Totenkopf trifft Zeitgeist: Die eindrucksvolle Verwandlung von FC St. Pauli Merchandising

Interview mit Alexander Timm, dem Operativen Leiter Merchandising der FC St. Pauli Merchandising GmbH & Co. Kg

Wirtschaftsforum: Erzählen Sie uns von den entscheidenden Schritten in der Unternehmensentwicklung.

Alexander Timm: Entscheidend für die Weiterentwicklung der FC St. Pauli Merchandising, war der Rückkauf der Merchandisingrechte im Jahr 2016. In schwierigen Zeiten hatten wir sie verkauft, aber rückgekauft, als wir wieder auf den Beinen waren. Dadurch konnte der Verein die Kontrolle über das Vereinslogo und insbesondere den Totenkopf wiedererlangen. Wir übernahmen das externe FC St.Pauli Merchandising und gründeten die FC St.Pauli Merchandising GmbH Co KG. Zusätzlich zum Logo war der Totenkopf, entstanden aus der Fanszene, enorm wichtig. Mindestens genauso wichtig: Nachhaltigkeit. Nachdem schon immer ein großes Augenmerk auf die Herkunft der Produkte gelegt wurde, sorgte ein Mitgliederbeschlusses 2016 dafür, dass unser Fokus sich noch verstärkter auf nachhaltige Produktion richtete.

Wirtschaftsforum: Wie beeinflusst sportlicher Erfolg das Merchandising?

Alexander Timm: Ohne Frage, sportlicher Erfolg ist der Katalysator im Merchandising. Trotz Krisenzeiten wuchs unser Geschäft stetig. Besonders die Pandemie stellte uns wie die gesamte Branche vor Veränderung – das physische Geschäft kam zeitweilen zum Stillstand, Onlineverkäufe explodierten hingegen, sodass wir 2021/2022 trotz Nachwehen der Pandemie das bisher erfolgreichste Geschäftsjahr im Merchandising abschließen konnten. Der Umsatz lag bei 9,9 Millionen Euro, angetrieben von einer sportlich erfolgreichen Rückrunde. Darüber hinaus spielte uns in die Karten, dass wir Produkte entwickelten, die den Zeitgeist trafen.

Wirtschaftsforum: Welche Impulse haben Sie dem Unternehmen gegeben?

Alexander Timm: Ich fand, dass das Merchandising des FC St. Pauli ein wenig in die Jahre gekommen war und sich weiterentwickeln musste. Meine Idee war es, das Unternehmen in seinem Denken zu verjüngen und dadurch voranzubringen, ohne dabei unsere Wurzeln und Kernwerte zu verlieren. Ein Ziel war es, unsere Produkte an ein jüngeres Publikum anzupassen, was bisher recht erfolgreich war.

Wirtschaftsforum: Wie hat sich der Einfluss von Subkulturen auf die Marke des FC St. Pauli verändert?

Alexander Timm: Ursprünglich war St. Pauli geprägt von der Punkrock-Subkultur der 90er, erkennbar am Totenkopf-Symbol. Heute dominieren im Viertel HipHop und Rap, was nicht bedeutet, dass wir unseren Ursprung und unsere Vergangenheit fortan hinter uns lassen. Dennoch ist es absolut notwendig, mit der Zeit zu gehen und sich auch neuen Dingen zu öffnen. Besonders international steht der Totenkopf hingegen immer noch ganz klar für Punkrock und den Kampf gegen das Establishment.

Wirtschaftsforum: Welche neuen Produkte sind besonders erfolgreich?

Alexander Timm: Bei den meisten Fußballvereinen machen Trikots 70 bis 80% des Umsatzes aus. Bei uns sind es nur 20 bis 25%. 75% kommen von anderen Fanartikeln wie Kapuzenpullis, T-Shirts, Mützen und Kappen. Wir sind entsprechend keine klassische Fußballmarke und betrachten uns selber in unserer Ausrichtung als Teil der Straßenkultur. Darüber hinaus haben wir unsere eigene Ausstatter-Marke DIIY gegründet, mit der wir Performance-Artikel verkaufen, die höchsten Nachhaltigkeitsstandards folgen und dennoch erschwinglich sind.

Wirtschaftsforum: Welchen Einfluss hat die Fanszene auf die Merchandising-Abteilung?

Alexander Timm: Kommerzialisierung ist unvermeidlich, dennoch streben wir danach, den kommerziellen Einfluss möglichst gering zu halten. Wir nutzen unser Merchandising als Plattform, um unsere Werte zu kommunizieren und überkommerzialisieren uns in diesem Bereich entsprechend nahezu. Mit der aktiven Fanszene, die selbst auch Textilien auf den Markt bring, stehen wir in regelmäßigem Austausch und holen uns bei unsicheren Produkten gerne ihr Feedback ein.

Wirtschaftsforum: Wie behalten Sie den Kult-Faktor und den Wiedererkennungswert des FC St. Paulis bei?

Alexander Timm:Das Wort „Kult“ hören wir tatsächlich relativ ungern – wenn auch wir uns davon natürlich nicht komplett freimachen können. Grundsätzlich versuchen wir uns, genau wie der Gesamtverein, immer etwas anders zu betrachten als es andere Fußball-Merchandiser tun – dies spiegelt sich entsprechend in unserem Sortiment wider. Ein weiterer Schlüsselfaktor ist auch die Qualität unserer Ware. Wir machen alles inhouse – von der Idee bis zum fertigen Produkt bis zur Kommunikation und dem Abverkauf. Dadurch kennen wir alle unsere Lieferanten und Produktionsstätten persönlich und können hohe Qualitätsstandards setzen.

Wirtschaftsforum: Wie sorgen Sie dafür, dass Ihr Verein von der Tradition und nicht vom Geld bestimmt wird?

Alexander Timm: Ein Aufstieg kann finanziell vorteilhaft sein, wie das Beispiel von Union Berlin zeigt – die zum Risiko zusätzlich natürlich auch noch ein wenig Unterstützung hatten. Wir versuchen, ein traditioneller Fußballverein zu sein, der gleichzeitig zeigt, dass ein anderer Fußball auch heutzutage im Profigeschäft möglich ist und gleichzeitig finanzielle Stabilität erzielen kann. Beispielsweise haben wir Vermarktung und Merchandising in Eigenregie und setzen als gesamter Verein einen großen Fokus auf Nachhaltigkeit.

Wirtschaftsforum: Wo sehen Sie das Unternehmen in den nächsten 3 bis 5 Jahren?

Alexander Timm: Wir haben bereits ein hohes Maß an Nachhaltigkeit erreicht, welches wir unbedingt halten wollen. Vor allem werden wir uns nun auf die Wirtschaftlichkeit konzentrieren müssen, da Artikel noch so nachhaltig und fair sein können, wenn am Ende kein wirtschaftliches vernünftiges Handeln mit diesen stattfinden kann. Wir möchten auch eine Verjüngung erreichen und junge Menschen ins Stadion bringen. Darüber hinaus wollen wir im Merch wieder etwas lokaler denken und den Stadtteil St. Pauli stärker in unser in unser Handeln einbeziehen.

Wirtschaftsforum: Was motiviert Sie persönlich in Ihrer Arbeit?

Alexander Timm: Ich gebe jetzt nicht die typische Antwort, dass ich schon als Kind in St. Pauli Bettwäsche geschlafen habe. Das wäre gelogen. Ursprünglich aus dem Norden und durch Papa geprägter ehemaliger Werder Bremen Fan, fand ich meine Verbindung zum FC St. Pauli mit meiner ersten Bestellung im Internet jemals, die damals eines der bekannten Retter-Shirts war. Während meines BWL-Studiums erkannte ich die Chance, privates Interesse möglicherweise mit dem Beruflichen zu verbinden. Ein Praktikum beim FC St. Pauli machte genau das möglich und heute, nach über 12 Jahren in diesem Verein, habe ich die Chance, sämtliche meiner alltäglichen Leidenschaften - Fußball, Streetwear, Musik und Kunst – zu verbinden und meinen Job nennen zu können. Die Identifikation mit den Werten des Vereins und das bewusste, nachhaltige Handeln sind weitere Treiber in meiner täglichen Arbeit..

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