Ein Frachtschiff auf stürmischer See

Interview mit Ricarda Stäbler, Geschäftsführerin der Gottlob Stäbler GmbH & Co. KG

Wirtschaftsforum: Frau Stäbler, die Gottlob Stäbler GmbH & Co. KG befindet sich seit der Gründung 1924 im Besitz der Familie – eine außergewöhnliche Entwicklung, schließlich finden immer mehr mittelständische Betriebe keinen Nachfolger. Was hat Sie bewogen, in das Unternehmen einzusteigen?

Ricarda Stäbler: Die Firma war in unserer Familie immer sehr präsent; sowohl meine Eltern als auch mein Onkel und meine Tante waren im Unternehmen tätig. Dennoch konnte jeder seine eigenen Wege gehen. Ich selbst habe 2007 mein Abitur gemacht, im selben Jahr ist mein Opa verstorben. In dem Moment habe ich begonnen, mir Gedanken über die Zukunft des Unternehmens zu machen. Wir haben uns früh zusammengesetzt, um die Nachfolge zu planen. Häufig gibt es interne Differenzen, das wollten wir vermeiden. Jeder hat die Chance bekommen, sich einzubringen, letztlich war ich die Einzige, die die Chance nutzen wollte.

Es ist wichtig, offen und kommunikativ an die Sache heranzugehen; wir hatten für den gesamten Prozess eine externe Begleitung. Natürlich gab und gibt es auch bei uns Differenzen; entscheidend ist, zu lernen, damit umzugehen. Für mich ist die Baubranche alles andere als eingerostet, so wie es häufig suggeriert wird, sondern spannend und reizvoll. Jedes Projekt, jeder Kunde ist individuell, das macht den Reiz aus.

Wirtschaftsforum: Gibt es beim Rückblick auf die vergangenen knapp 100 Jahre besondere Meilensteine oder Entwicklungen, die Stäbler zu dem gemacht haben, was es heute ist?

Ricarda Stäbler: Mein Urgroßvater Gottlob Stäbler war der Gründer, sein Sohn Helmut ein Visionär und seiner Zeit voraus. Er sicherte sich damals ein Grundstück, das die heutige Entwicklung überhaupt ermöglichte, baute bereits in den 1960er-Jahren ein Wohnheim für Mitarbeiter und gründete ein Transportbetonwerk.

Wirtschaftsforum: Wie steht Stäbler heute da?

Ricarda Stäbler: Wir haben 60 feste Mitarbeiter und setzen nach einem langsamen, aber stetigen Wachstum zwischen 18 und 22 Millionen EUR um. 80% entfallen auf den Rohbau, der Rest auf die Bereiche Abbruch und Erdbau. Dabei geht es um unterschiedlichste Objekte im Umkreis von 30 km – vom exklusiven Einfamilienhaus bis zum komplexen Projekt mit 100 Wohnungen. Ich selbst habe Ende 2022 die Firma ZKW Zentrum für Kreislaufwirtschaft Weil der Stadt gegründet, ein Joint Venture mit anderen im Bereich Kreislaufwirtschaft führenden Unternehmen. Mit der ZKW können wir als ausführendes Unternehmen sämtliche Bauprozesse von Anfang bis Ende einer Immobilie abdecken und den Kreislauf schließen.

Wirtschaftsforum: Mit Gründung der Firma haben Sie ein Zeichen in Sachen Nachhaltigkeit gesetzt. Gibt es weitere Impulse, die Sie dem Unternehmen geben möchten?

Ricarda Stäbler: Die Firma befindet sich im permanenten Wandel, den wir gemeinsam als Team durchleben. Während mein Vater eher technikaffin ist, richte ich den kaufmännischen Blick auf das Ganze, widme mich der Weiterentwicklung der Mitarbeiter und strategischen Aspekten. Meine Erfahrungen in einem Konzern kommen mir dabei zugute. Auch wenn Themen wie BIM und Lean Management in aller Munde sind, bezweifle ich ihren Nutzen für unsere Branche. Natürlich beschäftige ich mich mit schlanken Prozessen, aber das macht jeder Bauleiter mit Tages- und Jahresplänen auch – und zwar seit Langem. Wir sind jedoch offen für neue Technologien, haben komplett digitalisierte Büroabläufe, eine digitale Bauhofverwaltung und eine eigene App, mit der jeder Mitarbeiter zum Beispiel verfolgen kann, wo sich welches Material tagesaktuell befindet.

Wirtschaftsforum: Die Baubranche durchlebt schwierige Zeiten. Wie beurteilen Sie den Markt?

Ricarda Stäbler: Die Bauindustrie war schon immer stürmisch; sie ähnelt einem Frachtschiff, das zwar langsam fährt, aber nicht so schnell zum Erliegen kommt. Allerdings machen zu viele neue Regeln die Arbeit immer schwerer. Wegfallende Fördergelder, steigende Zinsen und Baukosten werden zu einer schweren Krise führen. Hinzu kommt die Schwierigkeit, gute Handwerker zu finden – trotz spannendem Arbeitsumfeld und guten Aufstiegschancen. Die Ansprüche der Arbeitnehmer haben sich sehr verändert. Heute geht es um Work-Life-Balance-Themen; dabei wird leider vergessen, dass die Finanzierung über die Wirtschaft läuft und deshalb im Vordergrund stehen muss.

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