisserung in einer Welt, die sich schneller verändert, als uns manchmal…

Maschinen ein zweites Leben schenken

Interview mit Christian Munzinger, Geschäftsführer und André Elz, Geschäftsführer der GSN Maschinen-Anlagen-Service GmbH

Maschinen ein zweites Leben schenken

Neu bedeutet nicht zwangsläufig besser – insbesondere, wenn man die Kosten berücksichtigt. Als führender, herstellerunabhängiger Anbieter von innovativen Engineering-Lösungen im Bereich der Sondermaschinen und Automatisierungstechnik hat sich die GSN Maschinen-Anlagen-Service…

TOP