„Rückgrat des Wachstums sind die Rasierklingen aus unserem Werk in Eisfeld“
Interview mit Michael Hirthammer, Geschäftsführer der Harry‘s Factory in Deutschland

Wirtschaftsforum: Lassen Sie uns zum Beginn unseres Gesprächs ein wenig in den Rückspiegel schauen. Welche Schritte haben nach Ihrer Auffassung die Entwicklung des Unternehmens Eisfeld maßgeblich geprägt?
Michael Hirthammer: Da spielt sicherlich die Tatsache eine Rolle, dass das Unternehmen bereits vor mehr als 100 Jahren entstanden ist. Seit Beginn der 1950er-Jahre wurden hier am Standort Eisfeld Rasierklingen zunächst aus Karbonstahl hergestellt, seit Ende der 1960er-Jahre aus rostfreiem Stahl. Nach der Wende wurde der Betrieb nicht zerschlagen, sondern ist an einen Unternehmer übergegangen. Mit seinem Know-how und seinem Geld hat er das Unternehmen weiter ausgebaut und entscheidende Entwicklungen vorangetrieben, zum Beispiel den gotischen Bogen. So wurde 2007 der erste Dreischneider eingeführt – für einen Mittelständler eine bahnbrechende Innovation. Im März (2021) eröffnete Harry‘s in Deutschland, Frankreich, Belgien und in den Niederlanden seinen Onlineshop. In Nordamerika und Großbritannien sind wir mittlerweile auch im stationären Handel präsent.
Wirtschaftsforum: Wie ist Ihr Unternehmen heute strukturiert. Gibt es in Deutschland weitere Standorte außerhalb von Eisfeld?
Michael Hirthammer: Eisfeld ist unser einziger Standort in Deutschland. Ansonsten gibt es einen weiteren Firmensitz in Großbritannien und unser Mutterkonzern hat seinen Sitz mitten in Manhattan. Insgesamt beschäftigt Harry‘s zurzeit rund 1.000 Mitarbeiter und erzielte 2020 einen Umsatz von über 300 Millionen EUR. Wir wachsen jedes Jahr zweistellig, in den vergangenen Jahren waren es mehr als 20%.
Wirtschaftsforum: Wie erklären Sie sich dieses für diese schwierigen Zeiten ungewöhnlich hohe Wachstum?
Michael Hirthammer: Es ist die Kombination von einem Unternehmen mit einer hundertjährigen Geschichte und einem Start-up in New York. Es sind die Produkte und die Technologien, verbunden mit dem Verständnis für unsere Kunden, innovativem Marketing sowie dem Start des Business komplett online. Vor diesem Hintergrund entwickeln wir unsere Produkte weiter.
Wirtschaftsforum: Welche wichtigen Impulse möchten Sie dem Betrieb in Ihrer Funktion als Geschäftsführer geben?
Michael Hirthammer: Ich sehe eine meiner Aufgaben darin, einen klassischen, mittelständischen Betrieb in eine lernende Organisation umzuwandeln und die Beschäftigten mitzunehmen. Zusätzlich versuche ich, Strukturen, die ich während meiner Zeit in Großkonzernen kennengelernt habe – soweit hilfreich und notwendig – in unser Unternehmen zu integrieren.
Wirtschaftsforum: Wie ist das aktuelle Portfolio aufgebaut? Welches sind die wichtigsten Produkte und Produktbereiche heute?
Michael Hirthammer: Wir produzieren nach wie vor Nassrasierer. Wir verkaufen komplette Systeme, bei denen sie ein Griffstück mit einer Schneideinheit bekommen. Hinzu kommen Nachfüllpackungen, in der Regel mit vier, acht oder zwölf Schneideinheiten. Dies sind nach wie vor die wichtigsten Produkte für das organische Wachstum von Harry‘s. Außerdem bieten wir unseren Kunden Rasiergel und Körperpflegeprodukte an und haben auch noch sehr viele weitere Ideen. Das Rückgrat des Wachstums ist und bleiben jedoch die Rasierklingen aus Eisfeld.
Wirtschaftsforum: Wen beliefern Sie mit Ihren Produkten und wo sind sie erhältlich?
Michael Hirthammer: Beim aktuellen Eintritt in den deutschen Markt haben wir im ersten Schritt den jungen, internetaffinen Menschen im Blick, der auch viel in den Social Media unterwegs ist. Später werden wir auch eine breite Kundenschicht bedienen.
Wirtschaftsforum: Zum Abschluss die Frage: Was ist Ihre Zukunftsvision vom Unternehmen? Wo möchten Sie es in den kommenden drei bis fünf Jahren hinführen?
Michael Hirthammer: Als lernende Organisation wird unser Unternehmen weiter so agil und so präsent am Markt sein, dass wir für alles was kommt bestens aufgestellt sein werden.