Exzellenz in Technologie
Interview mit Tamer Cansiz, Managing Director bei der TBi Industries GmbH und Factory Manager der ESAB Welding & Cutting GmbH


Wirtschaftsforum: Herr Cansiz, ESAB Welding & Cutting ist heute ein Unternehmen, das weltweit führend in der Entwicklung und Herstellung von Maschinen und Ausrüstung rund ums Schneiden und Schweißen ist. Welche Meilensteine waren wichtig für diese Entwicklung?
Tamer Cansiz: Die Geschichte von ESAB beginnt bereits im Jahr 1904 mit einer bedeutenden Innovation, der Stabelektrode, die in den nächsten Jahrzehnten weltweit zum Standard geworden ist. Es ist insofern ein Unternehmen mit einer langen Tradition. Nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnete die Firma in Frankfurt den neuen Standort für die Produktion von Schneidanlagen. 1975 erfolgte der Umzug zum neuen Produktionsstandort in Karben, wo seither sehr erfolgreich Sondermaschinenbau betrieben wird. Tatsächlich war ESAB in den letzten Jahrzehnten Vorreiter auf dem Gebiet der Automation und ist bekannt für seine Schneidlösungen, die individuell auf die Anforderungen der Kunden zugeschnitten sind. ESAB ist weltweit der einzige Hersteller, der außer der Maschine auch die Technologie und die Steuerung liefert – alles aus einer Hand. Das ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal.
Wirtschaftsforum: Wie ist das Unternehmen heute strukturiert? Gibt es noch weitere Standorte außer Karben?
Tamer Cansiz: Die ESAB-Gruppe betreibt weltweit 34 Fertigungsstätten und gehört heute zur amerikanischen Colfax Corporation. Hier in Karben haben wir 115 Mitarbeiter. Der Standort gilt innerhalb der Gruppe als Center of Excellence. Das bedeutet, dass er innerhalb der ESAB-Gruppe die technologische Führung im Unternehmensbereich Schneiden innehat. Hier sitzen die Experten, von hier aus werden andere Standorte technologisch unterstützt und kompliziertere Projekte werden hier umgesetzt. Hier befindet sich das Technologiezentrum, das die Maßstäbe setzt.
Wirtschaftsforum: Sie sprechen vom Standort Karben als dem technologischen Zentrum der Gruppe. Liegt der Schwerpunkt hier weniger auf der Produktion als auf der Entwicklung?
Tamer Cansiz: Das ist in der Tat so. Wir haben eine sehr starke R&D-Abteilung, die Applikation wird hier erprobt. Wir haben hier eine kleinere Produktion, die Sondermaschinen baut sowie Prototypen und Unikate herstellt. Insofern wird das Umsatzwachstum der Gruppe eher von den produzierenden anderen Standorten generiert; wir haben als Center of Excellence die Aufgabe, die technologischen Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Wirtschaftsforum: Wie war Ihr Werdegang bei ESAB und was würden Sie bei Ihrer Arbeit als Ihr persönliches Steckenpferd bezeichnen?
Tamer Cansiz: Ich habe 1996 mit 16 Jahren bei ESAB als Azubi angefangen und im Zuge dessen verschiedene Bereiche durchlaufen. Ich konnte mich hier entwickeln und habe in der R&D später auch selbst Entwicklungen zur Patentreife gebracht. Seit zehn Jahren bin ich operativ tätig und seit 2018 Standortleiter. Seit 2021 bin ich zudem Geschäftsführer von TBi Industries GmbH in Fernwald, die der ESAB-Gruppe angehört. Für mich ist Design for Manufacturing immer ein großes Thema gewesen: das bedeutet, ein Produkt muss so konzipiert sein, dass eine effiziente Produktion möglich ist. Jeder Strich auf der Zeichnung hat Einfluss auf die Kostenentwicklung – umso wichtiger ist es, den Produktionsprozess so effizient wie möglich zu gestalten – Stichwort Value Engineering –, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Wirtschaftsforum: Welche Produkte umfasst Ihr Portfolio und welche sind besonders wichtig?
Tamer Cansiz: Für uns ist die individuelle Lösung wichtig: also in der Lage zu sein, auf spezielle Kundenanforderungen zu reagieren und die steigende Komplexität und Variantenvielfalt zu beherrschen, gleichzeitig aber wirtschaftlich zu fertigen. Wir gehen das über Standardisierung und Modularisierung an, indem wir Produkte gestalten, die durch modulare Technik zu individuellen Lösungen werden. Aktuelle Produkte sind einerseits ein Bohr-Aggregat, das mit dem eigenen Cad/Cam-System von ESAB neue Maßstäbe in punkto Produktivität setzt. Das zweite ist die Square Cut-Technologie, die durch Softwarekompensation die Schneidgenauigkeit und Schneidgeschwindigkeit signifikant verbessert hat.
Wirtschaftsforum: Eine persönliche Frage zum Schluss: Was motiviert Sie an Ihrem Beruf?
Tamer Cansiz: Mein Antrieb sind das Vertrauen, die Freiheit und die Gestaltungsspielräume, die mir hier gewährt werden. Mir ist wichtig, dass wir hier unsere Kreativität entfalten können. Wir sind in Deutschland sehr stark, was Produktion und Konstruktion angeht. Gestaltungsspielräume sind notwendig, um diese Kreativität weiter auszubauen. Und auch etwas anderes ist mir sehr wichtig: Als ich mit 16 Jahren ins Unternehmen kam, haben sich viele Menschen um mich gekümmert und sich die Zeit genommen, mich zu unterstützen und weiterzubringen. Dafür bin ich sehr dankbar und möchte das auch zurückgeben. Deshalb tun wir hier am Standort viel für junge Menschen. Wir haben sehr viele Praktikanten hier, für die ich mir persönlich Zeit nehme. Wir setzen auf junge Menschen, wir nehmen uns Zeit und sind geduldig mit ihnen und tun alles für ihr Wachstum und Fortkommen.